Ein Rülpser zuviel
In Tirol reagiert man auf jede echte und vermeintliche Panne in der Tourismuswerbung recht dünnhäutig
- In der Regel gelten die Österreicher als durchaus experimentierfreudig, etwa was Architektur und Kultur angeht. Doch in der auf biedere Familienurlauber zielenden Tiroler Tourismusbranche sind Experimente höchst unerwünscht. Auch so erklärt sich die Riesenaufregung um ein Werbevideo der „Tirol Werbung“, die inzwischen beinahe zu einer Staatsaffäre wurde.
Dabei sollte das Werbevideo, das eine rülpsende Familie inmitten der Tiroler Bergwelt zeigt, gar nicht das Licht der Öffentlichkeit erblicken. Aus Versehen, wie es hieß, landete der Spot mit der Erläuterung „Tirol kann man nicht erklären, man muss es erleben“aber doch kurzzeitig auf verschiedenen Social-Media-Kanälen der „Tirol Werbung“und löste in Gastronomie und Politik einen Sturm der Entrüstung aus. Tirols Tourismus-Landesrat Mario Gerber schäumte. Der Geschäftsführer der „Lebensraum Tirol Holding GmbH“, Josef Margreiter, wurde angewiesen, „die internen
Vorgänge, die zur Verbreitung des Videos geführt haben, zu analysieren und den Vorfall lückenlos aufzuklären“.
Inzwischen stellte sich heraus, dass die rülpsende Familie offenbar im Rahmen von „Werbemittelabtestungen“auf die SocialMedia-Kanäle geriet. Die Reichweite dieser „Abtestungen“war den Tiroler Tourismusgewaltigen freilich viel zu großzügig bemessen. „Derartige Abtestungen werden nur noch in kontrollierten
Fokusgruppen umgesetzt“, vermeldete die Tiroler Landesregierung nach einem Tourismus-Krisengipfel am vergangenen Mittwoch in Innsbruck.
Der Gipfel unter Leitung von Tourismus-Landesrat Gerber beschloss, die „Tirol Werbung“mittels regelmäßiger institutionalisierter Termine stärker an die Kandare zu nehmen. „Zudem soll künftig noch stärker auf die Kernwerte der Marke Tirol geachtet werden“, hieß es nach der Krisensitzung. Vertreter der Tourismusverbände und der Tirol Werbung werden künftig zweimal jährlich zusammenkommen, „um touristische Kommunikationsleitlinien strategisch abzustimmen“.
Wie empfindlich man in Tirol auf kleinste Anstößigkeiten in der Außendarstellung der heilen Tourismuswelt reagiert, zeigte schon eine kleinere Affäre vor zwei Jahren. In einem damals produzierten Video der „Tirol Werbung" betritt ein Percht, eine düstere Gestalt des bayerisch-österreichischen Alpen-Brauchtums, eine Hütte und bestellt bei der
Wirtin: „I hätt gern an Latte Macchiato. Mit Hafermilch bitte.“Die Botschaft dazu: „Die Tiroler Gastfreundschaft kennt keinen Dresscode und jeder ist willkommen, wie er ist.“
Was als nette Idee gedacht war und bei Werbefachleuten auf Anerkennung stieß, schockierte den Tiroler LandwirtschaftskammerPräsidenten Josef Hechenberger „extrem“: „Es kann doch nicht sein, dass in einem Werbevideo für Tirol, das traditionelle Gastfreundschaft hochhält, ,Hafermilch’ und nicht die ureigene, echte Tiroler Milch vorkommt.“Obwohl das Video „Percht Latte“bei den Cannes Corporate Media & TV Awards den Silbernen Delfin in der Kategorie „Tourismusfilme – Region“errungen hat, musste die Tirol Werbung zurückrudern und den Spot überarbeiten.