Falsche Fünfziger aus dem Internet
Ein Schüler forschte für seine Facharbeit und wurde schwach. Er ließ sich zehn „Blüten“liefern. Warum er vor Gericht glimpflich davonkam
In der Schule lernt man fürs Leben – dieser Merksatz wird jedem Pennäler eingebläut. Befasst sich dann ein Schüler tatsächlich ernsthaft mit der Lebenswirklichkeit und nicht nur mit theoretischen Schulbuchwahrheiten, kann dies schnell auf eine falsche Spur und zu fatalen juristischen Verwicklungen führen. Ein 17-Jähriger, der für eine Facharbeit intensiv im Internet über das sogenannte Darknet forschte, geriet auf die Seite von kriminellen Geldfälschern, konnte der Versuchung nicht widerstehen und ließ sich zehn nachgemachte „Fünfziger“per Post schicken. Wie die „Blüten“dann in Umlauf gerieten, ist eine mehr als kuriose Geschichte.
Im Darknet, zu deutsch: „dunkles Netz“, ist der Austausch von Informationen vollkommen anonymisiert, was naturgemäß auch Kriminelle wie Drogen- oder Waffenhändler anzieht und die Ermittlungen der Behörden erschwert. Bei seinen Recherchen für die Facharbeit stieß der Schüler in einem Darknetforum auf die Seite zweier Geldfälscher aus dem Raum Landshut, loggte sich unter dem Pseudonym „MrBlackHat“ein und wurde schwach, als ihm die äußerst günstigen Preise für gefälschte Banknoten mitgeteilt wurden. Eine nachgemachte 50-Euro-Blüte gab’s schon für zehn echte Euro. Ergo ließ er sich Anfang Januar 2016 auf dem Postweg zehn „Blüten“zuschicken.
Die falschen Fuffziger brachte er allerdings nicht selbst unter die Leute. Die Verteilung überließ er mit einem Trick seiner völlig ahnungslosen Mutter, was ihm freilich im Nachhinein mächtig Ärger in der Familie einbrachte. Er wusste, dass Mutter ein Kuvert mit Bargeld aus einer Erbschaft aufbewahrte. Heimlich tauschte er die falschen Scheine gegen echte aus. Diese Aktion führte freilich zu einem für die Mutter äußerst peinlichen Auftritt. Als sie zusammen mit der Schwester des Schülers in einem Drogeriemarkt einkaufte und mit einer 50-Euro-Note zahlte, entpuppte sich der Schein im Prüfgerät an der Kasse als „Blüte“. Die Mutter fiel aus allen Wolken.
Nach und nach ermittelte die Kriseine po allerdings den wahren Hintergrund. Wie die Falschgeldfahnder herausfanden, waren in Augsburg, von wem auch immer, insgesamt sieben falsche Fünfziger ausgegeben worden, die aus derselben Fälscherwerkstatt stammten.
Fast zeitgleich waren auch die beiden Geldfälscher aufgeflogen, ein Rumäne, 22, und ein Russe, 24. Beide hatten bei Landshut eine Garage gemietet, angeblich, um Fahrzeuge zu reparieren. Weil dem Vermieter bald der hohe Stromverbrauch auffiel und ständig Abfallsäcke mit Papierresten herumstanden, schaute er nach und machte eine überraschende Entdeckung: In der Garage befand sich eine ganze Fälscherwerkstatt mit Tintenstrahldruckern, speziellem Papier, Schneidegeräten und Chemikalien.
Falschgeldfahnder des Landeskriminalamtes in München beschlagnahmten dort „Blüten“im Nennwert von 3000 Euro und rund 200 Posteinlieferungsbelege. Die Geldfälscher hatten Kunden in ganz Deutschland, Holland, Österreich und der Schweiz beliefert. Ein Beleg passte auf die Blüten-Lieferung nach Augsburg.
Die Falsifikate waren von mittlerer Qualität und mit aufgeklebten Hologrammen versehen, die aus China stammten. Die beiden Blüten-Hersteller sind im Oktober 2016 vom Landgericht in Landshut zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Sie sollen mindestens 1600 Falsifikate an Kunden verschickt haben. Den Erlös verjubelten sie in Diskotheken, einer der Männer hatte sich auch einen teuren Lamborghini gemietet.
Weit glimpflichere Folgen hatte der Prozess gegen den wissensdurstigen Schüler (Verteidiger: Marco Müller) vor dem Augsburger Jugendgericht. Er gestand. Und weil er bislang eine blütenweiße Weste vorweisen konnte, kam er mit einem saftigen Denkzettel davon. Er muss für zwei Wochen in den Jugendarrest.