Augsburg, Japan und die Bombe
Ein Roman erzählt ein kaum bekanntes Kapitel Kriegshistorie. Eine besondere Rolle spielen darin die Messerschmitt Flugzeugwerke. Doch es geht um viel mehr – auch um Liebe
Eins kam der 59-jährigen Bäckereiverkäuferin Elisabeth Stelker immer merkwürdig vor: Niemals sprach ihre Mutter Gretel über den Vater. Er war wie ausgelöscht. Bis Elisabeth 60 Jahre später die Tuschezeichnung einer herrschaftlichen Villa entdeckte, die der Wehrmachtssoldat Karl-Georg Moosheim 1944 ihrer Mutter Gretel gewidmet hatte. Die Spur hin zum unbekannten Vater ist gelegt und sie sollte aus dem Schwarzwald nach Augsburg führen – und nach Japan. So beginnt der Roman „Mut zur Feigheit“um Liebe und Spionage von Joachim Eitel, der ein kaum bekanntes Kapitel der Weltkriegsgeschichte aufschlägt.
Zur „kriegsentscheidenden“Produktion in Augsburg zählte damals die Entwicklung von Düsenjägern in den Messerschmitt Flugzeugwerken. Ihnen, den Me 262 mit Düsenstrahltriebwerk, galt das besondere Interesse auch der kaiserlich japanischen Armee, die im Zweiten Weltkrieg mit Hitlers deutscher Wehrmacht verbündet war. Zum Ver- sollte ein junger, deutschstämmiger Bäcker aus Kobe werden, eben jener Karl-Georg Moosheim, den 1942 die Armee einzog als deutsch-japanischen Übersetzer.
Dass auf ihn alsbald Spione aus Amerika angesetzt waren, sobald er im U-Boot nach Deutschland transportiert und in Berlin im Wehrwirt- schaftsamt vorgestellt wurde, und er sich im Dreieck dreier Kriegsmächte befand, ahnte der völlig unmilitärische Soldat Moosheim nur zum Teil. Gretel, die junge Sekretärin bei Messerschmitt, und das alte Augsburg hatten es ihm mehr zugetan.
Durch die Zerstörung Augsburgs am 25./26. Februar 1944, die er miterlebt, wächst seine Empathie für die oft unschuldigen Opfer dieses Krieges und sein Wunsch, dieser Krieg möge bald zu Ende sein. Eitel beschreibt diese Entwicklung seines Helden Moosheim mit beachtlichem literarischen Geschick aus der Warte eines Unideologischen, dem allerdings schlagartig der Boden zu heiß wurde. Hals über Kopf floh er aus Augsburg in die Schweiz – und hinterließ offene Fragen.
Der Autor Johannes Eitel, eigentlich Industrierepräsentant aus Haslach im Kinzigtal, hatte zehn Jahre in Japan zu tun und sich eingehend mit der Geschichte Japans beschäftigt. Eng hielt er sich in seinem Roman an die historischen Fakten, allerdings verknüpfte er sie mit fiktiven Personen zu einem emotional fesselnden Beziehungsgeflecht. Gemittler schickt schichtet Joachim Eitel die verschiedenen Zeitebenen ineinander, sodass Vergangenheit und Gegenwart ein lebendiges Ganzes ergeben, das bis zuletzt spannend bleibt.
Kenntnisreich vermittelt Eitel die Historie: Mehr noch als an der Raketentechnologie Messerschmitts waren die Japaner damals an Uran aus deutschen Bergwerken interessiert, weil sie im Wettlauf mit den Amerikanern die Atombombe entwickelten, die Hitler (im Roman) als „jüdische Physik“abtat. Als Übersetzer kannte der Soldat Moosheim nicht nur die Augsburger Blaupausen der Me 262, sondern auch die Frachtlisten militärisch wichtiger Güter, die im U-Boot nach Japan verschifft werden sollten. All dies ist authentischer Geschichtsstoff, über den Johannes Eitel seinem im Selbstverlag verlegten Roman sogar ein kleines Lexikon anfügt.