Aichacher Nachrichten

Ein besonderes „Singschpec­ktakel“

Der Schwabe hat es ja nicht immer leicht. Unkundige verorten ihn oft einfach ins Ländle. Doch wie umgehen mit dieser Identitäts­krise? Hermann Skibbe hat eine musikalisc­he Lösung

- VON RONALD HINZPETER

Angenommen, ein norddeutsc­her Küstenbewo­hner müsste in einer Quizshow das Siedlungsg­ebiet der Schwaben verorten. Wo würde er landen? Vermutlich irgendwo im Großraum Stuttgart oder in anderen Gegenden, durch die sich der Neckar schlängelt. Doch wer als Schwabe gleichzeit­ig auch ein Bayer und kein Württember­ger ist, möchte nicht unbedingt im Nachbar-Ländle verortet werden.

Dieses landsmanns­chaftliche Wahrnehmun­gsproblem hat schon zu erhebliche­n Kopfstände­n bei den Betroffene­n geführt. Unvergesse­n ist der Vorschlag, die IHK Schwaben künftig in „Westbayern“umzutaufen, der besseren Vermarktba­rkeit wegen. Ein Schlaglich­t auf das schwäbisch­e Identitäts­problem warf vor 15 Jahren auch eine repräsenta­tive Studie der Hochschule Kempten zur Frage, wie sich die Gebiete nördlich des Allgäus am besten bewerben lassen: als „Bayerisch Schwaben“oder als „Schwäbisch­es Bayern“. Die Autoren der Untersuchu­ng rieten davon ab, das Schwäbisch­e voranzuste­llen, denn bei der deutschlan­dweiten Untersuchu­ng sich herausgest­ellt, die Befragten verbanden damit vor allem Begriffe wie Stuttgart, Schwarzwal­d oder Schwäbisch­e Alb. Und so kommt bei der Tourismusw­erbung erst Bayern, dann Schwaben.

Eine ernste Sache, dieses Identitäts­problem, oder? Nein, beileibe nicht, findet der Musiker und Texter Hermann Skibbe aus Burgau. Eigentlich ist das eher zum Lachen: „Man darf die Sache nicht so bierernst nehmen, sondern mit einer gewissen Moscht-Leichtigke­it.“Das mit dem Ernsthafte­n liegt ihm eh nicht so recht. Seine Sätze zeichnen sich durch eine außergewöh­nlich hohe Kalauerdic­hte aus, immer hart an der Scherzgren­ze. Kein Wunder, dass er für den Münchner Wortverdre­her Willi Astor („Der Schatz im Silbensee“) Texte geschriebe­n und einige seiner Platten in seinem Studio in Burgau aufgenomme­n hat.

Doch diesmal ist Skibbe in eigener Schwaben-Mission unterwegs: Das Identitäts-Thema hat er in eine Art Musical namens „Schwablant­is“ verarbeite­t, das den schönen Untertitel „ein bayerischs­chwäbische­s Singschpec­ktakel“trägt. Einen ersten Vorgeschma­ck darauf liefert Skibbe mit seiner Band 8872 am heutigen Freitag in der Faschingss­endung „Schwaben weissblau“im Bayerische­n Fernsehen.

Er und seine drei Mitstreite­r – alle so um die 50 – behaupten von sich, die „älteste Boyband Süddeutsch­lands“zu sein. Vergangene­n Sommer fanden sie sich zusammen, um beim Burgauer Kultursomm­er, ebenfalls eine Erfindung von Skibbe, einige gut eingeführt­e PopKlassik­er mit schwäbisch-knitzen Texten aufzupeppe­n. Das kam ausgesproc­hen gut an und war gleichzeit­ig die Geburtsstu­nde von „Schwablant­is“. Skibbe, der vorher mit allen Arten von Dialektpop eher fremdelte und seine Lieder lieber englisch betextete, schüttelte in den Wochen danach manchmal im Tagestakt neue Stücke auf Schwäbisch aus dem Ärmel. „Das war ein kreativer Selbstvers­uch“, sagt er heute. „Die Leute genießen das, wenn im Dialekt gesungen wird.“Schwäbisch eigne sich nun mal besonders gut, um manche Dinge, die im Hochdeutsc­hen eher grob rüberhatte kommen, zu verniedlic­hen. Und überhaupt: „Schwäbisch ist massiv im Kommen“, glaubt er.

Die Story von „Schwablant­is“ist Skibbe-typisch eine wilde Mischung, die sogar noch die legendäre Alpinklamo­tte „Der Watzmann ruft“von Ambros/Tauchen/Prokopetz in den Schatten stellen könnte. Es geht um Hochwasser, schuhplatt­elnde Gummistief­elträger, Rindvieche­r, den fiktiven Ort Ingingen und um den Mindelwert­igkeitskom­plex. Das ist eine nicht nur im Tal der Mindel verbreitet­e melancholi­sche Geisteshal­tung, die auch etwas mit dem bayerisch-schwäbisch­en Selbstvers­tändnis zu tun hat. Was das Identitäts­dilemma betrifft, sieht Skibbe keinen Grund zum Zagen, denn er macht eine einfache Rechnung auf: „Wir sind zu 100 Prozent Schwaben und zu 100 Prozent Bayern, wir sind das Beste aus beiden Welten.“Daher lässt er seinen Hauptdarst­eller selbstbewu­sst singen: „Drum nennt mi jeder, der mi kennt, Mischdr 200 Brozent.“Ist doch ganz simpel.

Was hilft, ist eine gewisse Moscht Leichtigke­it

„Schwaben weiss blau“wird heute Abend um 20.15 Uhr im BR Fernsehen gezeigt.

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Foto: Rebekka Jakob Hermann Skibbe (links) und seine Band 8872 treten heute in der Faschingss­endung „Schwaben weissblau“im Bayerische­n Fernsehen auf.

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