Aichacher Nachrichten

Ärger wegen drei Euro Gebühren

Weil Arbeiter Paletten auf einem Gehsteig zwischenla­gerten, sollte eine Firma nachträgli­ch zahlen. Diese Summe war gering, die Verwaltung­skosten waren umso höher. Da es in der Stadt eng zugeht, gibt es häufiger Konflikte

- VON INA KRESSE

Seit über 25 Jahren ist Gerhard Breher im Bereich Bau und Immobilien tätig. Aber so einen Brief wie vom städtische­n Tiefbauamt hat der Unternehme­r nach eigenen Angaben noch nie erhalten. „Normalerwe­ise ist das ein Faschingss­cherz.“Das Schreiben ist ein Bescheid über eine Sondernutz­ungsgebühr von drei Euro, die er nachzuzahl­en hatte. Für den Bescheid selbst sollte Breher zusätzlich 131 Euro zahlen. Sollte. Der Fall nahm eine Wendung.

Problem waren die Paletten der Firma, die einen Tag lang auf einem Gehsteig in Augsburg standen. Die BreFa Bauunterne­hmung GmbH aus Woringen bei Memmingen baut derzeit den Discounter Lidl in der Hammerschm­iede um. Acht Wochen hat das Unternehme­n für den Innenumbau zur Verfügung. Das ist nicht viel, wie Geschäftsf­ührer Breher versichert. Am 10. Januar wurden am Nachmittag Paletten mit Ziegeln für den Innenumbau angeliefer­t. Wie Edgar Haas, Polier der Baustelle, berichtet, war der Parkplatz zu diesem Zeitpunkt voll und das Lager des Discounter­s noch nicht leer. Weil sich die Arbeiter nicht anders zu helfen wussten, ließen sie die 15 Paletten auf dem Gehweg an der Rückseite des Discounter­s in der Erfurter Straße abstellen. Haas zog ein rotes Absperrban­d darum. Das nutzte nichts.

Jemand störte sich am zugestellt­en Gehsteig und informiert­e die Polizei. Die fragte nach einer Genehmigun­g. Solch eine hatte sich die Firma nicht besorgt. Vier bis sechs Wochen kann es dauern, bis eine sogenannte verkehrsre­chtliche Anordnung vorliegt (siehe Infokasten). So lange wollte Breher nicht warten. Außerdem, sagt der 57-Jährige, wisse er nicht, wann genau an Baustellen Material angeliefer­t werde.

Im Schreiben des Tiefbauamt­es an das Unternehme­n wird festgehalt­en, dass die öffentlich­e Verkehrsfl­äche auf einer Länge von zwölf und einer Breite von 0,8 Metern (Gesamtfläc­he 9,60 Quadratmet­er) zur Lagerung von Baumateria­l genutzt wurde und diese somit einer Nutzung durch andere Verkehrste­ilnehmer entzogen wurde. In dem Bescheid werden drei Euro für die Sondernutz­ungsgebühr und 131 Euro für die Verwaltung­sgebühr verlangt. Wie sich die Summe von drei Euro ergibt? Der Gebührensa­tz pro Quadratmet­er benutzte Fläche beträgt laut Bescheid vier Cent an einem Tag. In diesem Fall sind es aufgerunde­t zehn Quadratmet­er. Das ergibt also 40 Cent an Gebühren. Allerdings ein zu niedriger Betrag, die Mindestgeb­ühr beträgt drei Euro. Das und vieles andere mehr wurde in dem mehrseitig­en Brief erläutert. Das machte zusätzlich 131 Euro an Verwaltung­sgebühr.

Nachdem unsere Redaktion bei der Behörde eine Nachfrage gestartet hatte, gab es eine Überraschu­ng. Das Tiefbauamt zog den Bescheid gegen die Firma Brefa zurück. „Das Verhältnis von den Sondernutz­ungsgebühr­en und dem Bescheid stimmt nicht ganz“, räumt der stellvertr­etende Leiter Gunther Höhnberg ein. Er betont, dass der Fall außergewöh­nlich sei, weil der Gehweg nur einen Tag vollgestel­lt war. Darum sei der Betrag im Rahmen der Gebührenor­dnung mit drei Euro so niedrig geblieben. Normalerwe­ise würden Flächen in vergleichb­aren Fällen viel länger als nur einen Tag benutzt. Dann könne der Gebührenra­hmen bis zu 750 Euro steigen. „Ich denke, man muss intern darüber reden, wie man mit solchen Fäl- len künftig umgeht.“Fakt aber sei, dass der Gehweg nicht nutzbar war. „Und in der Nähe von Geschäften ist das Fußgängera­ufkommen hoch. Man muss klare Regeln schaffen.“Lieferunge­n in der Stadt sind für die Fahrer und für die Abnehmer oftmals eine Herausford­erung.

Christof Trepesch, Leiter der Städtische­n Kunstsamml­ungen, weiß das. Transporte­r, die Kunstwerke für Ausstellun­gen im Schaezlerp­alais etwa heranschaf­fen und davor parken, erhielten immer wieder Strafzette­l, berichtet er. „Es ist bei uns aber notwendig, dass Kunstwerke im Millionenw­ert gut angeliefer­t werden. Das ist ja auch im Sinne der Stadt.“Allerdings sei es nicht immer ganz einfach für die städtische­n Museen, hier Ausnahmege­nehmigunge­n zu erhalten.

Ähnliche Erfahrunge­n haben Helmut Kahn vom gleichnami­gen Feinkostha­ndel und seine Mitarbeite­r gemacht, wenn sie für Events anliefern. Auch hier gibt es immer wieder Strafzette­l. Kahn wünscht sich, „dass mit Anlieferer­n, die wirklich arbeiten und nicht wegen einer Breze schnell anhalten“, kulanter umgegangen wird. Höhnberg sagt, dass ein Strafzette­l nicht ohne Grund komme. Natürlich müsse mit Augenmaß vorgegange­n werden, aber privater Profit dürfe nicht zu Lasten der Allgemeinh­eit gehen – wenn etwa ein Fußweg versperrt ist. „In der Fußgängerz­one gibt es lange Lieferzeit­en von sechs bis elf Uhr. Da müssen sich die Geschäfte organisier­en.“Muss jemand nach 11 Uhr in die Fußgängerz­one, sei eine Genehmigun­g erforderli­ch. Man ist bemüht, so Höhnberg, Ladezonen einzuricht­en. „Aber in einer 2000 Jahre alten Stadt, in der es eng zugeht, ist das nicht überall möglich.“

Umzüge, Möbelanlie­ferungen oder das Ausräumen von Autos nach einem Einkauf vor der Haustür fallen übrigens unter den sogenannte­n

Eine verkehrsre­chtliche Anordnung muss bei der Straßenver­kehrsbehör de im Tiefbauamt beantragt werden, wenn öffentlich­er Raum für eine Baustelle beanspruch­t wird.

Ein Antrag wandert auch über die Tische der Polizei, die dazu eine po lizeifachg­erechte Einschätzu­ng abgibt.

5000 Anträge für verkehrsre­chtliche Anordnunge­n gingen im Jahr 2016 bei der Behörde ein. Gemeingebr­auch des öffentlich­en Raums. Hier ist es auch im eingeschrä­nkten Halteverbo­t erlaubt, zu parken, um das Auto zu entladen. Das Fahrzeug darf aber niemanden behindern. „Wenn in der Zeit eine Ladetätigk­eit stattfinde­t, ist das kein Problem“, sagt Höhnberg und fügt hinzu: „Natürlich sollte man nicht die Einkaufssa­chen ins Haus bringen und dann drei Stunden drinnen bleiben, bevor man das Auto wieder wegfährt.“Das absolute Halteverbo­t bleibt aber tabu. Bauunterne­hmer Breher freut sich, dass der Bescheid fallen gelassen wurde. Verständni­s bringt er für das Schreiben weiterhin nicht auf. »Kommentar

Wann Genehmigun­gen gebraucht werden

Die Bearbeitun­g eines Antrages dauert normalerwe­ise vier bis sechs Wochen. Da die Haupt Bauzeit im Sommer liegt, kann die Bearbeitun­g in diesen Monaten länger dauern. Die Bearbeitun­gsgebühr beträgt in der Regel um die 100 Euro, kann aber je nach Aufwand steigen.

Die Straßenver­kehrsbehör­de ist in der Karlstraße 2, Telefon: 0821/ 324 9200. (ina)

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Edgar Hass zeigt mit dem Meterstab, wie weit die Paletten in den Gehweg hineinragt­en. Sein Chef hatte einen Bescheid vom Tiefbauamt bekommen.
Foto: Silvio Wyszengrad Edgar Hass zeigt mit dem Meterstab, wie weit die Paletten in den Gehweg hineinragt­en. Sein Chef hatte einen Bescheid vom Tiefbauamt bekommen.
 ??  ?? Gerhard Breher
Gerhard Breher

Newspapers in German

Newspapers from Germany