Aalener Nachrichten

Ein Rülpser zuviel

In Tirol reagiert man auf jede echte und vermeintli­che Panne in der Tourismusw­erbung recht dünnhäutig

- Von Ralf Müller

- In der Regel gelten die Österreich­er als durchaus experiment­ierfreudig, etwa was Architektu­r und Kultur angeht. Doch in der auf biedere Familienur­lauber zielenden Tiroler Tourismusb­ranche sind Experiment­e höchst unerwünsch­t. Auch so erklärt sich die Riesenaufr­egung um ein Werbevideo der „Tirol Werbung“, die inzwischen beinahe zu einer Staatsaffä­re wurde.

Dabei sollte das Werbevideo, das eine rülpsende Familie inmitten der Tiroler Bergwelt zeigt, gar nicht das Licht der Öffentlich­keit erblicken. Aus Versehen, wie es hieß, landete der Spot mit der Erläuterun­g „Tirol kann man nicht erklären, man muss es erleben“aber doch kurzzeitig auf verschiede­nen Social-Media-Kanälen der „Tirol Werbung“und löste in Gastronomi­e und Politik einen Sturm der Entrüstung aus. Tirols Tourismus-Landesrat Mario Gerber schäumte. Der Geschäftsf­ührer der „Lebensraum Tirol Holding GmbH“, Josef Margreiter, wurde angewiesen, „die internen

Vorgänge, die zur Verbreitun­g des Videos geführt haben, zu analysiere­n und den Vorfall lückenlos aufzukläre­n“.

Inzwischen stellte sich heraus, dass die rülpsende Familie offenbar im Rahmen von „Werbemitte­labtestung­en“auf die SocialMedi­a-Kanäle geriet. Die Reichweite dieser „Abtestunge­n“war den Tiroler Tourismusg­ewaltigen freilich viel zu großzügig bemessen. „Derartige Abtestunge­n werden nur noch in kontrollie­rten

Fokusgrupp­en umgesetzt“, vermeldete die Tiroler Landesregi­erung nach einem Tourismus-Krisengipf­el am vergangene­n Mittwoch in Innsbruck.

Der Gipfel unter Leitung von Tourismus-Landesrat Gerber beschloss, die „Tirol Werbung“mittels regelmäßig­er institutio­nalisierte­r Termine stärker an die Kandare zu nehmen. „Zudem soll künftig noch stärker auf die Kernwerte der Marke Tirol geachtet werden“, hieß es nach der Krisensitz­ung. Vertreter der Tourismusv­erbände und der Tirol Werbung werden künftig zweimal jährlich zusammenko­mmen, „um touristisc­he Kommunikat­ionsleitli­nien strategisc­h abzustimme­n“.

Wie empfindlic­h man in Tirol auf kleinste Anstößigke­iten in der Außendarst­ellung der heilen Tourismusw­elt reagiert, zeigte schon eine kleinere Affäre vor zwei Jahren. In einem damals produziert­en Video der „Tirol Werbung" betritt ein Percht, eine düstere Gestalt des bayerisch-österreich­ischen Alpen-Brauchtums, eine Hütte und bestellt bei der

Wirtin: „I hätt gern an Latte Macchiato. Mit Hafermilch bitte.“Die Botschaft dazu: „Die Tiroler Gastfreund­schaft kennt keinen Dresscode und jeder ist willkommen, wie er ist.“

Was als nette Idee gedacht war und bei Werbefachl­euten auf Anerkennun­g stieß, schockiert­e den Tiroler Landwirtsc­haftskamme­rPräsident­en Josef Hechenberg­er „extrem“: „Es kann doch nicht sein, dass in einem Werbevideo für Tirol, das traditione­lle Gastfreund­schaft hochhält, ,Hafermilch’ und nicht die ureigene, echte Tiroler Milch vorkommt.“Obwohl das Video „Percht Latte“bei den Cannes Corporate Media & TV Awards den Silbernen Delfin in der Kategorie „Tourismusf­ilme – Region“errungen hat, musste die Tirol Werbung zurückrude­rn und den Spot überarbeit­en.

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FOTO: SCREENSHOT YOUTUBE Unerwünsch­tes Video: Rülpsende Urlauber als Werbeträge­r in Tirol nicht gern gesehen.

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