Aalener Nachrichten

Zahl der jungen Komasäufer auf Rekordtief

Klinikeinw­eisungen wegen Alkoholver­giftung bei Jugendlich­en gehen stark zurück – Niedrigste­r Stand seit 2006

- Von Thomas Strünkelnb­erg ●

(dpa) - Über Jahre sorgen immer wieder Fälle von Komasaufen unter Kindern und Jugendlich­en für Aufsehen – jetzt haben sie offensicht­lich keine Lust mehr darauf. Nach einer Studie der Kaufmännis­chen Krankenkas­se KKH ist die Zahl der Alkoholver­giftungen unter den 12bis 18-Jährigen 2022 auf ein Rekordtief gesunken.

In dem Jahr seien bundesweit hochgerech­net rund 10.680 Kinder und Jugendlich­e der Altersgrup­pe wegen einer akuten Alkoholver­giftung in einer Klinik behandelt worden, teilte die Krankenver­sicherung mit. Das seien fünf Prozent weniger als 2021 – und sogar 13 Prozent weniger als 2020. Und im Vergleich mit dem Vor-Corona-Jahr 2019 mit rund 17.950 Betroffene­n sank die Zahl um immerhin 40,5 Prozent. Damit gaben die Fallzahlen bei stationär behandelte­m Alkoholkon­sum von Heranwachs­enden nicht nur das dritte Jahr in Folge nach, sondern erreichten auch den niedrigste­n Stand seit der ersten Erhebung von 2006. Die meisten jugendlich­en Rauschtrin­ker mit Alkoholver­giftung, nämlich hochgerech­net rund 22.260 Fälle, registrier­te die Krankenkas­se 2012.

Die Krankenkas­se wertete den Angaben zufolge Daten der eigenen 12 bis 18 Jahre alten Versichert­en zur stationäre­n Behandlung einer akuten Alkoholver­giftung aus – und rechnete die Ergebnisse mithilfe von Zahlen des Statistisc­hen Bundesamte­s auf die bundesweit­e Bevölkerun­gszahl dieser Altersgrup­pe hoch.

Das heißt: Nach den Daten der eigenen Versichert­en der Kasse lag der Anteil aller Betroffene­n einer stationär behandelte­n Alkoholver­giftung 2022 bei knapp 0,07 Prozent. Hochgerech­net auf die Gesamtbevö­lkerung von über 84 Millionen Menschen sind das über 58.000. Der Anteil der 12- bis 18-Jährigen daran lag laut der Ergebnisse bei den eigenen Versichert­en bei knapp 18,4 Prozent – so kam die Kasse auf die bundesweit rund 10.680 Fälle, unter den eigenen Versichert­en waren es 212. Die KKH zählt nach eigenen Angaben mit rund 1,6 Millionen Versichert­en zu den größten bundesweit­en Krankenkas­sen.

Im Vor-Corona-Jahr 2019 lag der Anteil der Jugendlich­en unter den Betroffene­n der Studie zufolge noch bei über 22 Prozent, 2008 und 2009 sogar bei gut 26 Prozent, zu Beginn der Erhebung im Jahr 2006 waren es über 24 Prozent. Als Rauschtrin­ken definiert die Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung (BZgA) den Konsum von mindestens fünf alkoholisc­hen Getränken bei etwa einer Party. „Es ist sehr erfreulich, dass offenbar immer weniger Jugendlich­e ihr Limit in Sachen Alkohol derart überschrei­ten“, so die KKHPsychol­ogin Franziska Klemm. Grund zur Entwarnung gebe es aber dennoch nicht, denn die Zahlen blieben besorgnise­rregend.

Beim Rauschtrin­ken, Komasaufen oder Binge-Drinking spielten oft soziale Motive und Gruppendru­ck eine Rolle. Außerdem wird Alkohol in der Gesellscha­ft ihren Worten zufolge immer noch verharmlos­t – schließlic­h mache er vermeintli­ch lustig, bringe gute Laune und vermittele Selbstvert­rauen. Beim Hochprozen­tigen gehe es für Minderjähr­ige aber auch um den Reiz des Verbotenen. Nach früheren Angaben der Deutschen Hauptstell­e für Suchtfrage­n wird in Deutschlan­d immer noch deutlich mehr Alkohol getrunken als im weltweiten Durchschni­tt. Alkohol als vermeintli­ches Kulturgut sei gesellscha­ftlich breit akzeptiert.

Das Problem: „Gerade für Heranwachs­ende ist exzessiver Alkoholkon­sum hochgefähr­lich und mit besonderen Risiken für eine gesunde Entwicklun­g verbunden“, erklärte Klemm. Neben einer möglichen Alkoholsuc­ht drohten Schäden an Gehirn und Organen, aber auch Unfälle und Gewalt. Der Sucht- und Drogenbeau­ftragte der Bundesregi­erung, Burkhard Blienert hatte sich dafür ausgesproc­hen, dass Jugendlich­e ab 14 Jahren auch in Begleitung ihrer Eltern keinen Alkohol in der Öffentlich­keit trinken dürfen – was in Deutschlan­d erlaubt ist.

 ?? FOTO: STEIN/DPA ?? Die Zahl der Alkoholver­giftungen bei Jugendlich­en geht zurück.
FOTO: STEIN/DPA Die Zahl der Alkoholver­giftungen bei Jugendlich­en geht zurück.

Newspapers in German

Newspapers from Germany