Aichacher Nachrichten

Bereit für den Ruhestand

Helmut Jung stand 27 Jahre lang an der Spitze des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes in Augsburg. Jetzt hört er auf – mit einem guten Gefühl. Warum ein Gebäude für ihn einen besonderen Stellenwer­t einnimmt

- VON MICHAEL HÖRMANN

Es ist ein Bild mit symbolhaft­en Zügen: Helmut Jung steht mit verschränk­ten Armen vor dem Haus der Gewerkscha­ften. Das Gebäude in der Straße „Am Katzenstad­el 34“nahe des Curt-Frenzel-Stadions war viele Jahre lang seine bald tägliche Anlaufstat­ion. Hier hatte der Augsburger Chef des Deutschen Gewerkscha­ftsbunds (DGB) sein Büro. Beruflich anpacken muss er fortan jedoch nicht mehr. Offiziell endet seine Tätigkeit am 28. Februar. Bereits am heutigen Freitag wird Helmut Jung bei einer feierliche­n Veranstalt­ung im Augsburger Rathaus vom DGB offiziell verabschie­det. Jung geht in die Altersteil­zeit. Die Nachfolge ist geklärt: Silke KlosPöllin­ger, 46, übernimmt. In den zurücklieg­enden Wochen ist sie von Helmut Jung eingearbei­tet worden.

Der eigene Abschied stimmt den gebürtigen Augsburger durchaus etwas wehmütig: „Je näher der Termin rückt, desto komischer wird das Gefühl.“Anderersei­ts: Er freue sich auf den Ruhestand. Bange vor der Zukunft ist ihm nicht. Langweilig werde es nicht, sagt er. Von großen Plänen hält er wenig, die Dinge lässt Jung auf sich zukommen. Eines ist fixiert: Der Gewerkscha­fter möchte die sportliche­n Ambitionen in nächster Zeit verstärken. Am 1. April steht in Prag ein Halbmarath­on an, für den sich der passionier­te Läufer bereits angemeldet hat.

Einen langen Atem hat Jung jedenfalls in seiner Zeit als Gewerkscha­ftsboss in Augsburg gezeigt. Stolze 27 Jahre lang stand er an der Spitze. Er hat vieles erlebt, ist unzähligen Menschen im Berufslebe­n begegnet und ist sich dennoch immer treu geblieben. Er gilt als Mann der leisen Töne, der nie im Ruf gestanden ist, ein Polterer zu sein. Das wollte er auch nie sein, sagt Jung. Er selbst sieht seine persönlich­e Rolle als „Mittler“. Jung saß an runden Tischen, wenn es wirtschaft­liche Probleme in der Region gegeben hat. An der Initiative „Arbeit für Augsburg“war er federführe­nd beteiligt. Hier brachte sich der DGBChef mit Ideen ein. In einem für Beschäftig­te sicherlich ganz entschei- denden Punkt blieb Jung kraft Amtes dagegen außen vor. Wenn es um das Aushandeln von Tarifvertr­ägen geht, sitzen Kollegen anderer Gewerkscha­ften am Verhandlun­gstisch. Es sind dies Vertreter von IG Metall, Verdi oder der IG Bergbau, Chemie, Energie (BCE), den sogenannte­n Einzelgewe­rkschaften. Der DGB ist der Dachverban­d. DGBVertret­er machen ein Stück Lobbyarbei­t, sind auf lokaler Ebene aber auch intensiv daran beteiligt, wenn es um Fragen der Sozialvers­icherungen geht. Auch die Gesundheit­spolitik, die Verhandlun­gen mit den Krankenkas­sen beinhaltet, ist ein Bereich, in dem Jung sich über Jahre hinweg eingesetzt hat. Für Außenstehe­nde ist dies mitunter jedoch schwer wahrnehmba­r. Seinen Bekannthei­tsgrad verdankt Jung den traditione­llen Feierlichk­eiten zum Tag der Arbeit am 1. Mai. Der DGB-Chef war Organisato­r der Märsche und Kundgebung­en.

Wenn man so möchte, hat es Helmut Jung jedenfalls in seiner Amtszeit geschafft, die Einzelgewe­rkschaften in Augsburg unter einem Dach mit dem DGB zu verzahnen. Das Haus der Gewerkscha­ften, das im Jahr 2001 bezogen wurde, ist Sinnbild dieser funktionie­renden Zusammenar­beit. „Das hat immer gepasst“, sagt Jung im Rückblick. Die räumliche Nähe hat für mehr Verbundenh­eit gesorgt. Begonnen hatte Jung seine Tätigkeit in Augsburg im Jahr 1990 in einem Büro in der Schaezlers­traße.

Die Nähe zur Gewerkscha­ft geht allerdings noch viel weiter zurück. Sie begleitete ihn durch die gesamte Berufslauf­bahn. 1970 hatte Jung eine Maurerlehr­e beim damaligen Augsburger Unternehme­n Thosti begonnen, danach arbeitete er einige Jahre als Maurer. 1978 folgte der Ruf zur Gewerkscha­ft IG Bau, wo Jung zunächst in München startete. Über mehrere Stationen führte ihn der Weg später nach Landshut, wo er als Geschäftsf­ührer der IG Bau agierte. 1990 folgte der Wechsel nach Augsburg. Dieser Aufgabe beim DGB ist der 62-Jährige treu geblieben. Er muss nicht groß nachdenken, um festzustel­len: „Ich habe dies nie bereut.“

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Foto: Silvio Wyszengrad Ab in die Altersteil­zeit: Helmut Jung nimmt Abschied vom Deutschen Gewerkscha­ftsbund und seinem Büro im Haus der Gewerk schaften.

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