Die sichtbaren Reste der Proteste
Viele Bürger sind gegen die Stromtrasse auf die Barrikaden gegangen. Nun ist schon seit Längerem klar, dass die Region davon verschont bleibt. Dennoch hängen noch vielerorts Plakate
Es war eines der größten Reizthemen in der jüngeren Vergangenheit: Wird eine gewaltige Hochspannungsleitung quer durch die Region gebaut? Zahlreiche Bürger und Kommunen konnten sich mit diesem Gedanken nicht anfreunden und gingen auf die Barrikaden – mit Erfolg. Der Nachbarlandkreis Donau-Ries bleibt wohl von einer der großen Stromtrassen verschont. Das ist seit über einem Jahr klar. Noch heute zeugen viele Plakate und Schilder von dem heftigen Widerstand der Bevölkerung. Aber warum eigentlich? Das Thema ist doch schon lange durch.
„Es ist in der Tat eine Überlegung, ob wir die Plakate nicht demnächst abhängen sollten. Die Trasse wird ja nun nicht zu uns kommen“, sagt Alois Schiegg, Bürgermeister in Marxheim. Dort gab es praktisch mit Bekanntwerden der Pläne des Netzbetreibers Amprion Anfang 2014 massive Proteste, fortan war die Gemeinde immer vorne dabei im Kampf gegen die sogenannte SüdOst-Trasse. Dementsprechend gut bestückt ist der Schilderwald in und um Marxheim. „Wir haben damals unter den Mitgliedern unserer Bürgerinitiative geschaut, wer geeignete Plätze zum Aufhängen hat“, erinnert sich Schiegg. Die Initiative „Ja zur Energiewende – Nein zur Gleichstrompassage Süd-Ost“hat sich dem Rathauschef zufolge übrigens bisher nicht aufgelöst und besteht weiterhin. Es gebe auch hin und wieder Versammlungen, doch die Zielsetzung habe sich etwas verschoben. Bei der Gründung hatte man sich zum einen der Verhinderung der Trasse verschrieben, zum anderen dem Vorantreiben der Energiewende. „Nach dem Ersteres erreicht ist, geht es jetzt eher um das Zweite“, sagt Schiegg. Er berichtet in diesem Zuge, dass sich mehrere BI-Mitglieder beispielsweise Elektroautos angeschafft hätten und so ihren Beitrag zur Energiewende leisten. „Eine gewisse Aktivität ist also schon noch vorhanden.“
Die Gemeinde gehört auch nach wie vor der überregionalen Initiative Bürger-gegen-Strommonstertrasse an, die ihren Sitz in Pegnitz hat. Die Solidarität sei weiterhin vorhanden, so Schiegg, der aber gesteht: „Wenn die persönliche Betroffenheit nicht mehr gegeben ist, dann wird es schon weniger.“Für ihn habe derzeit der Kampf gegen ein anderes geplantes Bauvorhaben Priorität, das auf Marxheim große Auswirkungen haben könnte: der Flutpolder an der Donau. „Das ist momentan das Thema bei uns.“
Derweil läuft seit Ende Januar ein Beteiligungsverfahren für die Bürger, bei dem sie ihre Meinung zum neuen Netzentwicklungsplan 2030 kundtun können. Noch bis 28. Februar kann man sich daran beteiligen. Darauf weist Werner Roßkopf hin, der als Koordinator der Aktionsbündnisse der Trassengegner im Bereich Donau-Lech sowie der Bürgerinitiativen der Landkreise Neuburg-Schrobenhausen, Donau-Ries und Augsburg-Land fungiert. „Erfahrungsgemäß werden die Einsprüche jedoch lediglich von den Übertragungsnetzbetreibern und der Bundesnetzagentur verwaltet, aber kaum beachtet. Aus diesem Grund wird der Protest gegen unnötige Stromtrassen gerade auch im Wahlkampfjahr 2017 verstärkt fortgeführt werden“, so Roßkopf.
Der Netzentwicklungsplan 2030 folge dem Prinzip „Trassen statt Energiewende“. Das Aktionsbündnis gegen die Süd-Ost-Trasse sowie die Kopfstelle Donau-Lech stellt die Pläne für diesen massiven Netzausbau infrage, denn dieser sei für die Energiewende untauglich. Der Stromnetzausbau müsse deutlich reduziert werden, große Nord-SüdVerbindungen seien vermeidbar – laut Roßkopf werden sie für die Versorgungssicherheit nicht benötigt, sondern seien Strom-ExportTrassen mit hohem Anteil von Kohlestrom. Roßkopf kündigt an: „Die Vertreter der Bürgerinitiativen werden sich verstärkt dafür einsetzen, dass einer sozial gerechten, wirtschaftlich sinnvollen und umweltfreundlichen Energieversorgung im kommenden Bundestagswahlkampf ein deutlich größerer Stellenwert zugemessen wird, als dies bislang der Fall ist. Ein schneller Kohleausstieg ist dringend erforderlich.“
Roßkopf kommt aus Niederschönenfeld, wo ebenfalls noch viele Plakate und Schilder zu sehen sind. Für Bürgermeister Peter Mahl wäre es an der Zeit, diese abzubauen. „Die Trasse kommt nicht, drum muss meiner Meinung nach langsam Ruhe sein.“Er hat aber Verständnis, dass im Ort nicht jeder diese Ansicht teilt. So sei er bereits an Vertreter der BI Megatrasse-Lech Niederschönenfeld-Feldheim herangetreten mit der Bitte, die Protestsymbole zu entfernen. „Aber sie wollen weiter eintreten für eine echte Energiewende und betonen, dass diese Leitungen überhaupt nicht notwendig seien – egal, wo sie letztlich laufen. Die Plakate werden also wohl noch weiter hängen.“Dies sei auch nicht Angelegenheit der Gemeinde, betont Mahl. Schließlich befänden sich die Botschaften auf Privatgrundstücken.