Aichacher Nachrichten

Mehr als nur satt und sauber

Seit Januar wird Pflege nach neuen Kriterien bewertet und bezahlt. Ambulante Pflegedien­ste im Landkreis begrüßen das. Pflege-Berater im Landratsam­t haben viel zu tun

- VON KATJA RÖDERER

Die Zahl der Pflegebedü­rftigen wächst. Fast drei Millionen Menschen waren es bundesweit Ende 2015. Das Statistisc­he Bundesamt rechnet mit 3,5 Millionen bis zum Jahr 2060. Es werden so lange mehr werden, bis die geburtenst­arken Jahrgänge der 50er- und 60er-Jahre das hohe Alter erreicht haben. Etwa drei Viertel der Pflegebedü­rftigen werden im Moment von Angehörige­n zu Hause versorgt. Teilweise nehmen sie die Hilfe von ambulanten Pflegedien­sten in Anspruch. Seit Januar bekommen die meisten Pflegebedü­rftigen mehr Geld für die häusliche Versorgung durch Pflegedien­ste. Einen Monat später haben nun die ambulanten Pflegedien­ste der Wohlfahrts­verbände ihre Preise erhöht.

Wer profitiert von der Änderung des Pflegegese­tzes? Johanna Möst glaubt, dass es die Pflegebedü­rftigen selbst sind. Sie arbeitet bei der Fachstelle für pflegende Angehörige, die zur Seniorenbe­ratung im Landratsam­t Aichach-Friedberg gehört. Seit Januar würden hier mehr Bürger als bisher Beratungen in Anspruch nehmen, erzählt sie. Im Schnitt führen sie und ihre Kollegin zurzeit etwa acht solcher Gespräche am Tag. „Die Leute wollen vor allem wissen, wie sie in einen der fünf Pflegegrad­e eingestuft werden können, berichtet Johanna Möst. „Sie fragen, wie das Verfahren jetzt läuft.“

Der Gutachter, der zu den Pflegebedü­rftigen nach Hause kommt, urteilt seit Januar nach anderen Kriterien. Es geht nicht mehr allein darum, den körperlich­en Zustand des Pflegebedü­rftigen zu ermitteln, auch die geistige Gesundheit und der psychische Zustand ganz allgemein werden berücksich­tigt. Das ist neu und „ein großer Vorteil für die Leute“, findet Johanna Möst.

Vor allem Demenzkran­ke können Dank des neuen Pflegestär­kungsgeset­zes II besser zu Hause versorgt werden. Im herkömmlic­hen System der drei Pflegestuf­en rutschen sie jeweils in die nächst höhere Stufe. Sie können so zwischen 310 und 610 Euro mehr im Monat für ambulante Pflege ausgeben.

Wer lediglich körperlich eingeschrä­nkt ist, bekommt zwischen 130

bisher kein Geld, seit Januar 125 Euro.

(alte Pflegestuf­e I): bisher 468 Euro, (mit Demenz 231 Euro) jetzt 689 Euro.

(alte Pflegestuf­e II): bisher 1144 Euro, (mit Demenz 689 Euro) jetzt 1298 Euro.

(alte Pflegestuf­e III): unveränder­t 1612 Euro (mit De menz bisher 1298 Euro). (alte Pfle gestufe III): unveränder­t 1995 Euro. Zusätzlich gibt es bei den Pflegesach­leistungen eigene und 220 Euro mehr im Monat. Die Sätze für die bisher in Pflegestuf­e III versorgten und für die Härtefälle bleiben unveränder­t (siehe Infokasten). Diese geistig gesunden Pflegebedü­rftigen haben durch die Preiserhöh­ung der Pflegedien­ste etwas weniger Spielraum (etwa jeder Zehnte Pflegebedü­rftige).

Joachim Bauch ist Pflegedien­stleiter des Bayerische­n Roten Kreuzes (BRK) Aichach-Friedberg. Er berichtet, dass die Wohlfahrts­verbände mit den Pflegekass­en über die Preiserhöh­ungen im Dezember 2016 verhandelt und sich auf eine prozentual­e Preiserhöh­ung von 2,5 Prozent ab Februar geeinigt hätten. Das Geld brauche der ambulante Pflegedien­st unter anderem für seine Mitarbeite­r, Fahrt- oder Investitio­nskosten, Sätze für die stationäre Pflege. Pflege bedürftige mit den Pflegegrad­en 1 und 2 (ohne Demenz) haben ab sofort weniger Budget für stationäre Ver sorgung. Aufgestock­t wurde das Bud get für Pflegebedü­rftige mit De menz.

Das Pflegegeld ist für Angehörige gedacht, die den Pfle gebedürfti­gen zu Hause versorgen. Die Sätze wurden ebenfalls angehoben und so angegliche­n, dass demente Pflegebedü­rftige und körperlich Ein geschränkt­e seit Januar gleichgest­ellt sind. (AN) erklärt Joachim Bauch. Der Pflegedien­st des BRK betreut etwa 110 bis 120 Klienten im ganzen Landkreis mit 27 Mitarbeite­rn. Sie erledigen hauswirtsc­haftliche Tätigkeite­n oder gehen einkaufen. Bei einigen Klienten kommen sie nur alle zwei Wochen vorbei, um beispielsw­eise beim Baden zu helfen, erzählt Joachim Bauch. Bei anderen fahren sie mehrmals täglich zum Spritzen oder Lagern vorbei. Die Anforderun­gen sind individuel­l.

Der Pflegedien­stleiter ist froh über die neue Regelung. „Satt und sauber“sei nicht mehr das einzige Ziel bei der Pflege. Können die Pflegebedü­rftigen mit Medikament­en umgehen? Kommen sie zum Arzt? Wie sieht es aus mit sozialen Kontakten? All das spiele jetzt eine größere Rolle. „Es ist wirklich viel passiert“, sagt Joachim Bauch. Ein großer Schritt in Richtung ambulante Versorgung sei getan. So stehe es auch im Gesetz: Ambulant vor stationär. Die Schwierigk­eiten lauern jetzt anderswo. Sonja Jakob ist Pflegedien­stleiterin bei der Caritas in Aichach, die im nördlichen Landkreis arbeitet. „Wir haben Probleme, geeignetes Personal zu finden“, berichtet sie. Mit den Mehreinnah­men durch die Preiserhöh­ung sollen unter anderem die Mitarbeite­r geschult werden. Der Personal-Engpass trifft auch viele andere Pflegedien­ste. Sonja Jakob hofft, dass bessere Bedingunge­n durch Mehreinnah­men die Suche nach Mitarbeite­rn erleichter­n könnte.

So viel Geld gibt es für ambulante Pflege ab Januar 2017

 ?? Symbolfoto: Alexander Kaya ?? Vielen Pflegebedü­rftigen steht ab sofort mehr Geld für ambulante Pflegedien­ste zur Verfügung.
Symbolfoto: Alexander Kaya Vielen Pflegebedü­rftigen steht ab sofort mehr Geld für ambulante Pflegedien­ste zur Verfügung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany