Bereit für den Ruhestand
Helmut Jung stand 27 Jahre lang an der Spitze des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Augsburg. Jetzt hört er auf – mit einem guten Gefühl. Warum ein Gebäude für ihn einen besonderen Stellenwert einnimmt
Es ist ein Bild mit symbolhaften Zügen: Helmut Jung steht mit verschränkten Armen vor dem Haus der Gewerkschaften. Das Gebäude in der Straße „Am Katzenstadel 34“nahe des Curt-Frenzel-Stadions war viele Jahre lang seine bald tägliche Anlaufstation. Hier hatte der Augsburger Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) sein Büro. Beruflich anpacken muss er fortan jedoch nicht mehr. Offiziell endet seine Tätigkeit am 28. Februar. Bereits am heutigen Freitag wird Helmut Jung bei einer feierlichen Veranstaltung im Augsburger Rathaus vom DGB offiziell verabschiedet. Jung geht in die Altersteilzeit. Die Nachfolge ist geklärt: Silke KlosPöllinger, 46, übernimmt. In den zurückliegenden Wochen ist sie von Helmut Jung eingearbeitet worden.
Der eigene Abschied stimmt den gebürtigen Augsburger durchaus etwas wehmütig: „Je näher der Termin rückt, desto komischer wird das Gefühl.“Andererseits: Er freue sich auf den Ruhestand. Bange vor der Zukunft ist ihm nicht. Langweilig werde es nicht, sagt er. Von großen Plänen hält er wenig, die Dinge lässt Jung auf sich zukommen. Eines ist fixiert: Der Gewerkschafter möchte die sportlichen Ambitionen in nächster Zeit verstärken. Am 1. April steht in Prag ein Halbmarathon an, für den sich der passionierte Läufer bereits angemeldet hat.
Einen langen Atem hat Jung jedenfalls in seiner Zeit als Gewerkschaftsboss in Augsburg gezeigt. Stolze 27 Jahre lang stand er an der Spitze. Er hat vieles erlebt, ist unzähligen Menschen im Berufsleben begegnet und ist sich dennoch immer treu geblieben. Er gilt als Mann der leisen Töne, der nie im Ruf gestanden ist, ein Polterer zu sein. Das wollte er auch nie sein, sagt Jung. Er selbst sieht seine persönliche Rolle als „Mittler“. Jung saß an runden Tischen, wenn es wirtschaftliche Probleme in der Region gegeben hat. An der Initiative „Arbeit für Augsburg“war er federführend beteiligt. Hier brachte sich der DGBChef mit Ideen ein. In einem für Beschäftigte sicherlich ganz entschei- denden Punkt blieb Jung kraft Amtes dagegen außen vor. Wenn es um das Aushandeln von Tarifverträgen geht, sitzen Kollegen anderer Gewerkschaften am Verhandlungstisch. Es sind dies Vertreter von IG Metall, Verdi oder der IG Bergbau, Chemie, Energie (BCE), den sogenannten Einzelgewerkschaften. Der DGB ist der Dachverband. DGBVertreter machen ein Stück Lobbyarbeit, sind auf lokaler Ebene aber auch intensiv daran beteiligt, wenn es um Fragen der Sozialversicherungen geht. Auch die Gesundheitspolitik, die Verhandlungen mit den Krankenkassen beinhaltet, ist ein Bereich, in dem Jung sich über Jahre hinweg eingesetzt hat. Für Außenstehende ist dies mitunter jedoch schwer wahrnehmbar. Seinen Bekanntheitsgrad verdankt Jung den traditionellen Feierlichkeiten zum Tag der Arbeit am 1. Mai. Der DGB-Chef war Organisator der Märsche und Kundgebungen.
Wenn man so möchte, hat es Helmut Jung jedenfalls in seiner Amtszeit geschafft, die Einzelgewerkschaften in Augsburg unter einem Dach mit dem DGB zu verzahnen. Das Haus der Gewerkschaften, das im Jahr 2001 bezogen wurde, ist Sinnbild dieser funktionierenden Zusammenarbeit. „Das hat immer gepasst“, sagt Jung im Rückblick. Die räumliche Nähe hat für mehr Verbundenheit gesorgt. Begonnen hatte Jung seine Tätigkeit in Augsburg im Jahr 1990 in einem Büro in der Schaezlerstraße.
Die Nähe zur Gewerkschaft geht allerdings noch viel weiter zurück. Sie begleitete ihn durch die gesamte Berufslaufbahn. 1970 hatte Jung eine Maurerlehre beim damaligen Augsburger Unternehmen Thosti begonnen, danach arbeitete er einige Jahre als Maurer. 1978 folgte der Ruf zur Gewerkschaft IG Bau, wo Jung zunächst in München startete. Über mehrere Stationen führte ihn der Weg später nach Landshut, wo er als Geschäftsführer der IG Bau agierte. 1990 folgte der Wechsel nach Augsburg. Dieser Aufgabe beim DGB ist der 62-Jährige treu geblieben. Er muss nicht groß nachdenken, um festzustellen: „Ich habe dies nie bereut.“