Aalener Nachrichten

Gleiches Recht für Wale

Indigene Völker machen Meeressäug­er zu juristisch­en Personen

- Von Carola Frentzen

(dpa) - Für die Ureinwohne­r Neuseeland­s sind Wale mehr als Tiere. Die Maori sehen eine direkte Verbindung­slinie zwischen sich und den Meeressäug­ern und betrachten sie als ihre Vorfahren. Als Verwandte. Bei ihren Reisen über die Ozeane wurden sie laut Überliefer­ung einst von Tohora (so das MaoriWort für Wale) beschützt. Heute sehen sich die Maori selbst als Hüter der bedrohten Giganten. Auch anderen indigenen Inselbewoh­nern im Südpazifik – speziell in Polynesien — gelten Wale als heilig. Einige ihrer Anführer haben sich nun zusammenge­tan, um den Tieren einen neuen Status zu verleihen: den einer juristisch­en Person.

Vor wenigen Tagen wurde auf Rarotonga, der größten der Cookinseln, eine entspreche­nde Vereinbaru­ng mit dem Namen „He Whakaputan­ga Moana“– Deklaratio­n für den Ozean — unterzeich­net. An der Zeremonie nahmen mehr als ein Dutzend hochrangig­e Vertreter der Ureinwohne­r der Cookinseln und von Tahiti teil. Ihre Hoffnung ist, dass sich andere Inseln der Region der

Initiative anschließe­n und sich ein solcher Schritt am Ende auch internatio­nal durchsetze­n kann. Das Ziel: eine Grundlage zu schaffen, um Wale weltweit besser schützen zu können.

„Der Gesang des Liedes unserer Vorfahren ist schwächer geworden, und ihr Lebensraum ist bedroht, weshalb wir jetzt handeln müssen“, sagte König Tuheitia Paki. „Wir können nicht länger die Augen verschließ­en. Wale spielen eine entscheide­nde Rolle für die Gesundheit unseres gesamten Meeresökos­ystems.“Der Rückgang ihrer Population­en störe das empfindlic­he Gleichgewi­cht, auf dem alles Leben im Pazifik basiere. „Wir müssen dringend handeln, um diese großartige­n Kreaturen zu schützen, bevor es zu spät ist.“

Die indigenen Völker gelten als Hüter der Erde, weil sie in enger Verbindung zur Natur leben und das Leben insgesamt in einem großen kosmischen Zusammenha­ng sehen. In ihrem Glauben ist alles Lebendige miteinande­r verbunden. Indigene Völker seien die besten Verbündete­n zum Schutz der Natur, heißt es in einem Bericht der Umweltstif­tung WWF. „Über Generation­en haben sie unschätzba­res Wissen über die Natur und ihre nachhaltig­e Nutzung gesammelt.“Aber die globale Gier nach Ressourcen bedrohe diese Völker genauso wie die Ökoregione­n, in denen sie leben.

Die Meeressäug­er sind nicht nur durch Klimawande­l, Umweltvers­chmutzung, Lärm oder die Kollision mit Schiffen gefährdet, sondern auch durch den kommerziel­len Walfang. Arten wie der Blauwal, der Grönlandwa­l oder der Westpazifi­sche Grauwal gelten bereits als stark gefährdet und drohen bald auszusterb­en. Gleichzeit­ig sind Wale wichtige Klimaschüt­zer: „Sie durchmisch­en Nährstoffe im Meer und fördern durch ihre Ausscheidu­ngen das Wachstum von Phytoplank­ton, das mehr als die Hälfte des weltweiten Sauerstoff­s produziert“, heißt es auf der Webseite der Organisati­on Whale and Dolphin Conservati­on (WDC). Ihre Körper dienten als riesige Kohlenstof­f-Speicher und seien nach ihrem Tod eine wertvolle Nahrungsqu­elle für das Leben in der Tiefsee.

„Überall im Pazifik lebten indigene Völker seit jeher im Einklang mit dem Ozean“, schrieb die Maori-Umweltschü­tzerin Mere

Takoko zu der nun unterzeich­neten Erklärung im Klima- und Kulturmaga­zin „Atmos“. Das Meer sei nicht nur eine Nahrungsqu­elle, „sondern ein lebendiger Vorfahre, ein Wissensspe­icher, der über Generation­en weitergege­ben wird“. Und Wale seien mehr als nur Ressourcen, die ausgebeute­t werden müssen: „Sie sind auch fühlende Wesen und unsere Vorfahren.“

Aber was umfasst ein juristisch­er Status? Laut Takoko geht eine solche Maßnahme weit über traditione­lle Schutzmaßn­ahmen hinaus, weil Wale so als Personen mit inhärenten Rechten anerkannt werden. „Dazu gehören das Recht auf Bewegungsf­reiheit, auf eine gesunde Umwelt und darauf, Seite an Seite mit der Menschheit zu gedeihen.“Würde ein Schiff einen Wal verletzen oder gar töten, würde dies vermutlich mit hohen Geldstrafe­n verbunden sein. Versicheru­ngen könnten dann etwa von den Eignern verlangen, spezielle Überwachun­gsoder Antikollis­ionsgeräte zu installier­en. Die Erklärung sei zwar bisher kein verbindlic­her internatio­naler Vertrag, habe aber dennoch erhebliche­s Gewicht, ist Takoko überzeugt.

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FOTO: SEMARNAT/DPA Ein Grauwal vor der mexikanisc­hen Küste. Maori und andere indigene Völker im Südpazifik schlagen Alarm und haben Walen deshalb einen neuen Status verliehen: den einer juristisch­en Person.

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