Schritte hinaus aus der Stille
Wer um einen lieben Menschen trauert, kommt schnell an seine Grenzen. Das St.-Afra-Hospiz hilft mit einer Wanderung
Kälte, Schmerz oder Erstarrung sind Gefühle, die Trauernde wohl gut kennen. Mit dem Angebot „In der Trauer gehen“bietet das St.-Afra-Hospiz Aichach des KreisCaritasverbandes Trauernden die Möglichkeit, bei Wanderungen in der Gruppe im Aichacher Umland mit ihrem Schmerz umzugehen.
Bei der ersten von vier Wanderungen in diesem Jahr sind Kälte und Erstarrung dabei in ganz anderer Hinsicht ein Thema. Es ist nur eine kleine Gruppe, die sich an diesem Samstag im ersten Stock des St.Afra-Hospizes trifft. Einige der Teilnehmer gehen schon seit Jahren bei den Wanderungen mit, andere sind das erste Mal dabei. Eine 77-Jährige aus dem Raum Schrobenhausen ist fast immer dabei. Vor zehn Jahren habe sie ihren Mann verloren, erzählt sie. Mit Betroffenen zu sprechen, tue ihr gut: „Die Gespräche sind einfach offener als bei jemandem, der das nicht mitgemacht hat.“
Für eine andere Teilnehmerin ist gerade der Samstag ein schlimmer Tag. Vor rund einem halben Jahr starb ihr Mann an einem Samstag. Diese schmerzliche Erinnerung verbindet sie seitdem mit diesem Wochentag. Die Wanderung ist eine Möglichkeit, den Tag anders zu gestalten, auf andere Gedanken zu kommen. Für einen Teilnehmer aus dem Raum Pöttmes ist der Vormittag eine Gelegenheit, lächeln zu können, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. „Draußen ist das eher anders“, sagt er.
Petra Gardum, Hospiz- und Trauerbegleiterin beim St.-AfraHospiz Aichach, gestaltet mit Gisela Staudacher die rund dreistündige Wanderung. Diese behandelt symbolisch an vielen Punkten das Thema Trauer. Das zentrale Thema des inzwischen fünften Zyklus’ sind die Gefühle in der Trauer und die dahinter liegenden Bedürfnisse. Der Gedanke sei, Raum zu geben für die Trauer, aber eben auch ins Positive zu gehen, so Gardum.
Die 51-Jährige hat zwar ein Konzept vorbereitet, weicht aber auch gerne davon ab, wenn sie merkt, dass die Gruppe etwas anderes braucht. Den Teilnehmern selbst steht es frei, ob sie sich bei Meditation, Momenten der Stille oder Gedankenanstößen zum Thema Trauer ausklinken wollen. „Gut für sich selbst zu sorgen“legt die Trauerbegleiterin allen ans Herz.
Eine Geh-Meditation, bei der alle ruhigen Schrittes und gleichmäßig atmend gehen, bringt eine Teilnehmerin schnell an ihre Grenzen. Sie kann diese Stille fast nicht aushalten, fühlt sich an eine Begräbnisprozession erinnert. „Ich würde am liebsten schreien“, sagt sie. Als Ausweg sucht sie das Gespräch mit einer anderen Teilnehmerin und kann so die Zeit bis zum Ende der Meditation überbrücken.
Geht am Anfang noch jeder eher schweigend bei der Wanderung mit, entwickeln sich bald erste Gespräche. Die Themen sind vielfältig. Es geht dabei um Tod und Trauer sowie persönliche Erlebnisse. Aber auch über ganz Alltägliches wie das Wetter, Reisen oder Eindrücke am Wegesrand wird gesprochen.
Der Weg, den Gardum ausgesucht hat, führt mal über Stock und Stein, mal über Waldwege. Letztere sind eine besondere Herausforderung, denn sie sind teilweise gefroren und dann oft spiegelglatt. Die Teilnehmer helfen sich gegenseitig über die schwierigen Passagen hinweg. Der Weg mit seinen unterschiedlichen Herausforderungen steht symbolisch für den Weg der Trauer. Auch Kälte und Erstarrung, in Form von gefrorenen Wegen, gehören dazu. Die Teilnehmer sehen es positiv. Sie freuen sich auf die nächste Wanderung im Mai, wenn sie den gleichen Weg bei anderen äußeren Bedingungen gehen.
Die Wanderung ist eine Möglichkeit, den Tag anders zu gestalten, auf andere Gedanken zu kommen