Die Kaffee-Revolution
Das Wort Nachhaltigkeit klingt ungefähr so spritzig wie stilles Wasser. Leider, denn mit ein bisschen Einsatz wird Nachhaltigkeit plötzlich ganz einfach – und hübsch anzuschauen
Man müsste mal ... ist ein wunderbarer Satzanfang, der in der Regel damit endet, dass man nichts tut. Man müsste mal wieder die Fenster putzen. Ja, ja. Man müsste mal wieder ein Klassentreffen machen. Oder man müsste mal was für die Umwelt tun. Darüber lässt sich wunderbar philosophieren. Man kann über die Großen motzen, die nur laue Klima-Abkommen schließen. Man kann beklagen, dass das Wort Nachhaltigkeit ja so spröde und unkonkret ist und endlich mal greifbar gemacht werden müsste. Oder man kann so lange über die Schwächen von Dosenpfand und Plastikmüll diskutieren, bis der Kaffeebecher aus Pappe leer ist und in der Mülltonne landet. Ja, man müsste wirklich mal was machen. Und so.
Ja, genau, machen. Keine Ahnung, wie oft ich einen Kaffee aus dem Einwegbecher getrunken habe. Schimpfen Sie ruhig. Man macht das halt so, denkt nicht drüber nach. Das ist zunächst auch einmal besser so, denn dann hält sich das schlechte Gewissen in Grenzen. Fängt man doch an, nachzudenken, stößt man zum Beispiel auf die Zahl knapp 10 Millionen. Die Stadt schätzt, dass jedes Jahr allein in Augsburg fast 10000000 EinwegKaffeebecher erst über die Theke und dann in den Mülleimer wandern. Rechnet man jedem nur zehn Zentimeter Höhe zu, könnte man einen fast 1000 Kilometer hohen Turm bauen. Das reicht noch nicht bis zum Mond, aber flach gelegt auf den Boden würde das Türmchen mehr als ausreichen, um eine Kette vom Südzipfel bis zum Nordzipfel Deutschlands zu legen. Nicht ohne, oder? Man kann sich natürlich rausreden und sagen: Was machen meine paar Becher aus. Doch die Zeit der Ausflüchte ist vorbei.
Eine Kollegin schenkte neulich der anderen einen Mehrweg-Kaffeebecher. Aus Bambus und sehr hübsch anzuschauen. Die Beschenkte schenkte der nächsten auch einen. Der andere kaufte sich einen Becher. Will man dann noch einen Pappkameraden? Nein. Mein Kaffee fließt seither in einen Porzellanbecher. Klappt wunderbar und schmeckt. Und der Haken?
Praktisch nicht vorhanden. Viele Cafés und Lokale befüllen inzwischen auch mitgebrachte Becher. Sauber sollten sie halt sein. Das ist tatsächlich ein Haken. Doch mal ehrlich: Einen Becher auszuspülen, das ist doch machbar, oder? Und wenn jetzt jemand kommt und sagt: Aber das Spülen belastet die Umwelt mehr als ein Pappbecher, dann will ich das einfach nicht glauben. Wegwerfen kann kaum besser sein als weiterverwenden. So habe ich das als junger Mensch schon einmal gehört.
Damals, es mögen die 80er Jahre gewesen sein, gab es in meiner Erinnerung eine Phase, in der man Müll ziemlich verteufelte. Burger-Verpackungen – ein Graus. Wurstpapierchen – ersetzt durch Tupperdosen. Coffee-to-go – ein NoGo. Dann löste sich die Strenge auf. Gefühlt würde ich sagen: Der Grüne Punkt und diverse Pfandsysteme haben das Gewissen erleichtert. Doch am Ende – Achtung, klingt nach Plattitüde – ist der beste Müll der, der erst gar nicht anfällt. Und wenn man auch noch so lange über das wenig prickelnde Wort Nachhaltigkeit Späße macht und darauf wartet, dass irgendjemand was dafür tut (man müsste mal): Am Ende hilft nur Machen. Dann ist Nachhaltigkeit plötzlich ein Becher mit britischer Flagge (trotz Brexit, war ein Geschenk!), aus dem der Kaffee wunderbar schmeckt. Man müsste es bloß mal nachen.