Die Trump Strategie der beiden deutschen Top Ökonomen
Welche Gefahren Fuest und Fratzscher in der Wirtschaftspolitik des Präsidenten sehen. Aber nicht nur Amerika macht ihnen Sorgen
Mancher kann den Namen sicher nicht mehr hören. Trump, Trump und wieder Trump. Wahrscheinlich vergeht kaum ein Stammtisch-Abend in der Republik, ohne dass nicht zumindest einmal das T-Wort fällt. Wirtschaftswissenschaftler, deren Job es ist, zu prognostizieren, wie sich Wachstum und Inflation entwickeln, kommen nicht ohne den T-Faktor aus. Doch der T-Faktor ist auch ein C-Faktor, ein Chaos-Faktor, was Experten das Handwerk besonders schwer macht.
Insofern ist es spannend zu beobachten, wie sich die beiden führenden deutschen Ökonomen, Clemens Fuest und Marcel Fratzscher, dem Thema stellen. Am Donnerstag treffen sie beim 43. Augsburger Konjunkturgespräch, einer Veranstaltung von Universität sowie schwäbischer Industrie- und Handelskammer aufeinander. Beide sind Fernseh-Dauergäste. Beide profitieren davon, dass Bürger angesichts von Brexit, Trump und Euro-Krise einen immer größeren Erklärungsbedarf haben. Beide sind vergleichsweise jung und ehrgeizig.
Der eine, Fuest, Jahrgang 1968, leitet als Nachfolger des Über-Öko- nomen Hans-Werner Sinn das Münchner Ifo-Institut. Der andere, Fratzscher, Jahrgang 1971, steht an der Spitze des ebenso renommierten Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.
Wie sein immer noch omnipräsent wirkender Vorgänger Sinn reift Fuest immer mehr als Kritiker des Zustands der europäischen Währungsgemeinschaft heran. Mit Johannes Becker hat der Ifo-Chef ein interessantes Buch („Der OdysseusKomplex“) geschrieben. Darin erklären die Autoren, was der Euro mit der griechischen Mythologie zu tun hat. Wie Odysseus dem Klang der Sirenen, so haben Euro-Mitgliedsstaaten der Schuldensucht zu widerstehen. Doch das klappt bekanntlich nicht so recht, wie das Beispiel Italien abschreckend zeigt.
Fratzscher wiederum stellt in seinem heftig diskutierten Buch „Verteilungskampf“die These auf, Deutschland würde immer ungleicher. Die mangelnde Chancengleichheit fördere ein großes Unbehagen in der deutschen Bevölkerung. In Augsburg trifft Fratzscher eine noch drastischere Diagnose für die USA. Denn dort hätten „die unteren 40 Prozent der Bevölkerung praktisch keinen Anteil am Nettovermögen des Landes“. Eine verblüffende Erkenntnis, wird der Anteil dieser Schicht am US-BesitzKuchen in Umfragen doch auf immerhin fünf bis zehn Prozent geschätzt. Für den Ökonomen ist damit „der amerikanische Traum gescheitert“. Denn immer mehr Menschen aus der Mittelschicht glaubten, sie schafften es nicht, ihr Einkommensniveau zu halten.
Nach der Fratzscher-Diagnose haben vor allem Menschen mit Abstiegsängsten Trump gewählt. Am Ende sei das Wahlergebnis das Resultat eines sozialen Konflikts. Der Wissenschaftler glaubt, dass der Brexit, also der Austritt Großbritan- niens aus dem Euro, auf ähnlichem sozialen Humus gediehen sei. Fratzscher beobachtet in England eine gefühlte Ungleichheit. Auf alle Fälle glaubt er, die Phase der Hyper-Globalisierung, also des extrem starken weltweiten Austausches von Waren, gehe dem Ende entgegen. Darunter würde das Exportrekord-Land Deutschland besonders leiden. So sorgt sich Fratzscher um die drei „P’s“, Populismus, Protektionismus und Paralyse. Letzteres wäre brandgefährlich, stünden am Ende doch gelähmte Gesellschaften.
Also was tun? Abwarten, bis Trump & Co. ihre Horror-Programme umsetzen oder schon jetzt mächtig dagegen halten? Der Linken-Politiker Gregor Gysi empfiehlt: „Wenn Du Respekt haben willst bei Trump, musst Du rotzfrech auftreten.“Fuest hält davon nichts. Ökonomen seien dazu da, „die Temperatur runter zu kühlen“. Als Kühlmittel empfiehlt der IfoChef Fakten, Fakten, Fakten. „Sonst würden wir Wirtschaftswissenschaftler ja uns selbst abschaffen“, meint er ironisch. Ansonsten rät Fuest deutschen Politikern, sich nicht auf den Stil Trumps einzulassen und entspannt zu bleiben.
Das mit der Lässigkeit gegenüber Populisten klappt beim Ifo-Präsident aber nicht immer. Nachdem Fuest mit seinen Prognosen bei Brexit und Trump daneben lag, schaut er mit Sorge auf die Präsidentenwahl in Frankreich und einen möglichen Wahlsieg der rechtsextremen Politikerin Marine Le Pen.
Fuest treibt zudem die Angst um, Populisten könnten in Form der Fünf-Sterne-Bewegung die Macht in Rom erobern. Am Ende gesellt sich zum T-Faktor ein „I“mit drei Ausrufezeichen. Beide Top-Ökonomen sehen Italien mit seinen kriselnden Banken, die auf Unmengen fauler Kredite sitzen, für Deutschland als ebenso gefährlich an wie Trumps Drohungen mit Zöllen. Fuest sagt: „Das Hauptproblem der Euro-Zone ist Italien.“Das durchschnittliche Einkommen der Bürger des Landes und damit die Zustimmung für Europa sei gesunken. Kein gutes Omen für eine Zeit mit einem Wüterich in Washington.
Dabei setzt Fratzscher als AntiTrump-Strategie auf ein Europa, das angesichts der US-Kampfansage an den Freihandel enger zusammenrückt. Der Ökonom muss ein großer Optimist sein, glaubt er doch, dass Europa in zwei, drei Jahren gestärkt nach außen auftritt.