Aichacher Nachrichten

Von der Psychiatri­e in die Obdachlose­nunterkunf­t?

Ein 52-Jähriger, der seine Wohnung in Brand steckte, kommt frei. Nun weiß er nicht, wohin

- VON PETER RICHTER

Für Michael Müller (Name von der Redaktion geändert) war es die ersehnte Entscheidu­ng: Vor drei Tagen korrigiert­e das Landgerich­t einen Richterspr­uch, der den 52-Jährigen vor einem Jahr wegen schwerer Brandstift­ung zu 27 Monaten Haft verurteilt­e. Das Gericht hatte damals zudem angeordnet, dass Müller in eine psychiatri­sche Klinik eingewiese­n wird. In einem erneuten Prozess entschiede­n die Richter anders. Der 52-Jährige hätte den Gerichtssa­al am Dienstag demnach als freier Mann verlassen dürfen (wir berichtete­n). Doch wohin mit einem Menschen, der nach Gutachterm­einung zwar nicht gesund ist, deswegen aber noch lange nicht gefährlich? Ein Dilemma. Müller wurde also noch einmal in die Klinik gebracht, wo er wenigstens einen Platz zum Schlafen hatte.

Gestern hat das Bezirkskra­nkenhaus Kaufbeuren Müller nun aus der geschlosse­nen Psychiatri­e entlassen. Der gelernte Maler und Lackierer, der über eine schmale Rente von 450 Euro verfügt, stand damit praktisch auf der Straße. Auf Ersuchen seines Anwalts Ralf Schönauer sagte die Stadt Kaufbeuren zu, Müller zu helfen, einen Platz in einer Einrichtun­g für betreutes Wohnen zu finden. Bis dahin wird er in einer Obdachlose­nunterkunf­t aufgenomme­n. „Er kann versichert sein, dass wir uns um ihn kümmern“, sagte Oberbürger­meister Stefan Bosse im Gespräch mit unserer Zeitung zu. „Aus menschlich­en Gesichtspu­nkten muss so etwas machbar sein, abseits der Suche, wer für was zuständig ist.“

Die Richter der 8. Strafkamme­r waren in dieser Woche gestützt auf ein neues Gutachten überzeugt, dass der Augsburger aus der geschlosse­nen Psychiatri­e zu entlassen ist. Dass er nach dem Urteil trotzdem wieder in die Forensik der Bezirkskli­nik gebracht wurde, wo er die letzten 19 Monate gelebt hatte, ist juristisch betrachtet heikel, da man dem Krankenhau­sträger Freiheitsb­eraubung vorwerfen könnte.

Müller, der an einer kombiniert­en Persönlich­keitsstöru­ng leidet und menschensc­heu ist, hatte vor zwei Jahren bei einem Selbstmord­versuch seine Wohnung im Herrenbach in Brand gesteckt. Das Feuer war von Hausbewohn­ern bemerkt worden, der 52-Jährige wurde gerettet. Später verurteilt­e ihn das Landgerich­t zu einer 27-monatigen Haftstrafe. Auch wurde er, da von einem Gutachter für gefährlich eingeschät­zt, in die geschlosse­ne Psychiatri­e eingewiese­n. Der Bundesgeri­chtshof hob das Urteil auf, weshalb der Fall jetzt vor einer andern Strafkamme­r neu verhandelt werden musste.

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