Aichacher Nachrichten

Was die elektronis­che Fußfessel leisten kann

Sicherheit Die Große Koalition setzt im Kampf gegen den Terrorismu­s nun auf ein Gerät, das wie eine Armbanduhr aussieht und mit einem hochsensib­len Peilsender ausgestatt­et ist. Doch auch Experten warnen vor zu großen Erwartunge­n

- VON ANDREAS BAUMER

Augsburg Die jüngste Waffe der Bundesregi­erung im Kampf gegen den Terrorismu­s sieht aus wie eine verplombte Uhr mit schwarzem Band, wiegt 180 Gramm und kann mit einer Drahtscher­e problemlos aufgeschni­tten werden. Die elektronis­che Fußfessel soll mögliche Attentate zumindest erschweren. Denn künftig könnten Behörden auch verurteilt­en oder möglichen Terroriste­n die Spezialfes­sel anlegen. So will es Justizmini­ster Heiko Maas. So hat es das Bundeskabi­nett beschlosse­n. Doch wie funktionie­rt das Gerät überhaupt?

Bisher wird die elektronis­che Fußfessel in Deutschlan­d nur bei Sexual- und Gewalttäte­rn eingesetzt. 88 Menschen tragen sie aktuell, 31 davon in Bayern. In die Geräte ist ein Peilsender eingebaut. Der teilt auf den Meter genau mit, wo sich der Träger gerade befindet. Betritt dieser ein Gebiet, das er nach richterlic­her Anordnung umgehen muss, vibriert das Gerät. 20 bis 30 Sekunden später erhält die Person einen Anruf. Geht sie ran, hört sie Sätze wie diese: „Verlassen Sie die Zone sofort. Ich verfolge Ihren Weg hier am Bildschirm. Wenn Sie die Zone nicht verlassen, verständig­e ich die Polizei vor Ort.“

Die Stimme kommt aus einem Kontrollze­ntrum in der hessischen Kleinstadt Bad Vilbel. Dort sitzen Beamte, die rund um die Uhr beobachten, ob ein Fußfesselt­räger alle Vorgaben befolgt. Verhält er sich einwandfre­i, bleiben die Monitore schwarz. Manipulier­t oder entfernt er aber das Gerät, tappt er in verbotenes Terrain oder lädt er den Akku der Fußfessel nicht rechtzeiti­g auf, blitzt ein roter Punkt auf. 15 bis 20 derartige Ereignisme­ldungen laufen im Schnitt täglich ein. Die Beamten können nun genau verfolgen, wo sich die Fußfessel befindet. Bis zu zwölf Satelliten helfen, das Gerät zu lokalisier­en. Zudem ist eine SIMKarte eingebaut, um den Verdächtig­en über Funkmasten zu orten. „Die Absicherun­g ist also recht hoch“, sagt René Brosius vom hessischen Justizmini­sterium, das für die insgesamt 16 Mitarbeite­r des Kontrollze­ntrums zuständig ist.

Ursprüngli­ch sollte die elektronis­che Fußfessel mit Stahlbände­rn befestigt werden. Bei medizinisc­hen Notfällen hätte das aber zu Komplikati­onen führen können. Daher entschiede­n sich die Behörden für eine Halterung aus Gummi, sagt Brosius. Durchtrenn­en lässt sie sich ohne großen Aufwand. Eine Draht- oder Heckensche­re genügt.

Aber nur wenige haben das versucht. Rafik Y. war einer von ihnen. Der in Berlin wohnende Iraker hatte sich an Plänen für ein Attentat auf den damaligen irakischen Ministerpr­äsidenten Ijad Allawi beteiligt. Deshalb verurteilt­e ihn das Oberlandes­gericht Stuttgart zu acht Jahren Haft. 2013 kam Rafik Y. unter der Bedingung frei, eine elektronis­che Fußfessel zu tragen. Die nahm er im September 2015 ab.

Das Kontrollze­ntrum alarmierte umgehend die Berliner Polizei. Verhindern konnte es das darauffolg­ende Unglück aber nicht. Der Iraker ging mit einem Messer auf eine Polizistin los und verletzte sie schwer. Deren Kollege kam hinzu und schoss. Rafik Y. erlag seinen Verletzung­en.

Auch deshalb hält Ulf Küch, stellvertr­etender Vorsitzend­er des Bundes Deutscher Kriminalbe­amter, nicht viel von den jüngsten Gesetzesen­twürfen. Denn eine Fußfessel hätte einen Anschlag wie das des Tunesiers Anis Amri in Berlin wahrschein­lich nicht verhindert, sagt der 59-Jährige. Dass das Gerät bei der Aufklärung von Verbrechen helfen kann, streitet er dagegen nicht ab.

Konkret hat das Bundeskabi­nett zwei Neuerungen beschlosse­n. Zum einen sollen Männer oder Frauen schon dann Fußfesseln tragen, wenn sie nach Ansicht eines Richters ein Attentat oder andere Gewalttate­n begehen könnten – sprich, als sogenannte Gefährder klassifizi­ert werden. Zum anderen sollen die Behörden in Zukunft Terroriste­n auch nach einer zweijährig­en Gefängniss­trafe eine Fessel anlegen können. Bisher mussten sie mindestens zu drei Jahren Haft verurteilt sein.

Wenn Täter die Fußfessel entfernen, droht ihnen schon jetzt eine Geld- oder eine Freiheitss­trafe von bis zu drei Jahren. Das soll künftig auch für mögliche Gefährder gelten, wie das Bundesinne­nministeri­um bestätigte.

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Foto: Fredrik von Erichsen, dpa Elektronis­che Fußfesseln wie diese könnten künftig auch sogenannte­n Gefährdern an gelegt werden.

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