Schimmernde Saiten
Philharmonische Streicher spielen „Herzensangelegenheiten“im Rokokosaal
Nach ihrer Matinee im Rathaus präsentierten sich die Streicher der Augsburger Philharmoniker erneut – diesmal in verkleinerter Besetzung, Quintett und Sextett, im intimen Rahmen des voll besetzten Rokokosaals. Das Thema „Herzensangelegenheiten“traf für zwei Stücke zu, erschien allerdings im Schlusswerk des Abends ein wenig verniedlichend poesiealbumhaft: Franz Schuberts Streichquintett öffnet da schon gewaltigere Dimensionen.
In zwei Streichsextetten klangen persönliche Bezüge auf: Nataliya Dubova und Tilo Nast (Violinen), Chialong Tsai und Johanna Lippe (Viola) sowie Johannes und Susanne Gutfleisch (Cello) ließen ihre Saiten mit der Ouvertüre zu Richard Strauss’ Oper „Capriccio“, die ja als Unikum in Form eines originalen Streichsextetts geschrieben ist, nobel schimmern. Die innere Isolation und Verdrängungskunst, die Strauss mitten im Weltkrieg, 1942, aufbrachte, um noch einmal seine für ihn leuchtende versunkene Welt des 18. Jahrhunderts zu beschwören, mutet tragisch an, führte aber zu einer bewundernswert sinnlichen und sublimen Szene von musikalischen Gestalten, Fragen und Antworten, Echos. Ebenso fein austariert erklang die Interpretation.
Das zweite seiner Streichsextette, G-Dur, op. 36, lässt erahnen, wie Johannes Brahms an seinen symphonischen Ambitionen arbeitet, sich herantastet. Man glaubt, schon den weittragenden Ton seines Violinkonzerts oder das farbig mutierende Strömen seiner großen Werke vorauszuhören. Der schwärmerische Gestus der Notenfolge für den Namen der angebeteten Agathe von Siebold, das fein zirpende Scherzo, ein in verlorenen melodischen Szenen brütendes Adagio sowie das mit Mendelssohn-Furor ausgeschleuderte Perpetuum-mobile-Finale sind ein ausbalanciertes Stück Variationsund Kontrastkunst.
Nur für eine Bratsche (Chialong Tsai), doch in umso gewaltigeren künstlerischen Dimensionen angelegt, gehört Schuberts Streichquintett C-Dur zu den größten Kammermusikwerken. Kurz vor seinem Tod geschrieben, breitet er suggestive Lebensstationen aus: Im ersten Satz mit seinem noch kraftvoll ausholenden tragischen Gestus, die gespenstische Verlorenheit des unendlich mäandernden Adagios mit seinen einbrechenden Angstschüben, die im Mittelteil ebenfalls von einem makabren Trauermarsch überfallene morbide Heurigen-Vision des Scherzos, das mächtige Wogen des Finales bilden ein visionäres Tableau. Stürmischer Applaus.