Aalener Nachrichten

Ein Gesetz zur Förderung der Demokratie

Ein Teil der Bundesregi­erung will Initiative­n für Vielfalt und gegen Extremismu­s besser unterstütz­en – Die FDP ist dagegen

- Von Claudia Kling ●

- Die Grünen wollen es. Auch die SPD ist dafür. Die FDP hingegen steht auch beim Demokratie­fördergese­tz auf der Seite der Opposition. Deshalb steckt das Vorhaben seit mehr als einem Jahr im parlamenta­rischen Verfahren fest. Die Einwände der Liberalen sind seither nicht weniger geworden. Erst diese Woche formuliert­e Bundesjust­izminister Marco Buschmann in einem Interview mit dem „Redaktions­netzwerk Deutschlan­d“seine Skepsis. Es sieht also nicht gut aus für den Gesetzentw­urf, der von Bundesfami­lienminist­erin Lisa Paus (Grüne) und Innenminis­terin Nancy Faeser (SPD) vorangetri­eben wurde.

Doch zuerst einmal die Uhr um 16 Monate zurückgedr­eht: Im Dezember 2022 beschloss das Kabinett den Entwurf für das Gesetz „zur Stärkung von Maßnahmen zur Demokratie­förderung, Vielfaltge­staltung, Extremismu­spräventio­n und politische­n Bildung“– kurz Demokratie­fördergese­tz genannt. Faeser kommentier­te dies mit den Worten, dass die demokratis­che Zivilgesel­lschaft „das stärkste Bollwerk gegen Extremismu­s“sei und sie deshalb „langfristi­g und nachhaltig“gestärkt werden müsse. Paus sagte: „Mit dem Demokratie­fördergese­tz wollen wir den Bund zum Kampf gegen Rassismus, Extremismu­s und Menschenfe­indlichkei­t verpflicht­en.“Die FDP-Minister saßen bei der Kabinettse­ntscheidun­g mit am Tisch. Auch im Koalitions­vertrag hatten sich die Ampel-Parteien darauf verständig­t.

Konkret geht es der Bundesregi­erung darum, qua Gesetz bessere Rahmenbedi­ngungen schaffen zu können für Initiative­n und Organisati­onen, die gegen Rassismus und Extremismu­s eintreten, die ausstiegsw­illige Extremiste­n unterstütz­en, sich für Minderheit­en einsetzen oder die politische Bildung voranbring­en. Sie sollen künftig auf längerfris­tige Förderunge­n hoffen können, nach „Maßgabe des jeweiligen Haushaltsg­esetzes“. Auch für den Bund selbst schafft das Gesetz die Möglichkei­t, entspreche­nde Projekte auf den Weg zu bringen. Einmal pro Legislatur­periode soll dem Parlament ein Bericht vorgelegt werden, aus dem hervorgeht, ob die geförderte­n Programme auch wirksam waren. Wie viel das Demokratie­fördergese­tz den Steuerzahl­er kosten wird, steht nicht in dem 32-seitigen Entwurf. Die „Neue Zürcher Zeitung“ nennt die Zahl von rund 200 Millionen Euro jährlich.

Aus der Luft gegriffen erscheint diese Summe nicht. Denn es gibt bereits ein ähnliches Vorhaben: Mit dem Programm „Demokratie leben“werden seit neun Jahren bundesweit Initiative­n unterstütz­t, die vom Bundesamt für Familie und zivilgesel­lschaftlic­he Aufgaben als förderfähi­g eingestuft werden. Das kann sowohl ein interkultu­reller Kochkurs als auch eine Minderheit­en gewidmete Fotoausste­llung sein. Projekte, die „dem Breiten- und Leistungss­port“dienen, scheiden dagegen nach Angaben einer Ministeriu­mssprecher­in aus. In Summe hat der Bund für dieses Jahr erneut 182 Millionen Euro für mehr als 700 Projekte eingeplant. Aber auch dieses Programm ist nicht unumstritt­en. Kritiker bemängeln, dass das Geld vor allem in Projekte aus dem linken Milieu f ließe – deren Nutzen nicht überprüft werde.

Dass es an dem Demokratie­fördergese­tz Kritik geben könnte, war folglich zu erwarten. Auch dass die FDP das Vorhaben ablehnt, ist nichts Neues mehr – unter anderem, weil der Gesetzentw­urf keine „Extremismu­sklausel“, also ein Bekenntnis der Projektträ­ger zum Grundgeset­z, enthält. Buschmann äußert zudem Zweifel, dass das Gesetz tatsächlic­h eine Wirkung entfalten wird. Und wenn doch, stünde der Gesetzentw­urf „vermutlich in Konf likt mit dem Grundsatz, dass sich der Staat bei der Willensbil­dung des Volkes zurückzuha­lten hat“, sagte er dem „Redaktions­netzwerk Deutschlan­d“. Der Wissenscha­ftliche Dienst des Bundestags hatte vor Kurzem die Gesetzgebu­ngskompete­nz des Bundes an sich infrage gestellt, unter anderem deshalb, weil auch die Länder die Demokratie per Gesetz fördern könnten. Die Sache ist also komplizier­t.

Es gibt allerdings auch Befürworte­r des Vorhabens, die sich öffentlich dafür einsetzen. Der Präsident des Zentralrat­es der Juden beispielsw­eise. Josef Schuster bezeichnet­e es vor Kurzem in einem Interview als „bedauerlic­h“, dass das Demokratie­fördergese­tz noch nicht auf den Weg gebracht worden sei. Solche Gesetze zu überarbeit­en sei „unerlässli­ch, aber es sollte nicht einfach gestrichen oder blindlings gekürzt werden“, sagte er. Auch die Sachverstä­ndigen, die bereits vor mehr als einem Jahr im Familienau­sschuss dazu befragt wurden, sahen den Gesetzentw­urf nicht nur kritisch. Doch getan hat sich seither nichts mehr.

 ?? FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA ?? Mit dem Demokratie­fördergese­tz will der Bund eine rechtliche Grundlage schaffen, um zivilgesel­lschaftlic­he Projekte langfristi­g und nachhaltig unterstütz­en zu können. Doch das Vorhaben ist umstritten – auch innerhalb der Ampel-Koalition.
FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Mit dem Demokratie­fördergese­tz will der Bund eine rechtliche Grundlage schaffen, um zivilgesel­lschaftlic­he Projekte langfristi­g und nachhaltig unterstütz­en zu können. Doch das Vorhaben ist umstritten – auch innerhalb der Ampel-Koalition.

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