Aichacher Nachrichten

Die Trump Strategie der beiden deutschen Top Ökonomen

Welche Gefahren Fuest und Fratzscher in der Wirtschaft­spolitik des Präsidente­n sehen. Aber nicht nur Amerika macht ihnen Sorgen

- VON STEFAN STAHL

Mancher kann den Namen sicher nicht mehr hören. Trump, Trump und wieder Trump. Wahrschein­lich vergeht kaum ein Stammtisch-Abend in der Republik, ohne dass nicht zumindest einmal das T-Wort fällt. Wirtschaft­swissensch­aftler, deren Job es ist, zu prognostiz­ieren, wie sich Wachstum und Inflation entwickeln, kommen nicht ohne den T-Faktor aus. Doch der T-Faktor ist auch ein C-Faktor, ein Chaos-Faktor, was Experten das Handwerk besonders schwer macht.

Insofern ist es spannend zu beobachten, wie sich die beiden führenden deutschen Ökonomen, Clemens Fuest und Marcel Fratzscher, dem Thema stellen. Am Donnerstag treffen sie beim 43. Augsburger Konjunktur­gespräch, einer Veranstalt­ung von Universitä­t sowie schwäbisch­er Industrie- und Handelskam­mer aufeinande­r. Beide sind Fernseh-Dauergäste. Beide profitiere­n davon, dass Bürger angesichts von Brexit, Trump und Euro-Krise einen immer größeren Erklärungs­bedarf haben. Beide sind vergleichs­weise jung und ehrgeizig.

Der eine, Fuest, Jahrgang 1968, leitet als Nachfolger des Über-Öko- nomen Hans-Werner Sinn das Münchner Ifo-Institut. Der andere, Fratzscher, Jahrgang 1971, steht an der Spitze des ebenso renommiert­en Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW) in Berlin.

Wie sein immer noch omnipräsen­t wirkender Vorgänger Sinn reift Fuest immer mehr als Kritiker des Zustands der europäisch­en Währungsge­meinschaft heran. Mit Johannes Becker hat der Ifo-Chef ein interessan­tes Buch („Der OdysseusKo­mplex“) geschriebe­n. Darin erklären die Autoren, was der Euro mit der griechisch­en Mythologie zu tun hat. Wie Odysseus dem Klang der Sirenen, so haben Euro-Mitgliedss­taaten der Schuldensu­cht zu widerstehe­n. Doch das klappt bekanntlic­h nicht so recht, wie das Beispiel Italien abschrecke­nd zeigt.

Fratzscher wiederum stellt in seinem heftig diskutiert­en Buch „Verteilung­skampf“die These auf, Deutschlan­d würde immer ungleicher. Die mangelnde Chancengle­ichheit fördere ein großes Unbehagen in der deutschen Bevölkerun­g. In Augsburg trifft Fratzscher eine noch drastische­re Diagnose für die USA. Denn dort hätten „die unteren 40 Prozent der Bevölkerun­g praktisch keinen Anteil am Nettovermö­gen des Landes“. Eine verblüffen­de Erkenntnis, wird der Anteil dieser Schicht am US-BesitzKuch­en in Umfragen doch auf immerhin fünf bis zehn Prozent geschätzt. Für den Ökonomen ist damit „der amerikanis­che Traum gescheiter­t“. Denn immer mehr Menschen aus der Mittelschi­cht glaubten, sie schafften es nicht, ihr Einkommens­niveau zu halten.

Nach der Fratzscher-Diagnose haben vor allem Menschen mit Abstiegsän­gsten Trump gewählt. Am Ende sei das Wahlergebn­is das Resultat eines sozialen Konflikts. Der Wissenscha­ftler glaubt, dass der Brexit, also der Austritt Großbritan- niens aus dem Euro, auf ähnlichem sozialen Humus gediehen sei. Fratzscher beobachtet in England eine gefühlte Ungleichhe­it. Auf alle Fälle glaubt er, die Phase der Hyper-Globalisie­rung, also des extrem starken weltweiten Austausche­s von Waren, gehe dem Ende entgegen. Darunter würde das Exportreko­rd-Land Deutschlan­d besonders leiden. So sorgt sich Fratzscher um die drei „P’s“, Populismus, Protektion­ismus und Paralyse. Letzteres wäre brandgefäh­rlich, stünden am Ende doch gelähmte Gesellscha­ften.

Also was tun? Abwarten, bis Trump & Co. ihre Horror-Programme umsetzen oder schon jetzt mächtig dagegen halten? Der Linken-Politiker Gregor Gysi empfiehlt: „Wenn Du Respekt haben willst bei Trump, musst Du rotzfrech auftreten.“Fuest hält davon nichts. Ökonomen seien dazu da, „die Temperatur runter zu kühlen“. Als Kühlmittel empfiehlt der IfoChef Fakten, Fakten, Fakten. „Sonst würden wir Wirtschaft­swissensch­aftler ja uns selbst abschaffen“, meint er ironisch. Ansonsten rät Fuest deutschen Politikern, sich nicht auf den Stil Trumps einzulasse­n und entspannt zu bleiben.

Das mit der Lässigkeit gegenüber Populisten klappt beim Ifo-Präsident aber nicht immer. Nachdem Fuest mit seinen Prognosen bei Brexit und Trump daneben lag, schaut er mit Sorge auf die Präsidente­nwahl in Frankreich und einen möglichen Wahlsieg der rechtsextr­emen Politikeri­n Marine Le Pen.

Fuest treibt zudem die Angst um, Populisten könnten in Form der Fünf-Sterne-Bewegung die Macht in Rom erobern. Am Ende gesellt sich zum T-Faktor ein „I“mit drei Ausrufezei­chen. Beide Top-Ökonomen sehen Italien mit seinen kriselnden Banken, die auf Unmengen fauler Kredite sitzen, für Deutschlan­d als ebenso gefährlich an wie Trumps Drohungen mit Zöllen. Fuest sagt: „Das Hauptprobl­em der Euro-Zone ist Italien.“Das durchschni­ttliche Einkommen der Bürger des Landes und damit die Zustimmung für Europa sei gesunken. Kein gutes Omen für eine Zeit mit einem Wüterich in Washington.

Dabei setzt Fratzscher als AntiTrump-Strategie auf ein Europa, das angesichts der US-Kampfansag­e an den Freihandel enger zusammenrü­ckt. Der Ökonom muss ein großer Optimist sein, glaubt er doch, dass Europa in zwei, drei Jahren gestärkt nach außen auftritt.

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Fotos: dpa Marcel Fratzscher warnt vor den Gefah ren sozialer Spaltung.
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Clemens Fuest sieht Italien als größtes Problem der Euro Zone.

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