Staat kann nicht alles absichern
Vor zwei Jahren galten Leute, die die „Deindustrialisierung in Deutschland“voraussagten, als verschwurbelte Nörgler oder bösartige Propagandisten. Heute beschreiben Ökonomen mit dem Begriff die wirtschaftlichen Prozesse, die sich hierzulande abspielen: Investitionen gehen zurück und immer mehr Kapital fließt aus Deutschland ab. Wirtschaft, Sozialstaat und gesellschaftliches Miteinander nehmen dadurch erheblichen Schaden.
Eine Aufweichung der Schuldenbremse, um staatliche Investitionen zu ermöglichen, kann das Allheilmittel nicht sein. Denn Wirtschaftswachstum gelingt nachhaltig nur über private Investitionen. Der Staat kann einspringen, wenn diese ausfallen, zum Beispiel in Phasen einer mauen Konjunktur. Doch die Zahlen zeigen eindeutig: Private Investitionen fallen nicht aus, sie finden nur woanders statt. Deutsche Firmen investieren massiv, und zwar außerhalb der Bundesrepublik. Das ist das eigentliche Problem – und es hat etwas mit der spezifischen Lage in Deutschland zu tun.
Wir müssen begreifen, dass all dies keine akademische Diskussion mehr ist. Es geht um alles: um Freiheit, Sicherheit, Sozialstaat, Klimaschutz, gesellschaftlichen Frieden und den Erhalt unserer Demokratie. Eine gut funktionierende Wirtschaft ist schließlich keine Option, die man abwählen kann, um andere wünschenswerte Dinge zu finanzieren. Wohlstand ist zwar nicht alles im Leben. Doch in einer liberalen Demokratie ist ohne Wohlstand alles nichts.
Neben einer klaren Fokussierung auf die wirtschaftlichen und demografischen Probleme braucht es dafür vor allem eines: eine mentale Zeitenwende. Ihr Kern ist die Abkehr von der Idee, dass der Staat seine Bürger gegen alle Lebensrisiken absichern kann oder soll. Das ist nicht kaltherzig, sondern die Grundlage für ein würdevolles, erwachsenes, eigenverantwortliches Leben. Wir brauchen mehr Mut, mehr Fleiß, mehr gegenseitige Inspiration, mehr Lust auf Leistung, mehr positive Vorbilder, mehr Miteinander. Denn Selbstermächtigung ist das größte Geschenk, das man einem anderen Menschen machen kann. Wenn das gelingt, dann sehen wir auch wieder positiveren Zeiten entgegen.