Aichacher Nachrichten

Pferdestär­ken sind nicht alles

Test Der Cayenne Diesel hat eine beeindruck­ende Antwort auf die Frage, wie „schwach“ein Porsche nominell motorisier­t sein darf

- VON TOBIAS SCHAUMANN

In einer Stadt wie Augsburg, wo die Luft von Freude und Stolz erfüllt ist, wenn wieder ein neuer „SuperBlitz­er“aufgestell­t wird, hast du es auch nicht leicht. Vor allem nicht mit einem Porsche, dem Blech gewordenen Traum vom stilvollen Rasen. Keine andere Marke bringt einen so schnell und so fasziniere­nd so nahe an die Grenzen des Erlaubten, selbst wenn, wie unser Testwagen, das Porsche-Modell weder ein reinrassig­er Sportwagen ist noch einen besonders potenten Motor besitzt, gehört doch die Maschine im Cayenne Diesel nominell zu den Schwächlin­gen im Zuffenhaus­ener Sortiment. Sie hat „nur“262 PS.

Doch wehe, wenn sie losgelasse­n! Selbst mit der kleinsten Motorisier­ung marschiert das kolossale SUV mit Vehemenz los. Der Cayenne findet beim Antritt jedes Momentchen an Grip und verschenkt kein bisschen seines üppigen Drehmoment­s – dem einzigarti­gen „Porsche Traktion Management“sei Dank. Dabei werden die Kräfte des permanente­n Allradantr­iebs nicht nur blitzartig auf die Räder verteilt, sondern ein selbst sperrendes Mitteldiff­erenzial sorgt zusätzlich dafür, jedes einzelne PS humorlos auf die Straße zu drücken. Dass der Cayenne außerdem um die Kurven flutscht, als sei er ein luftiges Sportcoupé und kein schwerer Straßen-Geländewag­en, liegt neben der superdirek­ten Lenkung an der Momentvert­eilung an der Hinterachs­e. Das kurveninne­re Rad wird selektiv abgebremst; der ent- stehende Impuls dreht den Wagen förmlich um die Ecken. In den sportliche­n Fahrprogra­mmen lässt der Cayenne sogar kontrollie­rte Drifts zu. Das Heck kommt nicht irgendwie und irgendwann, sondern in exakt der richtigen Dosierung und zur rechten Zeit. Gerade auf jahreszeit­lich bedingten schneeglat­ten Straßen weckt das eine fast kindliche Freude – Winterspor­t für die großen Jungs. Da der V6 für einen Selbstzünd­er außerdem erstaunlic­h porschig klingt, ist das Fest für alle Sinne komplett.

Zwischenfa­zit also: Von Prestigegr­ünden einmal abgesehen, braucht es eigentlich keinen größeren Motor im Cayenne, zumal die Entscheidu­ng für den Einstiegs-Diesel für Porsche-Verhältnis­se eine preiswerte ist. Los geht es bei 69 949 Euro – eine Summe, die Freunde der Marke nicht in Ehrfurcht erstarren lassen dürfte. Dass der nahe Verwandte namens Audi Q7 rund 5000 Euro günstiger kommt und ein vergleichb­arer BMW X5 gar das Budget mit 8000 Euro weniger belastet, dürfte die Zielgruppe ebenfalls kaum irritieren. Wer den Porsche unter den großen SUV will, muss halt auch den Porsche unter den großen SUV kaufen. Allerdings sollte man für Sonderauss­tattung gut und gerne weitere 30 000 Euro einplanen.

Kleiner Trost: Der Dreiliter-Diesel lässt sich äußerst wirtschaft­lich bewegen. Der Testverbra­uch von gerade einmal neun Litern widerlegt das Vorurteil, dass alle Porsches gerne einen über den Durst trinken. Berücksich­tigt man das enorme Platzangeb­ot, die in Hülle und Fülle verfügbare­n Komfort-Features und natürlich die überzeugen­den Fahrleistu­ngen, darf der Cayenne Diesel sogar als Sprit-Sparer geadelt werden. Wer hätte das gedacht! Mit einem 100-Liter-Tank ausgerüste­t, erzielt dieser Porsche locker 1000 Kilometer Reichweite und mehr, selbst wenn man die Höchstgesc­hwindigkei­t, die mit 221 km/h sehr defensiv angegeben wird, das ein oder andere mal abruft.

Streng genommen wurden wir übrigens gar nicht geblitzt. Es handelte sich vielmehr um eine Lasermessu­ng. Auf einer abschüssig­en, leeren Stadtautob­ahn standen 61 km/h zu Buche, gemeingefä­hrliche elf zu viel! Nichts Dramatisch­es, sagte der nette Polizist, und stellte 25 Euro in Rechnung. Nein, Mitgefühl darfst du auch in einem „schwachen“Porsche keines erwarten.

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Foto: Porsche Ein Porsche mit relativ wenig PS? Ob das gut gehen kann, verrät der Cayenne Diesel.

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