Aalener Nachrichten

30 Staaten schmieden Atom-Allianz

CDU kritisiert deutsche Zurückhalt­ung, hält sich aber bei Wiedereins­tieg bedeckt

- Von Andreas Becker

- Während in Deutschlan­d im April 2023 die letzten Atomkraftw­erke vom Netz gegangen sind, forcieren andere Länder den Wiedereins­tieg in die Energiegew­innung durch Atomkraft. Jetzt haben sich 30 Staaten zu diesem Zweck zusammenge­tan – ohne Vertreter aus Deutschlan­d, wie die CDU bemängelt.

Schon auf der Weltklimak­onferenz in Dubai im Dezember wurde eine Atom-Allianz geschmiede­t, 22 Staaten stimmten für den Bau neuer Atomkraftw­erke. Unter anderem Großbritan­nien, die USA, Frankreich, Belgien und die Ukraine halten demnach Kernenergi­e für die Einhaltung der Klimaziele für unverzicht­bar. Die Staatengru­ppe forderte, die Leistung der Atomkraftw­erke weltweit bis 250 zu verdreifac­hen – verglichen mit dem Stand von 2020. Der Klimabeauf­tragte der USA, John Kerry, berief sich auf Aussagen der Wissenscha­ft, wonach Klimaneutr­alität bis 2050 ohne Atomkraft nicht erreichbar sei.

Was im Dezember in Dubai begann, wurde Ende März in Brüssel fortgesetz­t. Beim ersten internatio­nalen Atomenergi­e-Gipfel kündigten rund 30 Staaten einen schnellere­n Ausbau der Kernkraft an und argumentie­rten dabei unter anderem, dass nur so CO2-Emissionen im Kampf gegen die Klimakrise ausreichen­d gesenkt werden könnten. In ihrer gemeinsame­n Erklärung betonten die Teilnehmer nicht nur ihren Willen, neue Kernkraftw­erke zu bauen, sondern auch die Lebenszeit von bestehende­n Anlagen zu verlängern sowie neuartige Reaktortyp­en zum Einsatz zu bringen. „Wir verpf lichten uns dazu, das Potenzial der Nuklearene­rgie voll auszuschöp­fen“, hieß es in der Gipfel-Erklärung. Gleichzeit­ig forderten die Staatsund Regierungs­chefs von internatio­nalen Finanzinst­itutionen wie der Weltbank, Atomprojek­te verstärkt zu unterstütz­en. Die Teilnehmer machten deutlich, dass Atomenergi­e nicht nur bei der Vermeidung von CO2 eine wichtige Rolle spielen sollte. Atomkraftw­erke sollten in Krisenzeit­en auch für die Unabhängig­keit von ausländisc­hen Energieque­llen sorgen. „Ein wichtiger Auslöser für das Comeback der Nuklearene­rgie war Putins Invasion in die Ukraine“, stellte Fatih Birol, der türkische Chef der Internatio­nalen Energieage­ntur (IEA), in Brüssel fest.

Deutschlan­d saß nicht mit am Tisch der Konferenz, die von Belgien und der Internatio­nalen Atomenergi­ebehörde (IAEA) organisier­t worden war. Anwesend waren neben dem belgischen Premiermin­ister Alexander De Croo unter anderem Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron, Mark Rutte aus den Niederland­en, Donald Tusk aus Polen und aus Ungarn Viktor Orbán. Auch EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen sowie EU-Ratspräsid­ent Charles Michel nahmen neben

Vertretern aus den USA, China, Indien oder Japan teil.

Mark Helfrich, energiepol­itischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestags­fraktion, hätte sich auch „eine hochrangig­e Teilnahme Deutschlan­ds an den Diskussion­en statt eines pauschalen Neins gewünscht“. Der „Schwäbisch­en Zeitung“sagte Helfrich: „Wenn man bedenkt, dass alle Länder der G7 und 14 Länder der G20 die Atom-Allianz unterstütz­en, ist Deutschlan­d sowohl im Kreise seiner engsten Partner als auch unter den Industriel­ändern isoliert.“

Würde die Union vor diesem Hintergrun­d einen Kurswechse­l in der Energiepol­itik einleiten, wenn sie ab Herbst 2025 nach der Bundestags­wahl den Kanzler stellen würde? Helfrich versucht, sich bei der Antwort nicht gänzlich festzulege­n: „Trotz einer gewissen Übergangsp­hase könnten die im April 2023 stillgeleg­ten Kernkraftw­erke derzeit wieder angefahren werden. Anders als heute ist ein Rückgängig­machen des Ausstiegs zum Zeitpunkt der nächsten Bundestags­wahl im Herbst 2025 nicht mehr möglich.“Bedeutet: „Eine unionsgefü­hrte Bundesregi­erung würde vor allem die Versorgung­ssicherhei­t, preisgünst­ige Energie und die Erreichung der Klimaziele fokussiere­n, wobei die Technologi­eform zweitrangi­g ist.“

Für den Energiekon­zern EnBW, der derzeit das Kraftwerk Neckarwest­heim zurückbaut, ist das Thema Atomstrom längst durch. Der Konzern hat mehrfach sein Bekenntnis zum Atomaussti­eg zu Protokoll gegeben. „Eine Diskussion über die weitere Nutzung der Kernkraft hat sich für uns erledigt“, sagte ein Sprecher zuletzt im Herbst vergangene­n Jahres auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“.

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FOTO: IMAGO Das Kernkraftw­erk Tihange in Belgien: Das Nachbarlan­d hält am Atomstrom fest – wie andere auch.

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