Aalener Nachrichten

Royals öffnen ihre Türen

König Charles gibt neue Einblicke in seine Paläste – Netflix-Film thematisie­rt Skandalint­erview von Prinz Andrew

- Von Sebastian Borger

- Fans des britischen Königshaus­es stehen in diesem Sommer zwei Leckerbiss­en ins Haus. Sowohl im schottisch­en Schloss Balmoral, seit dem 19. Jahrhunder­t im Familienbe­sitz, wie auch im offizielle­n Londoner Amtssitz, dem Buckingham-Palast, bekommen zahlende Besucher eine Reihe von Räumen zu Gesicht, die der Öffentlich­keit bisher nicht zugänglich waren. Netflix-Abonnenten erhalten dieser Tage ihren ganz eigenen royalen Einblick: Der Film „Scoop“erzählt Prinz Andrews fatale Entscheidu­ng nach, im Londoner Palast einer bekannten BBC-Interviewe­rin sein Herz auszuschüt­ten.

Die weitere Öffnung der royalen Behausunge­n geht auf König Charles’ vorsichtig­e Modernisie­rung der Monarchie zurück. Erklärterm­aßen hat er sich ja nicht nur die personelle Verschlank­ung der ehrwürdige­n Institutio­n aufs Panier geschriebe­n; über die kommenden Jahre soll auch das gewaltige Immobilien-Portfolio der Windsor-Familie schrumpfen.

Im Mittelpunk­t der Überlegung­en steht dabei der 775-ZimmerKolo­ss im Herzen der britischen Hauptstadt. Bei Architektu­rkritikern ebenso unbeliebt wie bei beinahe allen Monarchen der vergangene­n 150 Jahre zählt der ursprüngli­ch für den Herzog von

Buckingham errichtete Palast inzwischen doch zum royalen Mobiliar. Vor allem die Balkonauft­ritte zu festlichen Anlässen, unweigerli­ch begleitet von einem Düsenjäger-Überf lug, möchten die Briten nicht missen.

Es ist jene Frontseite des Palastes, der sogenannte Ostf lügel, der

jetzt nach jahrelange­n Renovierun­gsarbeiten für Besucher geöffnet wird. Wer im Juli oder August die Eintrittsk­arte für eine der speziellen Gruppenfüh­rungen ergattert, bekommt einen Einblick in den zur Mitte des 19. Jahrhunder­ts erbauten Wohnblock für die damals stark wachsende Familie von Königin Victoria (1837-1901). Die benötigten Finanzmitt­el stammten aus dem Verkauf einer Immobilie von Victorias Vorgänger George IV. (1820-30), und so spiegeln Mobiliar und Kunstwerke auch dessen Liebe zu chinesisch­em Design wider. Weiterhin zugänglich bleiben auch jene gut 20 repräsenta­tiven Räume und Säle im Hauptgebäu­de. Zu ihnen zählt der 33 Meter lange Ballsaal, in dem bis heute Staatsbank­ette und Ordensverl­eihungen steigen, ebenso wie die Bildergale­rie mit Gemälden von Rembrandt, Canaletto und van Dyck.

Deutlich rustikaler geht es rund 800 Kilometer weiter nördlich zu. In den wildromant­ischen, von Wind und Regen gepeitscht­en

schottisch­en Highlands schmiegt sich Schloss Balmoral in eine Landschaft, die Victorias früh verstorben­en Prinzgemah­l Albert an seine thüringisc­he Heimat erinnerte. Neugierige konnten bisher lediglich Teile des gewaltigen Grundbesit­zes, die Gärten rund ums Schloss und dessen Ballsaal besichtige­n. Jetzt erhält, wer 100 Pfund (117 Euro) zahlt, Einblick in weitere repräsenta­tive Räume sowie die Bibliothek des Hauses.

Freilich müssen sich royale Fans beeilen, wenn ihnen der Sinn danach steht, jenen „grünen“Saal samt heftig loderndem Kaminfeuer zu besichtige­n, in dem die sterbende Queen Elizabeth II. vor 18 Monaten ihrer letzten Premiermin­isterin Liz Truss die Amtsgeschä­fte anvertraut­e. Die Besuchsper­iode ist auf fünf Wochen vom 1. Juli an beschränkt, und täglich gibt es lediglich 40 Tickets.

Zu Millionen können hingegen Filmfreaks ihren eigenen Einblick in den Londoner Palast wagen: Es war nämlich im südlichen Zeichensaa­l, in dem Charles‘ jüngerer Bruder Andrew, heute 64, vor fünf Jahren ein BBC-Team zum Interview empfing. Andrew und seine PR-Beraterin hatten sich eingeredet, der Prinz könne mit einem offenherzi­gen Gespräch seine schwer angeschlag­ene Reputation reparieren.

Das Gegenteil war der Fall: Anstatt sich klar von zwei Sexualverb­rechern in seinem Umkreis zu distanzier­en, sprach der Royal hochmütig von seinem „besonders ehrenhafte­n“Verständni­s von Freundscha­ft und leugnete jeden Kontakt mit einer damals 17-Jährigen, die ihn des sexuellen Missbrauch­s bezichtigt­e. Dabei existierte ein Foto der beiden, und Virginia Giuffre erinnerte sich glaubwürdi­g an Details ihrer Begegnunge­n mit dem Prinzen.

Während Andrews Antworten auf die Fragen der erfahrenen Politikjou­rnalistin Emily Maitlis „fällt einem das Kinn runter, weil man merkt, wie dumm er ist“, glaubt die frühere BBC-Produzenti­n Sam McAlister, deren Erinnerung­en dem Netf lix-Film mit Gillian Anderson und Rufus Sewell in den Rollen der beiden Interview-Protagonis­ten zugrundeli­egen. Unterdesse­n arbeitet Maitlis selbst an der dreiteilig­en TV-Serie „A very royal scandal“(Ein sehr königliche­r Skandal).

Das unappetitl­iche Thema rund um seinen aller königliche­n Titel und Schirmherr­schaften entkleidet­en Bruder wird die Briten also auch in den nächsten Monaten begleiten – keine erfreulich­e Aussicht für den König, dessen Krebsbehan­dlung dem Vernehmen nach bisher „positiv“verläuft. Dass es Charles den Umständen entspreche­nd offenbar gut geht, zeigten Fernsehbil­der von seinem Gang zum Ostergotte­sdienst auf Schloss Windsor, dem ersten öffentlich­en Auftritt seit zwei Monaten. Mag der Krebs auf die Strategie der Ärzte ansprechen – die Zukunftsso­rgen um den Buckingham-Palast und Andrews Rolle in der Familie wird der 75-Jährige so schnell nicht los.

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FOTO: GEMINI/IMAGO Der sogenannte Ostflügel des Buckingham Palace wird für Besucher geöffnet. Der Wohnblock wurde Mitte des 19. Jahrhunder­ts für die damals stark wachsende Familie von Königin Victoria erbaut.
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FOTO: IMAGO In den schottisch­en Highlands erhalten Neugierige für umgerechne­t 117 Euro Einblick in repräsenta­tive Räume des Schlosses Balmoral.

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