Der Unbequeme verlässt Daimler
Der Allgäuer Manager Wolfgang Bernhard galt als Kronprinz
Dass Wolfgang Bernhard Konflikten in der Vergangenheit aus dem Weg gegangen sei, kann man eigentlich nicht behaupten. Der 56-Jährige legte sich sowohl mit dem damaligen Vorstandschef Jürgen Schrempp an als auch mit dem mächtigen Betriebsrat bei dem Autohersteller. Doch nun scheint sein Konfliktpotenzial aufgebraucht. Offiziell läuft sein Vertrag noch bis Februar 2018 – eine Verlängerung aber schlug Bernhard aus und will den Autokonzern verlassen, wie der Spiegel berichtet.
Selbst im Aufsichtsrat war von seinen Plänen zunächst nichts bekannt. Das Gremium tagt am Freitag. Dabei war Bernhard einst als potenzieller Nachfolger von Vorstandschef Dieter Zetsche gehandelt worden. Der 1960 im Allgäu in Böhen bei Ottobeuren geborene Bernhard kam 1994 über den Umweg der Unternehmensberatung McKinsey zu Daimler. Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler arbeitete sich über die Kaderschmiede des Konzerns, der Tuning-Sparte AMG, schnell in den Vorstand der Chrysler AG hoch, die der damals erst 40-Jährige zusammen mit Zetsche sanieren sollte.
Zusammen mit dem heutigen Daimler-Chef setzte er harte Einschnitte bei Chrysler durch und trimmte den US-Hersteller zumindest vorübergehend auf Profitabilität. Doch 2004 endete die Karriere des als „Wunderkind“gehandelten Managers abrupt, unmittelbar bevor er sein Amt als neuer Chef der Mercedes-Sparte annehmen sollte.
Der unbequeme Manager war beim damaligen Vorstandsvorsitzenden Schrempp in Ungnade gefallen. Auch der Betriebsrat war gegen Bernhard, der Daimlers Herzstück Mercedes als „Sanierungsfall“bezeichnet haben soll. Bernhard ging zur Konkurrenz und wurde Vorstand für die Marke Volkswagen – auch dort prangerte er die Kostenstrukturen an. Doch auch diese Station endete nicht harmonisch. Als Martin Winterkorn im Januar 2007 den VW-Chefsessel übernahm, war kein Platz mehr für Bernhard.
Der ehemalige McKinsey-Mann ist blitzgescheit. Schnell wird er ungeduldig, wenn ein Gesprächspartner ihm nicht folgen kann. Er scheut sich nicht, unbequeme Wahrheiten auszusprechen und unbeliebte Sparprogramme durchzusetzen. 2007 kreuzten sich die Wege von Bernhard und Zetsche erneut: Die beiden Manager tüftelten im Frühjahr 2007 die Trennung von Daimler und Chrysler aus. Diesmal saßen sie aber an verschiedenen Seiten des Verhandlungstisches. Bernhard trat nun als Berater des Finanzinvestors Cerberus auf. Zwei Jahre später kehrte Bernhard als Chef der Transportersparte zu Daimler zurück: Das Lkw-Geschäft trieb er auf neue Profitabilitätshöhen. Doch die Rolle des Kronprinzen hat er längst an den deutlich jüngeren Entwicklungsvorstand Ola Källenius, 47, abgegeben. Auch das, so heißt es, könnte ein Grund für den Abgang sein. Man darf gespannt sein, wo Bernhard als Nächstes auftaucht. A. Grah, dpa