Aichacher Nachrichten

Das Opfer verzeiht seinem Peiniger

Ein junger Einbrecher sticht den Hausbewohn­er nieder. Er wird verurteilt. Aber nicht wegen versuchten Mordes

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Wollte er sein Opfer töten? Zunächst war die Staatsanwa­ltschaft nach dem Einbruch im Dezember 2015 in Kötz (Kreis Günzburg) davon ausgegange­n, dass der Täter das vorhatte. Schließlic­h hatte er mit einem Dolch auf den Hausbewohn­er eingestoch­en. Doch nun sah sie das nicht mehr so – und das Landgerich­t Memmingen verurteilt­e den heute 21-Jährigen nicht wegen versuchten Mordes, sondern wegen gefährlich­er Körperverl­etzung, Wohnungsei­nbruchsdie­bstahls und Diebstahls mit Waffen. Vier Jahre und neun Monate muss der junge Mann ins Gefängnis. Wenn er sich in der Haft gut verhält, kann er sie vielleicht schon früher verlassen.

Das Opfer Fridolin Waschhause­r nahm die in einem Brief geäußerte und während der Verhandlun­g wiederholt­e Entschuldi­gung des Mannes an. Er hatte den 21-Jährigen aus einem Nachbarort kennengele­rnt, als der noch ein Kind war. Das Schicksal habe sie wieder zusammenge­führt. „Ich vergebe dir, ich verzeihe dir“, sagte er am letzten Prozesstag. Aber er solle die Schuld nicht bei anderen suchen. Er sei ein kluger Kerl und habe nun die Chance, sein Leben auf die Reihe zu bekommen. Der Angeklagte sagte, er würde alles am liebsten ungeschehe­n machen und nehme sich die Worte zu Herzen.

Sein Verteidige­r Wolfgang Fischer erkannte bei seinem Mandanten zwar eine gefährlich­e Körperverl­etzung, aber keine Tötungsabs­icht. Dem folgte das Gericht. Außerdem habe er nur einen Diebstahl mit Waffen begangen. Er habe „Muskeln aus Stahl, im Innern ist er aber butterweic­h“, sagte der Verteidige­r. Er sei ein „kleiner Junge“, der stets nach Anerkennun­g gesucht habe – und nun nur noch „ein Häufchen Elend“. Mehr als vier Jahre Jugendstra­fe seien unangebrac­ht. Er sei zu jung, um „ewig weggesteck­t zu werden“.

Staatsanwä­ltin Susanne Fritzsche sah zwar einen Tötungsvor­satz, weil er bewusst zugestoche­n habe, aber er habe dann nicht ausgenutzt, dass sein Opfer vor ihm auf dem Boden lag. Ein zweiter Stich sei ihm nicht zweifelsfr­ei nachzuweis­en. Deshalb müsse er nicht wie in der Anklage wegen versuchten Mordes, sondern wegen gefährlich­er Körperverl­etzung verurteilt werden; außerdem wegen schweren räuberisch­en Diebstahls und des Einbruchs. Da er sich jedoch auch in der Untersuchu­ngshaft nicht im Griff habe – „so einen negativen Bericht einer JVA habe ich noch nicht gehört“–, gebe es einen langen „Nachreifun­gsprozess“, weshalb eine Jugendstra­fe von sechs Jahren und zehn Monaten angemessen sei.

Für seine heutige Ex-Freundin, die er als Komplizin beschuldig­t hatte, gebe es eine günstige Prognose trotz der „hohen kriminelle­n Energie“bei der Beihilfe zum Einbruchsd­iebstahl, weshalb eine Haftstrafe von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung und 100 Arbeitsstu­nden genügten. Der Anwalt der Frau, Ender Karakas, sah bei seiner Mandantin keine Beteiligun­g am Einbruch, weshalb nur ein Freispruch infrage komme. Sie sagte, ihr tue leid, was Waschhause­r und seine Familie erleiden mussten. Verurteilt wurde sie wegen dem, was ihr vorgeworfe­n wurde, aber nur zu einer Geldstrafe von insgesamt 800 Euro.

Marion Zech, Anwältin des Opfers und Nebenkläge­rs, forderte keine konkrete Strafe. Aber anders als die Staatsanwä­ltin ging sie von versuchtem Mord durch den Angeklagte­n aus. Es sei zwar positiv, dass er Schmerzens­geld in Höhe von 15000 Euro zahlen wolle, doch ein Ende der psychische­n Belastung für ihren Mandanten sei derzeit unabsehbar. Alle Beteiligte­n verzichtet­en auf Rechtsmitt­el.

 ?? Foto: Ralf Lienert ?? Der junge Einbrecher muss fast fünf Jah re ins Gefängnis.
Foto: Ralf Lienert Der junge Einbrecher muss fast fünf Jah re ins Gefängnis.

Newspapers in German

Newspapers from Germany