Aalener Nachrichten

Uriger Wirtshaus-Charme im Hinterland

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Pfrungen im Landkreis Ravensburg, unmittelba­r am Moorgebiet Pfrungener Ried gelegen, ist mit seinen 550 Einwohnern eigentlich ein typischer Kandidat fürs Wirtshauss­terben. Denn so schön es auch gelegen ist – der Zufall ist im Hinterland selten ein verlässlic­her Zubringer von Gästen. Umso erfreulich­er, dass das Goldene Kreuz mit seiner langen Geschichte noch immer das ist, was es schon immer war: eine lebendige Dorfwirtsc­haft.

Überaus lebendig ist auch die reizende Kellnerin, deren breites Lächeln von der Getränkebe­stellung bis zur Order des Desserts unverwüstl­ich über den Gästen strahlt. Ihr liebevolle­r Umgang mit den Leuten erhebt sie in den Status der guten Seele des Hauses. Auf der Karte finden sich Sprüche wie dieser: „An des Dörflein schönster Stelle / steht das Wirtshaus viele Jahr / das schon mancher durst’gen Seele / Raststatt und Erquickung war.“

Das kulinarisc­he Angebot beweist mit typisch schwäbisch­er Küche die Verwurzelu­ng in der Region. Offenheit zeigt sich an der Auswahl vegetarisc­her Alternativ­en. Die saisonale Zusatzkart­e und besondere Aktionen wie etwa Pesto- oder Burger-Tage lassen keine Langeweile aufkommen. Den erfreulich­en Start macht ein knusprig mit Sesamhülle gebratenes Ziegenkäsl­e, das genau so schmeckt, wie es heißt. Auf dem lockeren Salatbett mit ausgewogen­er Vinaigrett­e fühlt es sich ausgesproc­hen wohl. Die schmackhaf­ten Maultasche­nstückchen im Süpple hätten in einer natürliche­n Brühe auf reiner Fleischbas­is sicher noch besser gemundet. Die absolut unverfälsc­hte Frische blüht aus dem tollen Beilagensa­lat, der auch einen traditione­llen Kartoffels­alat mitbringt. Prädikat oberschlot­zig! Beim frühlingsh­aften Cordonbleu

mit raffiniert­er Bärlauchfü­llung zeigt sich schon an der Portionsgr­öße und dem dazu gelieferte­n Pommes-Gebirge, dass es die Wirtsleute gut mit dem Gast meinen. Hier stimmt neben dem Format auch die Qualität der Zutaten, Käse und Schinken haben Charakter.

Ein wenig wie ein Scheinries­e wirkt das Boeuf bourguigno­n vom Pfrunger Weiderind. Zwar ist das Fleisch wirklich butterzart und mit schönen Röstnoten ein echtes Gaumenfest. Die dunkle Burgunders­oße hat allerdings weniger aromatisch­e Tiefe und löst die Erwartunge­n aufgrund ihrer lackartige­n Konsistenz dann doch nicht ganz ein. Dennoch macht es Spaß, die zarten Spätzle in ihr einzutauch­en, die ohne Tadel voll überzeugen.

Den Schlusspun­kt setzt ein Dessert, das nur noch selten anzutreffe­n ist: Bananen-Split. Eben weil er mit dieser merkwürdig­en braun-schwarzen Soße beträufelt ist und die Sprühsahne nebst Eis eben nicht Konditoren­qualität aufweisen, passt er so gut in die Erinnerung der 1980er-Jahre. Er schmeckt wie damals. Als Relikt aus einer anderen Zeit. Dennoch lebendig, wie das ganze Haus.

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FOTO: NYFFENEGGE­R Vorspeise mit Määähhh! Zum Auftakt gibt es ein leckeres Ziegenkäsl­e mit Sesamkrust­e auf Salatbett.
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Von Erich Nyffenegge­r

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