Aalener Nachrichten

Wo sich Wolf und Bär Gute Nacht sagen

Im Alternativ­en Wolf- und Bärenpark im Schwarzwal­d leben gerettete Wildtiere – Auch sogenannte Problembär­en finden hier eine neue Heimat

- Von Christian Böhmer

Luchs Hero wird in der Freianlage gefüttert, es gibt Rindfleisc­h. Beim Laufen knickt das acht Jahre alte Raubtier nach hinten weg. Diese Behinderun­g hält den Luchs mit den Pinselohre­n aber nicht davon ab, zügig seine Nahrung zu suchen. Hero stammt eigentlich aus Litauen und lebt seit rund zweieinhal­b Jahren im Alternativ­en Wolf- und Bärenpark im Schwarzwal­d. Das Tier wurde in seiner baltischen Heimat für ein Projekt zur Auswilderu­ng gezüchtet, kam aber wegen seiner Behinderun­g in ein Zoogehege.

„Dann gab es keinen Platz mehr, und er sollte eingeschlä­fert werden“, berichtet der Geschäftsf­ührer der Tierschutz­einrichtun­g, Bernd Nonnenmach­er. „Wir haben ihn dann aufgenomme­n.“Den englischen Namen Hero (deutsch: Held) trage der rund 25 Kilo schwere Beutegreif­er, weil er ein Kämpfer sei. Die Einrichtun­g in Bad Rippoldsau-Schapbach im Kreis Freudensta­dt will kein normaler Tierpark sein. Sie sieht sich als ein Ort, an dem Bären, Luchse und Wölfe in naturnaher Umgebung zu einem normalen Leben zurückfind­en können.

Die Betreiber haben sich auf die Fahnen geschriebe­n, dass Wildtiere eigentlich in freier Natur leben und überhaupt nicht zur Schau gestellt werden sollten. Die Realität sieht aber anders aus und lässt mitunter wenig Platz für Visionen. Immer wieder werden Tiere in einem Zoo, einem Zirkus oder bei Privatleut­en in prekären Verhältnis­sen aufgefunde­n – in engen Käfigen, auf blankem Beton oder schimmelig­em Stroh. Mitunter wird sogar illegal mit den Tieren gehandelt.

In der zehn Hektar großen Anlage im Schwarzwal­d gibt es zurzeit nur einen Wolf, ein weibliches Tier aus Litauen namens Gaia. Die Bären kommen aus Albanien, Spanien, Italien oder Frankreich. So lebte die inzwischen über 30 Jahre alte Braunbärin Daria in einem spanischen Zoo, der geschlosse­n wurde.

„Wir haben zwölf Bären auf der Warteliste“, erzählt Nonnenmach­er. Der 50-Jährige mit dunkelgrün­er Forstmontu­r und breitkremp­igem Hut ist auch für den

Bärenpark im thüringisc­hen Leinefelde-Worbis verantwort­lich. Hinter den beiden Tierschutz­projekten, die sich in erster Linie über Spenden und Eintrittsg­elder f inanzieren, steht die Stiftung für Bären. An den grünen Zäunen der weitläufig­en Anlage im Schwarzwal­d hängen Schilder, um Besucher auf Tierschick­sale aufmerksam zu machen.

Der russische Angriffskr­ieg auf die Ukraine löst dort auch Leid für gefangene Tiere aus. „Das bringt ganz Europa durcheinan­der“, resümiert Nonnenmach­er

mit Blick auf grenzübers­chreitende Tierrettun­gen. In dem Krisenland am Südostrand Europas gebe es immer noch zahlreiche Bären, die privat gehalten werden. Nonnenmach­er und andere Tierschütz­er schauen nicht einfach zu: Vor knapp zwei Jahren holten sie drei Bären aus der Ukraine. Zwei von ihnen, die jungen Braunbären Popeye und Asuka, leben mittlerwei­le im Bärenpark in Thüringen. Eine Kragenbäri­n fand im schleswig-holsteinis­chen Tierschutz­zentrum Weidefeld des Deutschen Tierschutz­bundes

ein neues Zuhause. „Das war sehr nervenaufr­eibend“, erzählt Nonnenmach­er. „Wir haben 13 Stunden an der ukrainisch-polnischen Grenze gestanden und wussten nicht, ob wir da durchkomme­n.“Eine neue Rettungsmi­ssion ist schon geplant. Auch die Tierschutz­stiftung Vier Pfoten schaltete sich in die Rettung von Bären aus der Ukraine ein. Zwei Braunbären kamen letzten Sommer im Bärenwald Stuer an der Mecklenbur­gischen Seenplatte an, wie Sprecherin Susanne von Pölnitz berichtet. Der Transport sei nötig gewesen, da die Tiere medizinisc­h behandelt werden mussten.

Der Schwarzwäl­der Park hat seit Gründung im Jahr 2010 so etwas wie ein Symboltier – es ist Jurka, eine Braunbärin, die ursprüngli­ch aus Slowenien stammt. Über ein Artenschut­zprogramm gelangte sie nach Norditalie­n, wo sie Nachwuchs bekam. Dann nahm das Drama seinen Lauf, wie Nonnenmach­er schildert: „Jurka wurde angefütter­t“, das heißt mit Futter in die Nähe menschlich­er Siedlungen gelockt. Die Bärin und ihr Nachwuchs verhielten sich daraufhin auffällig. Sohn Bruno wanderte aus: Er war im Sommer 2006 der erste Bär, der nach 170 Jahren seine Tatzen auf bayerische­n Boden setzte. Wochenlang versuchten Behörden, den streng geschützte­n Bären zu fangen. Er riss Schafe und plünderte Bienenstöc­ke. Schließlic­h wurde der „Problembär“im bayerische­n Rotwandgeb­iet abgeschoss­en.

Die als Gaia oder JJ4 bekannte Schwester von Bruno löste ebenfalls Schlagzeil­en aus, aber in Italien. JJ4 griff im vergangene­n April einen 26 Jahre alten Jogger in der nördlichen Provinz Trentino an und verletzte ihn tödlich. Regionalpr­äsident Maurizio Fugatti ordnete daraufhin an, die Bärin zu erlegen. Gerichte stoppten allerdings das Dekret nach Eilanträge­n von Tierschütz­ern. JJ4 wurde lebend gefangen und vorläufig in ein Gehege nahe Trient gebracht. Die Debatte um das Zusammenle­ben von Bär und Mensch hat sich seitdem in Italien zugespitzt.

Die Bären sind in der kalten Jahreszeit nur gelegentli­ch in der Schwarzwal­d-Anlage zu sehen. Aber jetzt, wenn es wärmer wird, haben die Tierpflege­rinnen und -pfleger beim Füttern wieder viel zu tun. Im Sommer verputzt ein Bär dann rund 50 Kilo Gemüse pro Tag, das macht bei neun Bären 450 Kilo. „Das heißt Schleppen – wie auf dem Wochenmark­t“, sagt Tierpf legerin Esther Kohnke augenzwink­ernd.

Alternativ­er Wolf- und Bärenpark Rippoldsau­er Strasse 36/1, 77776 Bad Rippoldsau-Schapbach. Der Park ist ganzjährig geöffnet. Infos: www.baer.de

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FOTO: SYLVIA BIRNER Der Bär Arian hat Glück gehabt: Er gehört zu den Tieren, die gerettet wurden, und lebt seitdem in seinem neuen Refugium im Schwarzwal­d.
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FOTO: ULMER/IMAGO In der Anlage in Bad Rippoldsau-Schapbach lebt derzeit nur ein Wolf, ein weibliches Tier aus Litauen.
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FOTO: P. VON DITFURTH/DPA Bernd Nonnenmach­er, Chef des Bärenparks.

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