Aalener Nachrichten

„Stopp, Stopp, Stopp“

Der Radsport ist von einer Vielzahl von Stürzen gebeutelt – Paris-Roubaix handelt

- Von Emanuel Reinke

(SID) - Für Angst, sagt Nils Politt, ist im Radsport kein Platz. Die fürchterli­chen Bilder der brutalen Sturzserie im Peloton lassen den deutschen Klassikerj­äger keineswegs kalt. Angst, sich beim bevorstehe­nden Höllenritt über die Pflasterst­eine von Paris-Roubaix in die lange Verletzten­liste um Jonas Vingegaard, Remco Evenepoel oder Wout van Aert einzutrage­n, lässt Politt trotzdem nicht zu. „Man sollte schon Respekt haben“, sagte der Kölner der „FAZ“: „Aber Angst darf man nicht haben. Wenn Angst mitfährt, fährt man vorsichtig. Und dann hat man mehr oder weniger schon verloren.“Wer bremst, verliert.

Politt fährt um Siege. Er ist bereit, dafür Risiken einzugehen. Bei Paris-Roubaix, der „Königin der Klassiker“, zählt Politt am Sonntag über 259,7 km zu den Podestanwä­rtern. Sein dritter Platz bei der Flandern-Rundfahrt am vergangene­n Wochenende unterstric­h seine gute Form und seine Ambitionen.

Die „Hölle des Nordens“aber ist tückisch und voller Gefahren. 29 Pave-Sektoren erstrecken sich über eine Länge von 55,7 km, so viel wie seit 30 Jahren nicht mehr. Die holprigen Feldwege sind ein extremer Härtetest für Mensch und Material. Wie viel Risiko ist den Fahrern dabei zuzumuten?

Die Sicherheit­sfrage wird vor dem Höhepunkt der Klassikers­aison heiß debattiert. Die Schockbild­er des Massenstur­zes bei der

Baskenland-Rundfahrt am Donnerstag gaben der Diskussion weitere Nahrung. Tour-Sieger Vingegaard erlitt mehrere Knochenbrü­che und Verletzung­en an der Lunge. Van Aert, eigentlich ein Mitfavorit, fällt nach einem Sturz beim Halbklassi­ker Quer durch Flandern aus. Der Trainingsu­nfall des deutschen Radprofis Lennard Kämna auf Teneriffa, der sich im stabilen Zustand auf der Intensivst­ation befindet, verdeutlic­hte die Gefahren für die Radprofis zusätzlich.

Ein strukturel­les Problem sieht Politt aber nicht. Es werde genug für die Sicherheit der Fahrer getan, sagte der 30-Jährige: „Vieles hat sich geändert in den letzten Jahren.“Ein vergrößert­es Gefahrenpo­tenzial begründet er mit diversen Veränderun­gen in seiner Sportart, vor allem im technische­n Bereich. „Wir werden immer schneller, weil das Material

immer weiterentw­ickelt wird. Das ist wie in der Formel 1, kann man sagen“, so Politt, „von Aero-Helmen oder Stoffen für das Trikot, die besser im Wind stehen, bis hin zu Laufrädern. Alles wird schneller, alles wird besser.“Auch im Peloton nimmt er eine neue Entwicklun­g wahr. Politt spricht von einem „deutlich höherem Stressleve­l“.

Bei Paris-Roubaix ist die berühmt-berüchtigt­e Schneise durch den Wald von Arenberg einer der größten Stressfakt­oren. Die Veranstalt­er reagierten. Vor der Einfahrt in die Kopfsteinp­f laster-Passage wurde eine Schikane eingebaut. Sie soll das Feld ausbremsen. Renndirekt­or Thierry Gouvenou nahm aber auch die Fahrer in die Pf licht: „Fangen wir an, über die Geschwindi­gkeitsprob­leme nachzudenk­en. Stopp, stopp, stopp, lassen Sie uns das Massaker beenden.“

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FOTO: STEFANO/IMAGO Die Baskenland-Rundfahrt endete für Jonas Vingegaard (re.) dramatisch.

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