Aichacher Nachrichten

Vom Manuskript zum Buch

Martin Hielscher ist Lektor beim C.-H.-Beck-Verlag. Das ist für ihn kein Beruf, sondern eine eigene Lebensform

- VON JAKOB STADLER

Ein Schlagwort, das Martin Hielscher besonder häufig verwendet, lautet „Autorenpfl­ege“. Wenn der Lektor an einem Manuskript arbeitet, solle das „im Sinne des Textes und des Autors“sein. Für einen Familienbe­trieb wie den Beck-Verlag sei das besonders wichtig, denn: „Wir wollen Autoren behalten. Damit wir nicht nur ein Buch herausbrin­gen, sondern ein Werk.“Wer Literatur schreibt, verbringt viel Zeit alleine mit seinem Text, es sei eine einsame Arbeit. Gerade deswegen sei es entscheide­nd, eng mit den Autoren zu arbeiten. Sonst werben sie Konzernver­lage, die mit einem großen Vorschuss locken, nach dem ersten Erfolg ab. Ein „knallharte­s Geschäft“sei das, ein bisschen wie beim Fußball. „Nur die Summen sind ein paar Nullen geringer.“

Hielscher ist Lektor für Belletrist­ik beim C. H. Beck-Verlag. Das Unternehme­n, das vor allem für seine Sachbücher, insbesonde­re für juristisch­e Fachlitera­tur bekannt ist, verlegt seit 2002 auch gehobene zeitgenöss­ische Literatur. Die Bücher zeichne eine Sprache aus, „die nicht nur als Transportm­ittel dient“, erklärt Hielscher. Er spricht vor knapp 50 Zuhörern in der Augsburger Buchhandlu­ng Pustet. Auf dem Tisch vor ihm stehen einige der Bücher, die er lektoriert hat. Immer wieder nimmt er eines davon in die Hand, um auf etwas aufmerksam zu machen. „Euphoria“von Lily King. Für das größtentei­ls weiße Cover mit der blau-rot-gelben Blume, deren Blätter in die Schrift des Titels hineinrage­n, habe er viel Lob bekommen. Oder: „Alles Licht, das wir nicht sehen“von Anthony Doerr. Das Buch des Amerikaner­s war in den USA schon ein Riesenerfo­lg, Barack Obama hatte es öffentlich­keitswirks­am gekauft. In Deutschlan­d ignorierte­n es die Kritiker weitgehend. Hielschers Verlag reagierte mit einer „Trotzausga­be“, wie er es nennt. Er veränderte das Cover geringfügi­g, vergrößert­e die Schrift des Titels, machte es durch neue Farben auffällige­r. Von dem dunklen Einband des Buches hebt sich mittlerwei­le ein orangener Aufkleber ab. „Pulitzer Preis 2015“, steht darauf. Der Beck-Verlag hat etwa 60 000 Exemplare verkauft.

Ab 7000 bis 8000 verkauften Exemplaren rechne sich ein Buch, erklärt Beck. Ein Autor erhält etwa zehn Prozent des Nettopreis­es. Die erste Auflage eines unbekannte­n Autors liegt zwischen 3000 und 5000 – zuerst ist das also ein Verlustges­chäft. Dass der Verlag C.H. Beck ein solches Risiko eingeht, und nicht allein bei Sach- und Fachbücher­n bleibt, habe mit dem Selbstvers­tändnis des Unternehme­ns zu tun. „Man nennt es etwas hochgestoc­hen ,kulturelle­s Kapital‘.“

Eine von Hielschers Aufgaben ist es, die richtigen Autoren und Manuskript­e auszuwähle­n. Gerade ausländisc­he, zum Teil aber auch deutsche Autoren, lassen ihre Werke über Agenturen anbieten. Wenn ein Autor nicht über eine Agentur zum Verlag kommt, dann meist über das persönlich­e Netzwerk. Auch eine Menge ungefragt eingereich­ter Manuskript­e landen bei Hielscher, etwa zehn bis zwölf pro Tag. Die würden auch durchgeseh­en, aber: „Da kann ich allen von abraten, das ist nie das, was wir suchen“, sagt Hielscher.

Er lese immer etwa zehn Bücher gleichzeit­ig. Lektor sei ohnehin „kein Beruf, sondern eine Lebensform“. Die Arbeit an den Manuskript­en beschreibt er als teils qualvoll, zum Teil kämen er und der Autor aber in einen Flow. „Es gibt das perfekte Manuskript nicht“, sagt er, und: „Alles kann sich ändern.“Er habe einmal dazu geraten, besser mit dem zweiten Kapitel anzufangen, manchmal ändere sich auch der Schluss. „Ich habe auch einmal aus einem 600-Seiten Manuskript 150 Seiten sanft, chirurgisc­h entfernt.“Seine Aufgabe sei es, das zu sehen, was der Autor nicht mehr sehen kann. „Auch diese schönen Klappentex­te muss ich schreiben“, sagt Hielscher. Gar nicht so leicht. „Bringen Sie mal einen 400-SeitenRoma­n auf so einen Abschnitt, der auch noch Sinn macht.“Deutsche Autoren bekommen den Text vor Veröffentl­ichung zu Gesicht.

Ein spezielles Thema sind die Titel. „Es ist oft so, dass Autoren ehrlich gesagt keine guten Titel haben.“Das letzte Wort hat theoretisc­h der Verlag, aber ohne Zustimmung des Autors werde C. H. Beck keinen Titel festlegen. Auch hier gehe es um Vertrauen, ein Autor dürfe sich nicht unwohl fühlen.

 ?? Foto: Jakob Stadler ?? Martin Hielscher ist Lektor beim C. H. Beck Verlag. Er wählt die Manuskript­e aus, die verlegt werden sollen, und erarbeitet mit den Schriftste­llern gemeinsam die Druckfassu­ng. In Augsburg erzählte er von seinen Erfahrunge­n.
Foto: Jakob Stadler Martin Hielscher ist Lektor beim C. H. Beck Verlag. Er wählt die Manuskript­e aus, die verlegt werden sollen, und erarbeitet mit den Schriftste­llern gemeinsam die Druckfassu­ng. In Augsburg erzählte er von seinen Erfahrunge­n.

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