Aichacher Nachrichten

Warum Volkstribu­nen scheitern

Donald Trump ist nicht der Erste, der sich darauf beruft, den angebliche­n Willen des Volkes zu erfüllen. Das hat es zu allen Zeiten und Epochen gegeben. Doch stets hinterließ­en sie Chaos und Anarchie

- Fer@augsburger allgemeine.de

AVON MARTIN FERBER n Vorgängern und Vorbildern in der Geschichte herrscht kein Mangel. Mag Donald Trump mit seiner unorthodox­en wie herausford­ernden Amtsführun­g beispiello­s wirken, so ist er doch alles andere als der Erste, der als selbst ernannter Vollstreck­er des Volkswille­ns mit allem bricht, was bislang in der Politik galt. So haben es auch Tiberius und Gaius Gracchus im antiken Rom, Cola di Rienzo im Rom des Mittelalte­rs, Girolamo Savonarola im Florenz des ausgehende­n Mittelalte­rs oder Maximilian Robespierr­e im Frankreich nach der Revolution getan – Urbilder aller Volkstribu­nen.

Das Schema ist stets das Gleiche und ähnelt sich in frappieren­der Weise. In der Regel aus kleinen Verhältnis­sen kommend, mit ungeheurem Selbstbewu­sstsein und Charisma ausgestatt­et, schwingen sie sich dank ihres Redetalent­s zu Anführern auf. In angespannt­en Umbruchzei­ten begeistern sie die verunsiche­rten Menschen mit einem radikalen Gegenentwu­rf zu den herrschend­en Verhältnis­sen, fordern eine Beseitigun­g der alten Machtelite­n und stattdesse­n eine Umsetzung des Volkswille­ns, den allerdings nur sie zu kennen glauben. Doch mit der Macht wissen sie nichts anzufangen, der Wille des Volkes ist für sie nur Mittel zum Zweck, um ihre Machtgelüs­te zu befriedige­n. Sie zerstören, ohne Neues zu schaffen. Und sie scheitern alle. Die Gracchen und di Rienzo sterben eines gewaltsame­n Todes, Savonarola und Robespierr­e werden hingericht­et. Denn auch dies ist allen gemeinsam: Die Masse, die sich schnell begeistern lässt, wendet sich genauso schnell enttäuscht wieder ab, wenn Erfolge ausbleiben. Die Radikalisi­erung der Gesellscha­ft, die die Tribunen angefacht haben, um nach oben zu kommen, wendet sich gegen sie.

So ist die Herrschaft der selbst ernannten Volkstribu­nen nur von kurzer Dauer, die Folgen ihrer destruktiv­en, disruptive­n Politik aber sind umso verheerend­er. Im antiken Rom lösen die Gracchen einen hundertjäh­rigen Bürgerkrie­g aus, das Rom im Mittelalte­r versinkt in Chaos und Anarchie, in Frankreich folgt dem „Terreur“die Diktatur Napoleons. Im 20. Jahrhunder­t schließlic­h sprengt die verheerend­e politische, ökonomisch­e und moralische Hinterlass­enschaft des „Führers“und seiner „völkischen Bewegung“in Deutschlan­d alle Vorstellun­gskraft. Die Zeche bezahlen, wie immer, die kleinen Leute.

Wenig nur unterschei­det im Prinzip einen Donald Trump, der an den Grundprinz­ipien der Gewaltente­ilung rüttelt, von einem Cola di Rienzo, der in seinem Größenwahn davon träumt, zum Kaiser und Papst gekrönt zu werden. Wenig auch nur einen Jörg Meuthen, der dem „moralisch verkommene­n links-rot-grün versifften 68er Deutschlan­d“den Kampf ansagt, von einem Savonarola, der in seinem Furor den Prunk und den Luxus der Medici verjagt. Und wie viel Robespierr­e, der in Frankreich sein grausames Tugend- und Terrorregi­me errichtet, in einer Marine Le Pen oder einem Geert Wilders steckt, will man lieber nicht wissen.

Die Phänomene sind bekannt, ihre Wirkweisen auch. Niemand hat sie treffender beschriebe­n als der Literaturn­obelpreist­räger Elias Canetti in seinem Hauptwerk „Masse und Macht“, das unter dem Eindruck des Nationalso­zialismus wie des Kommunismu­s entstand.

Sein Befund hat an Bedeutung nichts verloren: Der Mensch, bedroht in seiner Existenz, sucht die Sicherheit der Masse, doch auch in ihr fühlt er sich durch das Andersarti­ge gefährdet. Das Ergebnis ist eine „Zerstörung­ssucht“. Um das eigene Überleben zu sichern, muss alles andere vernichtet werden. Volkstribu­nen nützen diese Urangst aus und sichern sich die Macht, indem sie Angst und Schrecken verbreiten. Muss denn jede Generation diese Erfahrung selber aufs Neue machen? Oder haben wir aus der Geschichte nichts, aber auch überhaupt nichts gelernt?

Volkstribu­nen verführen mit ihren süßen Sirenenges­ängen. Doch ihre vermeintli­chen Heilsversp­rechen sind reines Gift. Nichts wird besser durch sie, alles vielmehr schlimmer.

 ?? Archivfoto: Uwe Zucchi, dpa ?? Viele Franzosen jubelten ihm zu, doch am Ende landete der Volkstribu­n Maximilian Robespierr­e auf dem Schafott. Unsere Szene zeigt eine Probe des Stücks zu Dantons Tod von Georg Büchner. Volkmar Kleinert gab den Robespierr­e.
Archivfoto: Uwe Zucchi, dpa Viele Franzosen jubelten ihm zu, doch am Ende landete der Volkstribu­n Maximilian Robespierr­e auf dem Schafott. Unsere Szene zeigt eine Probe des Stücks zu Dantons Tod von Georg Büchner. Volkmar Kleinert gab den Robespierr­e.

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