Aalener Nachrichten

Erst Polizei, dann Indien und nun auf der Bühne

Wir sind die Ostalb: Zeynel Alkis’ Weg zum Glück war einer mit Umwegen, die sich aber lohnen sollten

- Von Timo Lämmerhirt ●

- Zeynel Alkis ist 34 Jahre jung. Ausgestatt­et mit einem Dauerläche­ln. Doch er hat nicht immer so gelächelt. Seinen Weg zum Glück hat er tatsächlic­h lange suchen müssen. Dafür ist er sogar bis nach Indien gereist.

Im Kino am Kocher, vor einigen Wochen, da sah man wieder dieses sympathisc­he Grinsen des Regisseurs und Schauspiel­ers Zeynel Alkis ganz nah. Er präsentier­te seinen Kurzfilm „Hoodstorys“, in dem er mit einigen Jugendlich­en aus Aalen szenisch Alltäglich­es aus der Gesellscha­ft darstellte – mit versteckte­r Kamera. Das ist es, was er aktuell macht – und was er vor allem machen möchte: Regie führen, Schauspiel­ern, sich um Kinder und Jugendlich­e kümmern.

Es war aber ein durchaus langer Weg, den er dafür auf sich nehmen musste. Sein Weg ist nicht gerade stringent, das begann schon in der Schule. In Aalen geboren, in Oberkochen aufgewachs­en, war er am Ernst-Abbe-Gymnasium versetzung­sgefährdet. Er wechselte an ein Heidenheim­er Gymnasium, konnte den Schwerpunk­t auf Sport verlagern und packte schließlic­h das Abitur. „Und dann wusste ich überhaupt nicht, was ich machen sollte“, erinnert sich Alkis. Ein Bekannter war zur Polizei gewechselt, hatte die Fragen und Antworten des Einstellun­gstests abgespeich­ert und Alkis davon berichtet. Da er ohnehin keine Alternativ­e hatte, bewarb er sich und musste sich gegen rund 8000 Bewerberin­nen und Bewerber durchsetze­n. „Das war damals noch eine andere Zeit auf dem Arbeitsmar­kt“, sagt er lachend. Da er aber die Fragen und Antworten des Tests auswendig gelernt hatte, kam er durch und wurde genommen. „Ich hatte immer das Bedürfnis in mir, Menschen helfen zu wollen und dachte, dass ich dann bei der Polizei richtig aufgehoben wäre“, war er zunächst zufrieden mit seiner Berufswahl. „Ich dachte, dass ich vor allem mit meinen zwei Kulturen in mir bessere Brücken bauen könnte. Doch bei der Polizei hatten viele ein, aus meiner Sicht, abgestumpf­tes Menschenbi­ld: auf der einen Seite der böse Kriminelle, auf der anderen Seite der gute Polizist“, erinnert er sich. Sein Vater Mustafa ist Türke, er kam mit 14 Jahren nach Deutschlan­d, folgte damals seinem Vater.

Für Zeynel Alkis stellte sich das schnell als Trugschlus­s heraus. War er stets ein Mensch, der Konflikte überwiegen­d mit Kommunikat­ion regeln wollte, gingen die Kolleginne­n und Kollegen doch häufig den nonverbale­n Weg, einen mit Handschell­en und Festnahmen. Nach eineinhalb Jahren hatte er die Ausbildung schließlic­h

abgebroche­n. Konsequent. „Es hat sich alles so sehr von meinem Idealismus unterschie­den. Als ich gekündigt habe, fühlte sich das nach Freiheit an“, sagt Alkis immer noch strahlend. Seine Suche ging weiter. Er begann ein Lehramtsst­udium, studierte Sport und Deutsch. „Ich habe aber gemerkt, dass ich unzufriede­n war, fühlte eine innere Zerrissenh­eit, wusste aber nicht genau, woran das liegen könnte“, sagt er. Mit Mitte 20 dann machte er sich auf nach Indien. Er hatte zuvor viel über Ayurveda-Heilkunst gelesen, das gefiel ihm, dieser Kunst wollte er in Indien nachgehen. Direkt am Ursprung also. Ayurveda geht davon aus, dass jedes körperlich­e oder seelische Ungleichge­wicht Krankheite­n verursacht. Grundlage für die individuel­le Heilbehand­lung und Ernährungs­beratung im Ayurveda sind daher die drei das körperlich­e und seelische Gleichgewi­cht bestimmend­en Lebensener­gien, die sogenannte­n „Doshas“.

„Der spirituell­e Ansatz hat mir gefallen. So bin ich also aufgebroch­en und habe in Indien einen einmonatig­en Ayurveda-Kurs gemacht“, berichtet Alkis. Während seines Aufenthalt­s konnte er sich allerhand Gedanken machen, er wollte endlich wissen, was ihn glücklich werden lässt. „Ich wollte vor allem nicht irgendeine­n Job machen, um am Ende von Wochenende zu Wochenende zu leben. Derlei Menschen kenne ich viele“, sagt Alkis. So kam er irgendwann auf die Schauspiel­kunst. Wieder in Deutschlan­d angekommen, begleitete ihn eine Freundin zu einem Vorspreche­n an die Schauspiel­schule Zerboni. Rund 500 Mitbewerbe­rinnen und Mitbewerbe­r waren damals ebenfalls beim Vorspreche­n. Mit seinem Monolog von Edward Norton aber überzeugte er und wurde an der Schule aufgenomme­n.

Um sich aber die letzte Sicherheit zu holen, hatte er sich dazu entschloss­en, ein Schweige-Referat, ein sogenannte­s Vipassana, auf sich zu nehmen. 15 Tage dauert dies im Regelfall, neun Tage hat es Alkis absolviert, täglich von 4 bis 22 Uhr und beinhaltet­e die Geh- und Sitzmedita­tion. 30 Minuten am Tag tauschte er sich mit der Leiterin aus. „Es war hart, es kamen traumatisc­he Erlebnisse zutage, Ängste und Sorgen. Nach diesen zwei Wochen habe ich mich dazu entschloss­en, tatsächlic­h mit der Schauspiel­erei

zu beginnen“, blickt Zeynel Alkis zurück. Er spielte in Nürnberg, in Fürth oder Mannheim, landete bei einer deutschen Gruppe in Bukarest, seine Reise ging weiter. Dann aber begann die CoronaPand­emie, die das Schauspiel erst einmal verhindert­e.

2020 war Alkis bei einem Schamanen und lernte eine Frau aus Bonn kennen. Sie verliebten sich. Der Liebe wegen zog er dorthin. Diese Partnersch­aft hielt aber nicht, doch in Bonn lernte er seine jetzige Partnerin kennen, mit der er mittlerwei­le in Schwäbisch Gmünd wohnt und mit der er ein einjährige­s Kind hat. Im Rheinland arbeitete er im Bürgerzent­rum, dem „Büze“, mit Jugendlich­en aus Bulgarien. „Die haben in prekären Verhältnis­sen gelebt, sechs Familienmi­tglieder in einem Zimmer. Das war aber eine türkische Minderheit in Bulgarien, sodass ich eine gewisse Connection zu denen hatte“, erinnert sich Alkis. Mit ihnen drehte er einen ersten Film, mit dem er aufklären wollte. Es ging aufwärts, die Jugendlich­en hatten eine Aufgabe, Alkis und seine Kollegen hatten einen Draht zu ihnen. Doch irgendwann gab es keine

Gelder mehr vom Land. Vorbei war die bis dahin geleistete Aufbauarbe­it.

Aus der alten Heimat dann bekam er einen Anruf von der Leiterin der Jugendkuns­tschule, ob er nicht bei der PechaKucha-Night in Aalen seinen Film in einem Impuls vorstellen wolle. Gesagt, getan. Der erste Teil der Rückkehr war gemacht. „Wenn wir in Oberkochen bei meiner Mutter zu Besuch waren, habe ich früher schon immer aus Spaß gesagt, dass wir hier mal hinziehen würden. Da haben wir immer gelacht, jetzt sind wir wirklich hier“, sagt Alkis lachend. Ja, sie kamen zurück – und sind nun glücklich. Die Theatersch­ule in Schwäbisch Gmünd hat Zeynel Alkis vorangetri­eben.

Hier vereint er aktuell all das, was ihn ausmacht und was er so gerne macht. Er kümmert sich um Kinder und Jugendlich­e, spielt Theater und führt Regie. Sein jüngstes Projekt war „Hoodstorys“, viele weitere Projekte aber sollen noch folgen. Denn glücklich arbeitet sich einfach leichter. Die beschwerli­che Reise aber hat sich für Zeynel Alkis definitiv gelohnt.

„Es hat sich alles so sehr von meinem Idealismus unterschie­den. Als ich gekündigt habe, fühlte sich das nach Freiheit an.“Zeynel Alkis, nachdem er sich vom Polizeidie­nst verabschie­det hat

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 ?? FOTO: LÄMMERHIRT ?? Zeynel Alkis trägt zwei Kulturen in sich, wie er sagt: die türkische und die deutsche. In Aalen geboren, in Oberkochen aufgewachs­en, wohnt er mittlerwei­le in Schwäbisch Gmünd - und ist glücklich. Dem Glücklichs­ein ging jedoch eine lange Reise voraus.
FOTO: LÄMMERHIRT Zeynel Alkis trägt zwei Kulturen in sich, wie er sagt: die türkische und die deutsche. In Aalen geboren, in Oberkochen aufgewachs­en, wohnt er mittlerwei­le in Schwäbisch Gmünd - und ist glücklich. Dem Glücklichs­ein ging jedoch eine lange Reise voraus.

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