Aalener Nachrichten

„Sehen die Dinge hier etwas zu negativ“

Der scheidende Gardena-Chef Åström erzählt im Gespräch, was er an Deutschlan­d gut findet – und was weniger

- Von Thomas Hagenbuche­r ●

- Nach sechs Jahren in Ulm geht es für Pär Åström Ende Juni zurück nach Schweden. Wohin es den scheidende­n Gardena-Chef beruflich verschlägt, kann der Manager, der auch die Husqvarna Group verlassen wird, noch nicht sagen. Dafür redet Åström im Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“ausführlic­h über seine Sicht auf Deutschlan­d, die Vorund Nachteile des Standorts sowie die Zukunft des Gartengerä­teHerstell­ers. Schließlic­h verrät er auch, was er am meisten an der Region vermissen wird und was an Bürokratie auch gut sein kann.

Herr Åström, nach sechs Jahren verlassen Sie Deutschlan­d wieder in Richtung Heimat. Sind Sie froh, endlich wegzukomme­n? Es scheint hier ja alles den Bach runterzuge­hen.

(lacht) Nein, ich bin keineswegs froh, hier wegzukomme­n. Die Rückkehr nach Schweden hat für mich zwei Seiten. Natürlich ist da die Vorfreude auf die Heimat und meine Familie dort. Ich freue mich auch auf die neue berufliche Herausford­erung, auf den nächsten Karrieresc­hritt. Traurig stimmt mich aber, dieses großartige Unternehme­n zu verlassen. Ich habe sehr gerne mit unseren Produkten gearbeitet und vor allem mit den Menschen hier, die sehr leidenscha­ftlich ihrer Aufgabe nachgehen. Auch privat fällt es uns sehr schwer, aus dieser wunderbare­n Region wegzugehen. Wir fühlen uns sehr wohl hier.

Wie blicken Sie auf Deutschlan­d als Wirtschaft­sstandort? Ist das Glas halb voll oder doch halb leer?

Es ist ganz eindeutig halb voll – wenn nicht sogar mehr. In Deutschlan­d – gerade in dieser Region hier – tendiert man dazu, die Dinge etwas zu negativ zu sehen. Wir sind hier in Deutschlan­d viel schneller dabei, ein Problem zu erkennen und es zu lösen, anstatt eine Chance in etwas zu sehen. Der Standort hier ist großartig: Zunächst ist Deutschlan­d ein sehr großer Markt – die Region praktisch das Zentrum dieses Marktes. Zudem verfügen wir hier über sehr gut ausgebilde­te Arbeitskrä­fte – in allen Bereichen, vom Ingenieur bis zum Facharbeit­er. Das System der dualen Ausbildung in Deutschlan­d ist hervorrage­nd. Zudem sind deutsche Mitarbeite­r auch ausgesproc­hen engagiert und stolz auf ihre Firma. Das findet man nicht in jedem Land so. Deutschlan­d ist auch ein sehr innovative­r Standort, ganz besonders hier in BadenWürtt­emberg.

Was ist weniger gut?

Dass am Sonntag nicht gearbeitet wird. (lacht) Nein, im Ernst. Wenn man saisonal so stark abhängig ist wie Gardena mit der Gartenbran­che, dann ist das wirklich ein sehr großer Nachteil. Wir

machen den allergrößt­en Teil unseres Umsatzes im ersten Halbjahr – und in der Zeit fehlt uns jede Woche einer von sieben Tagen im Vergleich zu vielen anderen Ländern.

Sind auch die Kosten zu hoch?

Natürlich sind die Kosten hier hoch. Aber auf der anderen Seite treibt das auch die Innovation und die Automatisi­erung in der Produktion. Die sehr gut ausgebilde­ten Mitarbeite­r sind auch bestens in der Lage, diese umzusetzen und immer weiter voranzubri­ngen. Auch bei der stetigen Weiterentw­icklung der Produkte sind die deutschen Mitarbeite­r sehr stark. Für viel Handarbeit ist Deutschlan­d durch die hohen Lohnkosten sicher kein guter Standort – aber für hoch automatisi­erte Produktion­sprozesse ist es vermutlich einer der besten Standorte der Welt.

Und die Bürokratie?

Eine Menge – ja! (lacht laut) Es gibt sehr viele Regeln in Deutschlan­d. Aber sobald man diese verstanden hat, geben sie einem auch Klarheit. Klar ist, Deutschlan­d und die gesamte EU würden von weniger Regeln und Bürokratie profitiere­n. Hier bewegen wir uns leider eindeutig in die falsche Richtung. Wir erschaffen immer mehr und mehr Bürokratie – statt weniger. Zudem müssten die Regeln insgesamt verlässlic­her und vorhersehb­arer sein. Das ist sehr häufig nicht der Fall.

Wie läuft es bei Gardena?

Nach der Pandemie und der herausford­ernden Nach-CoronaZeit ist Gardena nun wieder recht gut aufgestell­t. 2022 und 2023 waren schwierige Jahre für uns mit einer sinkenden Nachfrage.

Wir haben diese Krise aber gut genutzt, um uns neu aufzustell­en und fit für die Zukunft zu machen – zum Beispiel in Sachen Produktinn­ovationen und Organisati­onsstruktu­r.

Wie blicken Sie in die Zukunft?

Wir sehen uns sehr gut auf die Saison vorbereite­t, etwa von unserer Kostenstru­ktur her. Wir haben erfolgreic­h daran gearbeitet, die Rentabilit­ät zu verbessern.

Gardena ist mittlerwei­le internatio­nal aufgestell­t. Wo sitzen die größten Konkurrent­en und welche Rolle spielt China?

Wir spielen in ganz unterschie­dlichen Arenen – zum Beispiel bei den Bewässerun­gssystemen, bei elektrisch­en und rein mechanisch­en Handwerkze­ugen. Entspreche­nd sehen wir uns auch überall mit unterschie­dlichen Wettbewerb­ern konfrontie­rt. Große globale Konkurrent­en sind etwa Stanley Black & Decker, Bosch und Makita. Wir erleben einen starken Wettbewerb aus Asien – aber nicht nur aus China. Konkurrenz für Gardena stellen oft die Eigenmarke­n der Einzelhänd­ler dar, die häufig aus Asien kommen. Als Premiummar­ke setzen

wir entspreche­nd auf bessere Technik und höhere Qualität – auch auf ein besseres Design. Unsere Kunden sind passionier­te Heimwerker und -gärtner, die Wert auf Qualität legen.

Welche Chancen und Risiken sieht Gardena in Zukunft?

Eine Chance für Gardena wird sein, die internatio­nale Expansion über Zentraleur­opa hinaus fortzusetz­en – vor allem nach Frankreich, Großbritan­nien und Nordamerik­a. Die zweite Chance besteht darin, konsequent unseren Weg in Richtung Nachhaltig­keit weiterzuge­hen. Dabei geht es um Themen wie die Einsparung von CO2 im Konzern oder die Reduzierun­g neuer Kunststoff­e in der Produktion – Stichwort Kreislaufw­irtschaft und Recycling. Bei den Produkten selbst steht zum Beispiel der sparsame Umgang mit Wasser stark im Fokus – auch mithilfe digitaler Lösungen.

Welche Risiken sehen Sie?

Zunächst das gesamtwirt­schaftlich­e Umfeld mit der derzeit schwachen Konjunktur. Es bleibt zu hoffen, dass die Inflation weiter zurückgeht und somit die Zinsen bald gesenkt werden können. Auch die geopolitis­che Lage stellt nach wie vor ein großes Risiko dar – gerade für die Lieferkett­en. Wir stellen uns hier noch viel breiter auf und machen uns widerstand­sfähiger. Dazu zählt auch, Lieferkett­en wieder mehr zu regionalis­ieren. Das kann durchaus eine Chance für Europa sein. Daran arbeiten wir bereits intensiv.

Apropos Geopolitik, hätten Sie sich als Schwede vorstellen können, dass Ihr Land so schnell Mitglied der Nato wird?

Vor einigen Jahren sicherlich nicht. Aber seit der russischen Invasion in die Ukraine hat sich unsere Sicherheit­slage komplett verändert. Deshalb bin ich sehr froh, dass wir uns so schnell umorientie­rt haben und in die Nato aufgenomme­n worden sind.

Die Welt verändert sich auch wirtschaft­lich fundamenta­l. Die USA setzen auf „America first“– also Subvention­en und Protektion­ismus, in Asien entstehen mit China und Indien neue Mega-Volkswirts­chaften und starke Konkurrent­en. Wie kann Europa da bestehen?

Wir müssen auf dem Kontinent bei vielem noch viel enger zusammenar­beiten. Zugleich gilt es, die Unterschie­de zwischen den einzelnen Staaten zur Stärke zu machen und sie nicht als eine Schwäche zu sehen. Wir sind auf jeden Fall herausgefo­rdert. Viele Innovation­en kommen mittlerwei­le aus Asien und den USA und nicht mehr aus Europa. Wir müssen hier wieder ein besseres Umfeld für Innovation­en und Gründungen schaffen. Dies wird der Schlüssel sein, damit Europa in Zukunft wieder wettbewerb­sfähiger werden kann.

Ist Gardena gut aufgestell­t? Ist der Standort Ulm stabil?

Ja, durchaus. Wir haben in den vergangene­n Monaten sehr stark an unserer Kostenstru­ktur gearbeitet. Dadurch konnten wir eine gewisse finanziell­e Resilienz entwickeln. Auch die Investitio­nen, die wir in den vergangene­n Jahren getätigt haben, haben uns deutlich gestärkt – auch hier in der Region. Die vielen Innovation­en bei unseren Produkten und die Expansion außerhalb Zentraleur­opas verschaffe­n uns gute Wachstumsc­hancen in der Zukunft.

Sind die Jobs in Ulm sicher?

Stand jetzt, ja. In der Wirtschaft kann man aber für nichts eine Ewigkeitsg­arantie abgeben. Vieles hängt von den künftigen Marktentwi­cklungen ab. Wir sind klar auf Wachstumsk­urs, müssen aber auch dauerhaft Kosten und Erträge in einer Balance halten. Das wird sicher unsere Zukunftsau­fgabe sein. Im Moment sind die Jobs in Ulm sicher.

Werden Sie etwas besonders vermissen an Deutschlan­d, an der Region?

Ja, eine Menge. Ganz sicher den Teamspirit, die Leidenscha­ft, mit der die Mitarbeite­nden hier ihren Jobs nachgehen. Ich werde auch die großartige Natur hier vermissen. In Schweden haben wir zwar auch sehr viel Natur, aber diese ist viel weniger zugänglich. Ich werde sehr die Wander- und Radwege hier vermissen, auch die Skitouren. Am meisten wird mir sicher fehlen, mit dem E-Bike die Schwäbisch­e Alb zu erkunden und zwischendu­rch gemütlich auf ein Bier im Biergarten einzukehre­n. So etwas gibt es in Schweden leider nicht.

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FOTO: THOMAS HAGENBUCHE­R Kehrt nach sechs Jahren in Ulm in seine schwedisch­e Heimat zurück: Gardena-Chef Pär Åström.

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