Eine Partei sucht ihre Struktur
Gut 30 Unterstützerinnen und Unterstützer der neuen Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht“treffen sich mit Gründungsmitglied Jessica Tatti
- Das „Bündnis Sahra Wagenknecht“(BSW) will vieles besser machen als die Partei Die Linke, aus der es hervorgegangen ist. Nach der Parteigründung und dem Bundesparteitag im Januar sind die neuen Mitglieder nun unterwegs, um bundesweit Parteistrukturen aufzubauen. Am Montag waren nun Jessica Tatti, eine der zehn Abgeordneten der Gruppe BSW im Bundestag, und der Schwäbisch Gmünder Alexander Relea-Linder aus dem erweiterten Bundesvorstand in Aalen, um sich mit gut 30 Unterstützerinnen und Unterstützern zu treffen, darunter Roland Hamm, 30 Jahre lang im Aalener Gemeinderat, erst für die SPD, dann für die Linke.
Zu Jahresbeginn ist Hamm bei den Linken aus- und dem BSW beigetreten. „In den letzten Jahren hat es bei den Linken einen Richtungsstreit gegeben, der sich vor allem an einer Person festgemacht hat – an Sahra Wagenknecht“, blickt Jessica Tatti, 43jährige Bundestagsabgeordnete aus Reutlingen, zurück, „aber in den Medien stand oft im Hintergrund, dass der Streit inhaltlicher Art war.“Bei den Linken, so Tatti, seien „materielle Themen“zunehmend aus dem Fokus gekommen: Renten, Inf lation, teure Mieten. Dafür seien Themen wie Gendern, Kiffen oder Rechte von Transmenschen ins Zentrum gerückt: „Das hat die Partei verändert“, fasst sie zusammen, „warum das BSW gegründet wurde. „Die Themen sind ja nicht alle irrelevant, aber es ist ja eine Frage der Gewichtung. Jetzt stehen wir erst einmal mitten in unserer ersten Wahl“, sagt Tatti: Europa-Liste und -Wahlprogramm stehen. Nun muss ein Unterbau her. Deshalb hat sie sich mit Unterstützern im ganzen Land getroffen: „Aalen ist da der krönende Abschluss.“
Bundesweit spricht sie von gut 18.000 Unterstützern, in Ostwürttemberg von knapp 100. Gut 30 davon traf sie am Montagabend. „Es geht vor allem darum, sich erst einmal kennenzulernen“, kommentiert Roland Hamm, „organisatorische Themen: Wahlkampf, Plakate, Flyer.“Das Interesse sei groß. Seit Hamm am Samstag verkündet hat, dass er bei den Linken ausgetreten sei, „steht das Telefon nicht mehr still“, aber die Gründung eines
Kreis- oder Ortsverbands scheint vorerst noch Zukunftsmusik zu sein. Bis Ende des Jahres, so hofft Jessica Tatti, werden aber die 16 Landesverbände des BSW stehen.
„Der Aufbau einer neuen Partei ist ein Dauer-Marathon“, bestätigt Relea-Linder, „viele aus der bürgerlichen Mitte“, so seine Erfahrung, „warten darauf, dass es endlich los geht.“In den Umfragen von null auf sieben Prozent: „Das zeigt, dass wir einen Bedarf treffen“, so Relea-Linder, Tatti spricht von „gesundem Wachstum“und Hamm fügt mit Blick auf WSG und Linke an: „Wir haben Gründungserfahrung.“Und Tatti bremst: „Wir müsssen erst einmal unsere ganze Kraft in den Wahlkampf stecken und beim Parteiaufbau Kinderkrankheiten ganz gerne vermeiden.“
Dass der Parteiname auf eine Person zugeschnitten ist, sehen die drei nicht als Problem. „Sahra Wagenknecht ist nun mal die bekannteste Person“, sagt Tatti, und biete so inhaltliche Orientierungshilfe mit großem Wiedererkennungswert. Aber Roland Hamm, erfahrener Lokalpolitiker, sagt auch: „Auf Dauer muss das ja nicht so bleiben. Wenn sich das Projekt erst einmal etabliert hat, kann sich der Name sicher noch ändern.“