Liebesgrüße Aichach aus
Seit der Digitalisierung geraten die guten alten Postkarten immer mehr in Vergessenheit. Wo sie im Landkreis Aichach-Friedberg noch zu finden sind und was sie zeigen. Zum Beispiel ein Rathaus und den Auerturm
Sie sind Überbleibsel aus analogen Tagen: Postkarten. Denn wer schickt heute noch Grüße per Post, wenn es per Handy einfacher und vor allem schneller geht?
Familie Guthmann aus Friedberg trotzt diesem Trend. Sie verschickt gerne und regelmäßig Postkarten aus dem Urlaub: „Aber vorwiegend aus Deutschland wie dem Bayerischen Wald, weil die Kinder noch recht klein sind“, erklärt die zweifache Mutter Martina. Die Kinder, acht und elf Jahre alt, bemalen und beschreiben die Postkarten selbst. Die individuell gestalteten Grüße gehen an Klassenkameraden, die Großeltern oder einfach an Freunde der Familie.
Ähnlich handhabt es Maria-Luisa Siegthaler. Die Studentin ist viel unterwegs. Ob Portugal, Vietnam oder Timbuktu – die 26-Jährige hat schon viel von der Welt gesehen. Dabei sei es ihr wichtig, nie zweimal dasselbe Land bereist zu haben. „Ich brauche die Abwechslung“, betont sie. Überall mit dabei ist ihre Polaroidkamera, pinkfarben mit Einhörnern. Ein Geschenk von ihrem Freund. Ihre Abenteuer, die Menschen, die sie kennenlernt oder die kulinarischen Besonderheiten hält sie auf Sofortbildern fest. Ab und an verschickt sie diese Momente an ihre Freunde. „Ein bisschen old fashioned“, findet sie das. Und deshalb cool. Was auf ihrer letzten Postkarte zu sehen war? Frittierte Insekten. „Ungewöhnlich, ich weiß“, gibt sie zu und lacht. „Das wollte ich meiner besten Freundin aber nicht vorenthalten.“Ob sie schon einmal ein Bild aus ihrer Heimat Friedberg verschickt habe? Nein. „Es wäre aber auf jeden Fall eine Überlegung wert.“
Auch Gertrud Liebemann hat eine Leidenschaft für die veralteten aber hübschen Bilder mit Grußoption. „Ich muss gestehen, dass ich inzwischen zu einer Sammlerin geworden bin.“Allerdings eher mit nostalgischem Augenzwinkern, betont die Augsburgerin. An wen sich ihre Worte richten? An Roland, ihren Mann. Die 61-Jährige verlässt die schwäbische Heimat des Öfteren, um unter der Sonne Mallorcas auszuspannen. Dagegen bevorzuge Ehemann Roland sein Augsburger Schloss, wie er das Reihenhaus der Familie nennt. Um ihre Auslandserfahrungen dennoch mit ihm teilen zu können, bekommt Roland Liebesgrüße aus Palma.
Dabei können nicht nur der Bayerische Wald, die Baleareninsel oder der Ferne Osten mit idyllischen Kulissen aufwarten. Auch der Landkreis präsentiert sich mit Motiven, die es zu verschicken lohnt: Friedberg etwa hat das Rathaus, die Stadtmauer oder das Schloss.
Kulturamtsleiter Frank Büschel hat sich mit den Postkartenbeständen des Stadtarchivs vertraut gemacht: Das älteste Exemplar, das sich als Abdruck in einem Buch des Archivs befindet, sei im Jahr 1894 verlegt worden und befinde sich in privaten Händen, so der Pressesprecher. „Es gibt aber Hinweise darauf, dass es wohl auch schon vor 1894 eine Postkarte von Friedberg gab.“
Heute liegen in den Räumen des Bürgerbüros mehrere Stapel aus mit insgesamt neun unterschiedlichen Friedberger Motiven. Darunter Stadtansichten oder Bilder der Friedberger Zeit. „Jährlich finden 400 Postkarten im Rathaus ihre Abnehmer“, sagt Büschel.
Auch im Schreibwarenladen Gerblinger stehen verschiedene Postkarten zum Verkauf. Dennoch hätten einige Friedberger im letzten Jahr weihnachtliche Ansichtskarten schwerlich vermisst, heißt es vonseiten einer Mitarbeiterin. Ob es denn eine sehr beliebte Karte gäbe? Nein. Obwohl, doch. Eine Postkarte mit dem Wittelsbacher Schloss, handgezeichnet. Von wem die Karte stamme, wer sie kreiert habe, sei allerdings unklar: „Die Exemplare haben wir allesamt vom Vorgänger übernommen“, erklärt die Mitarbeiterin.
Aber nicht nur Friedberg, sondern der gesamte Landkreis grüßt nach wie vor postalisch. Bei Schreibwaren Hummel in Mering kann man den Marktplatz oder die Franziskanerkirche frankieren lassen. Außerdem den legendären Sperlingsbrunnen, aus dem früher Bier geflossen sei, wie es heißt.
Kissing präsentiert sich vor allem mit einem Exemplar, auf dem mehrere Ortseindrücke abgebildet sind. „Diese Karte wurde privat angefertigt und kommt sowohl bei Touristen als auch bei Einheimischen gut an“, erklärt Rudolf Kandler vom gleichnamigen Schreibwarengeschäft. Darauf zu sehen seien unter anderem die Bahnhofsallee, ein Neubaugebiet, eine Kapelle und die Paar. Allerdings gäbe es hierbei ein Problem: „Wenn diese Karten ausverkauft sind, wird es vorerst keine mehr geben“, so der Inhaber.
Dagegen bietet Aichach à la carte die beiden Stadttore, das SisiSchloss und auch Motivkombinationen an – inklusive einer Abbildung des Rathauses, des Paar-Wanderwegs und des Auerturms. Ob es hier einen Favoriten gibt? „Nein“, sagt Alexandra Bender von Buch und Schreibwaren Mayer. „Das ist Geschmackssache.“Unterdessen ist Gertrud Liebemann unterwegs nach Dasing, um eine Freundin zu besuchen. „Die feiert heute ihren 60. Geburtstag“, erklärt die Augsburgerin. Ein Anlass, ihrem Mann Roland einmal Liebesgrüße aus Dasing zu schicken? „Wahrscheinlich“, sagt sie schmunzelnd. „Aber dann sicher per Handy.“