Erst Flucht, dann Vollzeitjob
Anna Krupelnytska muss ihre Heimat verlassen, lernt schnell Deutsch – Kurze Zeit später arbeitet sie bei Kicherer
- Anna Krupelnytska ist im Frühsommer 2022 nach Ellwangen gekommen. Die Ukrainerin musste ihre Heimat wegen des brutalen Angriffskriegs von Russlands Machthaber Wladimir Putin verlassen. Krupelnytska, die einen Masterabschluss in Psychologie und internationaler Wirtschaft vorweisen kann, begann sofort, Deutsch zu lernen, wollte sich integrieren.
Als Yogalehrerin fing sie an, in einem Fitnessstudio zu arbeiten. Dann kam sie zur Firma Kicherer in Ellwangen. Dass die studierte Ukrainerin viel Potenzial mitbrachte und dieses auch genutzt werden musste, war Geschäftsführerin Friederike Frick sofort klar. Mithilfe des Teams arbeitete sich Krupelnytska in immer neue Aufgabenfelder ein, sodass sie seit vergangenem September sogar in Vollzeit bei Kicherer beschäftigt ist. Und auch in Ellwangen gefällt es der jungen Frau sehr gut.
Als Anna Krupelnytska nach Deutschland kam, hatte sie ihre Heimat ein zweites Mal verloren. Nach der russischen Invasion im Donbass 2014 floh sie zunächst nach Mariupol und von dort aus weiter nach Charkiw. „Als der Krieg in der Ukraine ausgebrochen ist, wusste ich nicht, was ich tun sollte. Ich hatte einfach nur Angst und wollte in Sicherheit sein“, berichtet Krupelnytska.
In Deutschland angekommen, landete sie vorerst in Sindelfingen und dann in Ellwangen in der Flüchtlingsaufnahme. Die Initiative „Ostalb hilft“unterstützte Krupelnytska bei der Suche nach einer Unterkunft. So lebte sie zunächst ein halbes Jahr lang mit 35 Geflüchteten in einer Wohngemeinschaft. Doch die Ukrainerin wollte schnellstmöglich auf eigenen Beinen stehen. So meldete sie sich für einen Sprachkurs an.
„Leider habe ich nicht gleich einen Platz in der Sprachenschule bekommen und musste warten. Über das Internet, Youtube und Bücher habe ich jedoch gleich angefangen, Deutsch zu lernen“, erzählt sie. Noch bis zum Januar lernte sie selbstständig und erhielt zusätzliche Unterstützung durch die Teilnahme am Frauenprojekt der Aktion Jugendberufshilfe in Ostwürttemberg, kurz Ajo, in Zusammenarbeit mit dem
Jobcenter.
Beide Einrichtungen begleiteten Krupelnytska bei notwendigen Behördengängen sowie der Arbeitssuche. „Ich möchte diese Möglichkeit nutzen und mich bedanken. Ich habe so viel Unterstützung erfahren und wurde toll auf der Ostalb aufgenommen“, freut sich die Ukrainerin. Schon im Januar 2023 konnte sie direkt auf dem Niveau A2 in einen Sprachkurs einsteigen. Nebenher meisterte sie ihren Job in einem Fitnessstudio und stieß im Mai des Jahres zum Team von Firma Kicherer dazu – anfangs allerdings in Teilzeit.
Wie Friederike Frick berichtet, habe sie bald das Potenzial ihrer neuen Mitarbeiterin entdeckt. Neben ihrem Abschluss verfügt Krupelnytska außerdem über zwölf Jahre Berufserfahrung im Bereich Import und Export bei verschiedenen internationalen Unternehmen.
„Die Leute kommen oftmals aus tollen Positionen und haben hier dann nichts vorzuweisen.
Wir wollten Annas Potenziale nutzen, ihr eine anspruchsvolle Aufgabe bieten und ihre vorhandenen Erfahrungen anerkennen“, so Frick. Die Anerkennung der vorhandenen Abschlüsse und Berufserfahrung liege nicht nur beim Staat, sondern auch bei den einzelnen Unternehmen, ist sie überzeugt.
Krupelnytska habe sie und auch die Teamleiter sofort mit ihrer selbstständigen und gewissenhaften Arbeitsweise überzeugt und sich schnell in verschiedene Aufgabengebiete eingearbeitet. Dass die Einarbeitung jedoch das ganze Team fordere, müsse klar sein, erklärt Frick.
„Die Bereitschaft vom ganzen Team ist gefordert. Natürlich mussten wir am Anfang viel auf Englisch kommunizieren und den Wissensstand von Anna herausfinden“, so Frick weiter. Nach und nach habe sich aber die Kompetenz der Ukrainerin herauskristallisiert, sodass ihre Aufgabenfelder peu à peu hätten erweitert werden können. „Wir haben gesehen, dass es funktioniert und dann die Arbeitszeiten auf Vollzeit aufgestockt“, sagt die Geschäftsführerin.
Und Anna Krupelnytska freut sich, endlich wieder auf eigenen Beinen stehen zu können. Aus ihrer WG-Zeit haben sich, wie sie erzählt, enge Freundschaften entwickelt, und auch die KichererMitarbeiter seien tolle Kollegen. In Ellwangen hat die Ukrainerin eine neue Heimat gefunden: „Mir gefällt die Architektur dieser wunderschönen Stadt, die Leute sind alle freundlich und ich fühle mich hier wohl.“
Und auch bei Firma Kicherer ist man restlos begeistert von einer neuen „wertvollen Mitarbeiterin mit vielschichtigen Kompetenzen und einer besonderen Mentalität“. „Wir schätzen und respektieren hier Menschen mit so viel Mut und Kampfgeist und wollen alle Unternehmen ermutigen, auch diesen Schritt zu gehen. Leute die arbeiten wollen und sich Mühe geben, denen müssen wir auch eine Chance geben“, ist Frick überzeugt.
Beim Landratsamt Ostalbkreis freut man sich ebenfalls über die Erfolgsgeschichte von Anna Krupelnytska. Die vergangenen Monate hätten verdeutlicht, dass Integration keine leichte Aufgabe sei. Ein funktionierendes Zusammenspiel der Gesellschaft, umfangreiche Integrationsleistungen des Bundes sowie Bemühung seitens der Geflüchteten seien der Grundstein für erfolgreiche Integration, teilt das Landratsamt mit.
Gleichzeitig wachse nach Abschluss der Integrations- und Sprachkurse nicht erst seit Einführung des „Job-Turbos“die Verantwortung lokaler Unternehmen. Dass erfolgreiche Integration und Arbeit sich gegenseitig bedingen und die Bereitschaft zur Einstellung von Menschen mit Grundkenntnissen in Deutsch bedeutende Chancen hervorbringe, würde sich eindrucksvoll am Beispiel von Anna Krupelnytska und der Firma Kicherer zeigen, heißt es weiter.