„Sehen die Dinge hier etwas zu negativ“
Der scheidende Gardena-Chef Åström erzählt im Gespräch, was er an Deutschland gut findet – und was weniger
- Nach sechs Jahren in Ulm geht es für Pär Åström Ende Juni zurück nach Schweden. Wohin es den scheidenden Gardena-Chef beruflich verschlägt, kann der Manager, der auch die Husqvarna Group verlassen wird, noch nicht sagen. Dafür redet Åström im Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“ausführlich über seine Sicht auf Deutschland, die Vorund Nachteile des Standorts sowie die Zukunft des GartengeräteHerstellers. Schließlich verrät er auch, was er am meisten an der Region vermissen wird und was an Bürokratie auch gut sein kann.
Herr Åström, nach sechs Jahren verlassen Sie Deutschland wieder in Richtung Heimat. Sind Sie froh, endlich wegzukommen? Es scheint hier ja alles den Bach runterzugehen.
(lacht) Nein, ich bin keineswegs froh, hier wegzukommen. Die Rückkehr nach Schweden hat für mich zwei Seiten. Natürlich ist da die Vorfreude auf die Heimat und meine Familie dort. Ich freue mich auch auf die neue berufliche Herausforderung, auf den nächsten Karriereschritt. Traurig stimmt mich aber, dieses großartige Unternehmen zu verlassen. Ich habe sehr gerne mit unseren Produkten gearbeitet und vor allem mit den Menschen hier, die sehr leidenschaftlich ihrer Aufgabe nachgehen. Auch privat fällt es uns sehr schwer, aus dieser wunderbaren Region wegzugehen. Wir fühlen uns sehr wohl hier.
Wie blicken Sie auf Deutschland als Wirtschaftsstandort? Ist das Glas halb voll oder doch halb leer?
Es ist ganz eindeutig halb voll – wenn nicht sogar mehr. In Deutschland – gerade in dieser Region hier – tendiert man dazu, die Dinge etwas zu negativ zu sehen. Wir sind hier in Deutschland viel schneller dabei, ein Problem zu erkennen und es zu lösen, anstatt eine Chance in etwas zu sehen. Der Standort hier ist großartig: Zunächst ist Deutschland ein sehr großer Markt – die Region praktisch das Zentrum dieses Marktes. Zudem verfügen wir hier über sehr gut ausgebildete Arbeitskräfte – in allen Bereichen, vom Ingenieur bis zum Facharbeiter. Das System der dualen Ausbildung in Deutschland ist hervorragend. Zudem sind deutsche Mitarbeiter auch ausgesprochen engagiert und stolz auf ihre Firma. Das findet man nicht in jedem Land so. Deutschland ist auch ein sehr innovativer Standort, ganz besonders hier in BadenWürttemberg.
Was ist weniger gut?
Dass am Sonntag nicht gearbeitet wird. (lacht) Nein, im Ernst. Wenn man saisonal so stark abhängig ist wie Gardena mit der Gartenbranche, dann ist das wirklich ein sehr großer Nachteil. Wir
machen den allergrößten Teil unseres Umsatzes im ersten Halbjahr – und in der Zeit fehlt uns jede Woche einer von sieben Tagen im Vergleich zu vielen anderen Ländern.
Sind auch die Kosten zu hoch?
Natürlich sind die Kosten hier hoch. Aber auf der anderen Seite treibt das auch die Innovation und die Automatisierung in der Produktion. Die sehr gut ausgebildeten Mitarbeiter sind auch bestens in der Lage, diese umzusetzen und immer weiter voranzubringen. Auch bei der stetigen Weiterentwicklung der Produkte sind die deutschen Mitarbeiter sehr stark. Für viel Handarbeit ist Deutschland durch die hohen Lohnkosten sicher kein guter Standort – aber für hoch automatisierte Produktionsprozesse ist es vermutlich einer der besten Standorte der Welt.
Und die Bürokratie?
Eine Menge – ja! (lacht laut) Es gibt sehr viele Regeln in Deutschland. Aber sobald man diese verstanden hat, geben sie einem auch Klarheit. Klar ist, Deutschland und die gesamte EU würden von weniger Regeln und Bürokratie profitieren. Hier bewegen wir uns leider eindeutig in die falsche Richtung. Wir erschaffen immer mehr und mehr Bürokratie – statt weniger. Zudem müssten die Regeln insgesamt verlässlicher und vorhersehbarer sein. Das ist sehr häufig nicht der Fall.
Wie läuft es bei Gardena?
Nach der Pandemie und der herausfordernden Nach-CoronaZeit ist Gardena nun wieder recht gut aufgestellt. 2022 und 2023 waren schwierige Jahre für uns mit einer sinkenden Nachfrage.
Wir haben diese Krise aber gut genutzt, um uns neu aufzustellen und fit für die Zukunft zu machen – zum Beispiel in Sachen Produktinnovationen und Organisationsstruktur.
Wie blicken Sie in die Zukunft?
Wir sehen uns sehr gut auf die Saison vorbereitet, etwa von unserer Kostenstruktur her. Wir haben erfolgreich daran gearbeitet, die Rentabilität zu verbessern.
Gardena ist mittlerweile international aufgestellt. Wo sitzen die größten Konkurrenten und welche Rolle spielt China?
Wir spielen in ganz unterschiedlichen Arenen – zum Beispiel bei den Bewässerungssystemen, bei elektrischen und rein mechanischen Handwerkzeugen. Entsprechend sehen wir uns auch überall mit unterschiedlichen Wettbewerbern konfrontiert. Große globale Konkurrenten sind etwa Stanley Black & Decker, Bosch und Makita. Wir erleben einen starken Wettbewerb aus Asien – aber nicht nur aus China. Konkurrenz für Gardena stellen oft die Eigenmarken der Einzelhändler dar, die häufig aus Asien kommen. Als Premiummarke setzen
wir entsprechend auf bessere Technik und höhere Qualität – auch auf ein besseres Design. Unsere Kunden sind passionierte Heimwerker und -gärtner, die Wert auf Qualität legen.
Welche Chancen und Risiken sieht Gardena in Zukunft?
Eine Chance für Gardena wird sein, die internationale Expansion über Zentraleuropa hinaus fortzusetzen – vor allem nach Frankreich, Großbritannien und Nordamerika. Die zweite Chance besteht darin, konsequent unseren Weg in Richtung Nachhaltigkeit weiterzugehen. Dabei geht es um Themen wie die Einsparung von CO2 im Konzern oder die Reduzierung neuer Kunststoffe in der Produktion – Stichwort Kreislaufwirtschaft und Recycling. Bei den Produkten selbst steht zum Beispiel der sparsame Umgang mit Wasser stark im Fokus – auch mithilfe digitaler Lösungen.
Welche Risiken sehen Sie?
Zunächst das gesamtwirtschaftliche Umfeld mit der derzeit schwachen Konjunktur. Es bleibt zu hoffen, dass die Inflation weiter zurückgeht und somit die Zinsen bald gesenkt werden können. Auch die geopolitische Lage stellt nach wie vor ein großes Risiko dar – gerade für die Lieferketten. Wir stellen uns hier noch viel breiter auf und machen uns widerstandsfähiger. Dazu zählt auch, Lieferketten wieder mehr zu regionalisieren. Das kann durchaus eine Chance für Europa sein. Daran arbeiten wir bereits intensiv.
Apropos Geopolitik, hätten Sie sich als Schwede vorstellen können, dass Ihr Land so schnell Mitglied der Nato wird?
Vor einigen Jahren sicherlich nicht. Aber seit der russischen Invasion in die Ukraine hat sich unsere Sicherheitslage komplett verändert. Deshalb bin ich sehr froh, dass wir uns so schnell umorientiert haben und in die Nato aufgenommen worden sind.
Die Welt verändert sich auch wirtschaftlich fundamental. Die USA setzen auf „America first“– also Subventionen und Protektionismus, in Asien entstehen mit China und Indien neue Mega-Volkswirtschaften und starke Konkurrenten. Wie kann Europa da bestehen?
Wir müssen auf dem Kontinent bei vielem noch viel enger zusammenarbeiten. Zugleich gilt es, die Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten zur Stärke zu machen und sie nicht als eine Schwäche zu sehen. Wir sind auf jeden Fall herausgefordert. Viele Innovationen kommen mittlerweile aus Asien und den USA und nicht mehr aus Europa. Wir müssen hier wieder ein besseres Umfeld für Innovationen und Gründungen schaffen. Dies wird der Schlüssel sein, damit Europa in Zukunft wieder wettbewerbsfähiger werden kann.
Ist Gardena gut aufgestellt? Ist der Standort Ulm stabil?
Ja, durchaus. Wir haben in den vergangenen Monaten sehr stark an unserer Kostenstruktur gearbeitet. Dadurch konnten wir eine gewisse finanzielle Resilienz entwickeln. Auch die Investitionen, die wir in den vergangenen Jahren getätigt haben, haben uns deutlich gestärkt – auch hier in der Region. Die vielen Innovationen bei unseren Produkten und die Expansion außerhalb Zentraleuropas verschaffen uns gute Wachstumschancen in der Zukunft.
Sind die Jobs in Ulm sicher?
Stand jetzt, ja. In der Wirtschaft kann man aber für nichts eine Ewigkeitsgarantie abgeben. Vieles hängt von den künftigen Marktentwicklungen ab. Wir sind klar auf Wachstumskurs, müssen aber auch dauerhaft Kosten und Erträge in einer Balance halten. Das wird sicher unsere Zukunftsaufgabe sein. Im Moment sind die Jobs in Ulm sicher.
Werden Sie etwas besonders vermissen an Deutschland, an der Region?
Ja, eine Menge. Ganz sicher den Teamspirit, die Leidenschaft, mit der die Mitarbeitenden hier ihren Jobs nachgehen. Ich werde auch die großartige Natur hier vermissen. In Schweden haben wir zwar auch sehr viel Natur, aber diese ist viel weniger zugänglich. Ich werde sehr die Wander- und Radwege hier vermissen, auch die Skitouren. Am meisten wird mir sicher fehlen, mit dem E-Bike die Schwäbische Alb zu erkunden und zwischendurch gemütlich auf ein Bier im Biergarten einzukehren. So etwas gibt es in Schweden leider nicht.