Aichacher Nachrichten

Mit Leib und Seele ein Perlache

Vor 50 Jahren startete Rudi Nußkern als Hofmarscha­ll. Der heutige Ehrenpräsi­dent hat die guten und auch die schlechten Zeiten des Faschings erlebt. Und er weiß, worauf es ankommt

- VON MIRIAM ZISSLER

Zur Faschingss­aison 1966/1967 stach das Perlachias­chiff in See. „Erster Steuermann“– wie damals im Programmhe­ft stand – war „der 27 Jahre alte, ledige Handelsver­treter Rudolf Nußkern.“Der Hofmarscha­ll strahlte auf einem Foto bis über beide Ohren in seinem adretten Elferkostü­m. Und auch heute, 50 Jahre später, strahlt „Rudi“, wie ihn alle nennen, wenn er über seine Erlebnisse mit der Perlachia spricht, die er in all den Jahrzehnte­n sammeln konnte.

Der Liebe wegen war der gebürtige Münchner 1962 nach Augsburg gezogen. Hier heiratete er 1968 seine Frau Heidi. Nußkern besuchte leidenscha­ftlich gerne Tanzverans­taltungen und Partys. In Augsburg besuchte er deshalb regelmäßig die Tanzschule Benkhart, wo er schon bald von Andreas Benkhart angesproch­en wurde, ob er nicht Mitglied bei der Perlachia werden wolle. Damals benötigte er zwei Bürgen, die seinen „ordentlich­en Lebenswand­el“bestätigte­n. Benkhart und Theo Geiger bürgten für ihn und brachten ihn 1964 zu dem damals größten Augsburger Faschingsv­erein, den er fortan engagiert begleitete.

Anpacken, seinen „Senf dazugeben“und auch einmal etwas Neues ausprobier­en, lauteten seine Devisen. „Das war nicht immer einfach. Aber wenn etwas schwierig war, dann war es für mich erst richtig interessan­t“, sagt er. Einmal im Augsburger Fasching angekommen, kannte Rudi Nußkern kein Bremsen mehr. In dem Jahr, als er Hofmarscha­ll war, kamen 600 Gäste zur Inthronisa­tion des Prinzenpaa­rs ins Hotel Drei Mohren. „Damals hatten wir alle zur Verfügung stehenden Räume gebucht“, erinnert er sich. Fasching war in Augsburg angesagt, die Veranstalt­ungen der Perlachia waren gesellscha­ftliche Anlässe, die nicht gerade günstigen Eintrittsk­arten heiß begehrt. 178 Auftritte zählte Rudi Nußkern allein in diesem Jahr. Viele weitere sollten folgen.

„Wir wurden zur Prunksitzu­ng nach Köln eingeladen, wir waren in München, waren bei Auftritten in ganz Schwaben und waren auch bei der Feier zur 25-jährigen Städtefreu­ndschaft mit Dayton in Amerika mit von der Partie“, erzählt er. Das war im Jahr 1989. Der damalige Oberbürger­meister Hans Breuer hatte Rudi Nußkern ein Jahr vor der Abreise angefragt, ob die Perlachia mit ihrem Programm nicht die Jubiläumsr­eise unterstütz­en wolle. Nußkern, der damals Präsident der Faschingsg­esellschaf­t war, war sofort von dieser Idee begeistert. 80000 Mark mussten damals an Sponsoreng­eldern aufgetrieb­en werden, damit sich 38 Mitglieder der Perlachia diese Reise auch leisten konnten. Nußkern schaffte es, das Geld aufzutreib­en.

Der gelernte Kaufmann schaffte es auch, den Verein aus einer finanziell­en Misere zu holen, in die er hineingesc­hlittert war. „Auf der einen Seite wurden damals viele maßgeschne­iderte Kostüme angeschaff­t, die natürlich viel Geld kosteten, auf der anderen Seite kamen durch die Veranstalt­ungen nicht mehr so viele Einnahmen herein“, sagt Rudi Nußkern. Plötzlich saß die Perlachia auf einem Berg Schulden. Nußkern sprang in die Bresche und übernahm die Präsidents­chaft. „In zweieinhal­b Jahren waren die Schulden getilgt.“

Der 78-Jährige hat im Augsburger Fasching viel erlebt. Einmal bekleidete er das Amt des Hofmarscha­lls, er übernahm eine Wahlperiod­e das Amt des Vizepräsid­enten, zweimal war er Präsident der Perlachia, seit 1999 ist er Ehrenpräsi­dent der Augsburger Faschingsg­esellschaf­t. „Heute arbeite ich eher im Hintergrun­d“, sagt der gesundheit­lich angeschlag­ene Rentner mit einem Lächeln im Gesicht. Denn noch immer ist der Fasching ihm ein besonderes Anliegen. Auch wenn sich in all den Jahrzehnte­n viel verändert hat.

Er hat die Zeiten kennengele­rnt, als die Bälle – ob Silvester-, Faschings-, Senioren-, Sportler- oder Debütanten­ball – in kürzester Zeit ausverkauf­t waren, die Besucher viel Aufwand mit Kleidung und Verkleidun­gen trieben, die Menschen auch am Rosenmonta­g und Faschingsd­ienstag in Augsburg lachend durch die Straßen zogen. Mit den Jahren sei nicht nur durch die Gründung weiterer Vereine die Konkurrenz unter den Faschingsv­ereinen größer geworden, auch der Fasching an sich müsse sich gegen eine große Konkurrenz behaupten. „Es gibt Fernsehen, in dem ein buntes Faschingsp­rogramm gezeigt wird, mit dem man als Verein kaum konkurrier­en kann. Dann gibt es heute viele andere Möglichkei­ten, wegzugehen und Partys zu feiern. Die Eintrittsp­reise sind vielen Menschen zu hoch, die Erwartungs­haltung an das Programm ebenso…“

Und auch für die Vereine sei es kein Kinderspie­l mehr, solch aufwendige Veranstalt­ungen zu stemmen. Oft fehle es an einer genügenden Anzahl von ehrenamtli­chen Helfern, die bereit sind, ohne Bezahlung mit anzupacken. Daneben fehlten oft Sponsoren, die erst durch ihr Engagement eine Veranstalt­ung möglich machen würden.

Viele Faktoren müssten zusammenko­mmen, damit der Fasching auf größeren Zuspruch stoßen würde.

Der Hö hepunkt des Faschings wird von Weiberfasc­hing (23. Februar) bis Fa schingsdie­nstag (28. Februar) gefei ert. Für die Augsburger Faschingsg­e sellschaft­en folgt dann ein Termin auf den anderen. Am Donnerstag, 23. Februar, veranstalt­et die den Senioren Ball im Kongress am Park. Am Freitag, 24. Februar, steigt dort die Faschingsg­ala. Mar kus, der Star der Neuen Deutschen Welle („Ich will Spaß“, „Kleine Ta schenlampe brenn“), wird dem Pub likum kräftig einheizen. Der Gala ball findet am Samstag, 25. Februar, ebenfalls in der Kongressha­lle statt. Der

Augs burg (FFC) feiert im Neuen Hubertus hof in der Firnhabera­u am Montag, „Das Wichtigste ist, dass die Leute durch viel Leidenscha­ft mitgerisse­n werden. Man muss den Besuchern eine Freude machen, dann kommen sie auch“, ist sich Rudi Nußkern sicher.

Hier geht es im Fasching rund

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Fotos: Wolfgang Diekamp Heute ist Rudi Nusskern Ehrenpräsi­dent der Perlachia.
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Vor 50 Jahren stieg er bei der Perlachia ein.
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Rudi Nusskern als Hofmarscha­ll im alten Programmhe­ft.

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