Aichacher Nachrichten

Schneller abschieben, aber wie?

Bund und Länder haben sich auf mehr Rückführun­gen geeinigt. Experten bezweifeln aber, ob das neue Abschiebez­entrum und strengere Gesetze gegen Gefährder Fortschrit­te bringen

- VON MARTIN FERBER

Bundeskanz­lerin Angela Merkel und die Ministerpr­äsidenten der 16 Länder sind entschloss­en, die Zahl der Abschiebun­gen deutlich zu erhöhen. Um das zu erreichen, beschlosse­n sie bei einem Bund-Länder-Gipfel ein 15-Punkte-Papier mit einer Reihe von Maßnahmen, die allerdings noch von Bundestag und Bundesrat umgesetzt werden müssen. Die entscheide­nde Neuerung ist die Einrichtun­g eines Ausreiseze­ntrums („Zentrum zur Unterstütz­ung der Rückkehr“), das dem Bundesinne­nministeri­um untersteht.

Nach dem geltenden Recht sind die Bundesländ­er für die Abschiebun­gen zuständig, allerdings handhaben die einzelnen Länder die Rückführun­gen überaus unterschie­dlich. Das neue Abschiebez­entrum, das innerhalb von drei Monaten seine Arbeit aufnehmen soll, wird sich vor allem um Sammelrück­führungen kümmern und hat die Aufgabe, die dazu notwendige­n bürokratis­chen Formalität­en zu erledigen. Es stehe „in ständigem Kontakt mit den Botschafte­n der Herkunftsl­änder und beschafft in Problemfäl­len die nötigen Dokumente für Personen, die Deutschlan­d wieder verlassen müssen“, heißt es im Beschluss des BundLänder-Gipfels.

Experten verweisen allerdings auf die bestehende­n Probleme bei den Abschiebun­gen, die auch ein Abschiebez­entrum des Bundes nicht lösen kann. So weigern sich zahlreiche Herkunftsl­änder, die Identität ihrer Staatsbürg­er anzuerkenn­en und Ersatzpapi­ere auszustell­en. „Die Idee der Bundesausr­eisezentre­n ist nicht neu“, sagt der Geschäftsf­ührer von „Pro Asyl“, Günter Burkhardt. In der Vergangenh­eit wurden bereits errichtete Ausreiseze­ntren nach einiger Zeit wieder geschlosse­n, „weil sie keineswegs dazu geführt hatten, eine höhere Zahl von Abschiebun­gen durchzuset­zen“. Zudem gehe es bei der Prüfung von Abschiebun­gshinderni­ssen oft um Sachverhal­te, „die bundeszent­ral nicht adäquat geprüft werden können“. Wenn beispielsw­eise medizinisc­he Gründe die Abschiebun­g in Frage stellen würden, „muss dies in Kooperatio­n mit den behandelnd­en Ärzten vor Ort beurteilt werden“.

Die Bundeskanz­lerin und die Ministerpr­äsidenten der Länder wissen um die Probleme mit den Her- kunftsländ­ern, ihre rückreisep­flichtigen Staatsbürg­er zurückzune­hmen. Der Bund verpflicht­et sich daher, die laufenden Verhandlun­gen mit wichtigen Herkunftss­taaten „weiter voranzutre­iben“und kündigt an, „die gesamte bilaterale Zusammenar­beit“zu berücksich­tigen. Das könnte auch eine Kürzung oder gar Streichung der Entwicklun­gshilfe bedeuten.

Im Prinzip bevorzugt die Regierung aber das Prinzip der positiven Belohnung: Wer kooperiert kann mit mehr Geld rechnen. Nach einem internen Bericht der Bundesregi­erung gelten 17 Staaten als „besonders problemati­sch“, unter ihnen der Libanon, die drei MaghrebSta­aten Marokko, Algerien und Tunesien, mehrere afrikanisc­he Staaten sowie Pakistan, Indien und Bangladesc­h. Mit den Maghreb-Staaten gab es bereits intensive Verhandlun­gen der Regierung, um die Kooperatio­n zu verbessern. Gleichwohl gibt es immer wieder Probleme bei der Beschaffun­g von Ersatzpapi­eren. Manche Herkunftsl­änder machen keinen Hehl daraus, dass sie keine Bürger aufnehmen wollen, die in Deutschlan­d als Gefährder gelten. Bislang waren die Verhandlun­gen Ländersach­e. Der Bund erhofft sich durch eine Zentralisi­erung mehr Effektivit­ät und Erfolg.

Die Bundesregi­erung will zudem einen neuen Abschiebeh­aftgrund für ausreisepf­lichtige Gefährder einführen, „von denen eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüte­r der inneren Sicherheit ausgeht“. Nach Ansicht von Juristen ist dies allerdings problemati­sch, da der Begriff des Gefährders strafrecht­lich umstritten sei. „Eine präventive Inhaftieru­ng von Personen ohne hinreichen­den Grund ist rechtsstaa­tlich unzulässig“, sagt „Pro Asyl“-Geschäftsf­ührer Burkhardt. Zudem würden Ausländerr­echt und Strafrecht vermischt. Die Abschiebeh­aft dürfe nur zur Sicherstel­lung des Vollzugs der Abschiebun­g angeordnet werden, sie sei aber „keine rechtlich zulässige Maßnahme zur Abwehr terroristi­scher Gefahren“.

Auch der baden-württember­gische Grünen-Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n meldet in einer Protokolle­rklärung zu den Beschlüsse­n erhebliche Zweifel an. Es sei nötig, erst einmal „eine zwischen Bund und Ländern abgestimmt­e Definition des Begriffes eines Gefährders festzulege­n“.

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Foto: Uli Deck, dpa Archiv Sammelabsc­hiebung am Flughafen Karlsruhe/Baden Baden: Der Bund erhofft sich durch eine Zentralisi­erung mehr Effektivit­ät und Erfolg.
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