30 Staaten schmieden Atom-Allianz
CDU kritisiert deutsche Zurückhaltung, hält sich aber bei Wiedereinstieg bedeckt
- Während in Deutschland im April 2023 die letzten Atomkraftwerke vom Netz gegangen sind, forcieren andere Länder den Wiedereinstieg in die Energiegewinnung durch Atomkraft. Jetzt haben sich 30 Staaten zu diesem Zweck zusammengetan – ohne Vertreter aus Deutschland, wie die CDU bemängelt.
Schon auf der Weltklimakonferenz in Dubai im Dezember wurde eine Atom-Allianz geschmiedet, 22 Staaten stimmten für den Bau neuer Atomkraftwerke. Unter anderem Großbritannien, die USA, Frankreich, Belgien und die Ukraine halten demnach Kernenergie für die Einhaltung der Klimaziele für unverzichtbar. Die Staatengruppe forderte, die Leistung der Atomkraftwerke weltweit bis 250 zu verdreifachen – verglichen mit dem Stand von 2020. Der Klimabeauftragte der USA, John Kerry, berief sich auf Aussagen der Wissenschaft, wonach Klimaneutralität bis 2050 ohne Atomkraft nicht erreichbar sei.
Was im Dezember in Dubai begann, wurde Ende März in Brüssel fortgesetzt. Beim ersten internationalen Atomenergie-Gipfel kündigten rund 30 Staaten einen schnelleren Ausbau der Kernkraft an und argumentierten dabei unter anderem, dass nur so CO2-Emissionen im Kampf gegen die Klimakrise ausreichend gesenkt werden könnten. In ihrer gemeinsamen Erklärung betonten die Teilnehmer nicht nur ihren Willen, neue Kernkraftwerke zu bauen, sondern auch die Lebenszeit von bestehenden Anlagen zu verlängern sowie neuartige Reaktortypen zum Einsatz zu bringen. „Wir verpf lichten uns dazu, das Potenzial der Nuklearenergie voll auszuschöpfen“, hieß es in der Gipfel-Erklärung. Gleichzeitig forderten die Staatsund Regierungschefs von internationalen Finanzinstitutionen wie der Weltbank, Atomprojekte verstärkt zu unterstützen. Die Teilnehmer machten deutlich, dass Atomenergie nicht nur bei der Vermeidung von CO2 eine wichtige Rolle spielen sollte. Atomkraftwerke sollten in Krisenzeiten auch für die Unabhängigkeit von ausländischen Energiequellen sorgen. „Ein wichtiger Auslöser für das Comeback der Nuklearenergie war Putins Invasion in die Ukraine“, stellte Fatih Birol, der türkische Chef der Internationalen Energieagentur (IEA), in Brüssel fest.
Deutschland saß nicht mit am Tisch der Konferenz, die von Belgien und der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) organisiert worden war. Anwesend waren neben dem belgischen Premierminister Alexander De Croo unter anderem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Mark Rutte aus den Niederlanden, Donald Tusk aus Polen und aus Ungarn Viktor Orbán. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sowie EU-Ratspräsident Charles Michel nahmen neben
Vertretern aus den USA, China, Indien oder Japan teil.
Mark Helfrich, energiepolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, hätte sich auch „eine hochrangige Teilnahme Deutschlands an den Diskussionen statt eines pauschalen Neins gewünscht“. Der „Schwäbischen Zeitung“sagte Helfrich: „Wenn man bedenkt, dass alle Länder der G7 und 14 Länder der G20 die Atom-Allianz unterstützen, ist Deutschland sowohl im Kreise seiner engsten Partner als auch unter den Industrieländern isoliert.“
Würde die Union vor diesem Hintergrund einen Kurswechsel in der Energiepolitik einleiten, wenn sie ab Herbst 2025 nach der Bundestagswahl den Kanzler stellen würde? Helfrich versucht, sich bei der Antwort nicht gänzlich festzulegen: „Trotz einer gewissen Übergangsphase könnten die im April 2023 stillgelegten Kernkraftwerke derzeit wieder angefahren werden. Anders als heute ist ein Rückgängigmachen des Ausstiegs zum Zeitpunkt der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2025 nicht mehr möglich.“Bedeutet: „Eine unionsgeführte Bundesregierung würde vor allem die Versorgungssicherheit, preisgünstige Energie und die Erreichung der Klimaziele fokussieren, wobei die Technologieform zweitrangig ist.“
Für den Energiekonzern EnBW, der derzeit das Kraftwerk Neckarwestheim zurückbaut, ist das Thema Atomstrom längst durch. Der Konzern hat mehrfach sein Bekenntnis zum Atomausstieg zu Protokoll gegeben. „Eine Diskussion über die weitere Nutzung der Kernkraft hat sich für uns erledigt“, sagte ein Sprecher zuletzt im Herbst vergangenen Jahres auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“.