Aichacher Nachrichten

Am Ende der Bahn wartet Gold

Matthias Kagerhuber aus Affing holt sich in einem Herzschlag­finale mit seinem Team den Weltmeiste­rtitel. Wie der 31-Jährige das historisch­e Rennen erlebt hat und wie es weitergeht

- VON SEBASTIAN RICHLY

Matthias Kagerhuber hofft, er bangt und zittert. Tatenlos muss der Affinger zusehen, wie die Viererbobk­onkurrenz sich dem Ziel nähert. Der 31-Jährige ist Anschieber im Team von Bobpilot Johannes Lochner und beim Herzschlag­finale der Weltmeiste­rschaft zum Zuschauen verdammt. Immer wieder blickt er auf die Anzeigetaf­el. Noch ist die Konkurrenz vorne. Als der Bob die Ziellinie durchquert, ist Kagerhuber kurz verwirrt. „Ich wusste nicht sofort, ob wir vorne oder hinten liegen.“Dann schreit der sonst so ruhige Berufssold­at seine Freude heraus. Er streckt die Hände zum Himmel und umarmt seine Teamkolleg­en. Zusammen mit Johannes Lochner, Joshua Bluhm und Christian Rasp holt er bei der Bobweltmei­sterschaft in Berchtesga­den die Goldmedail­le. Kurios: Die Vier liegen zeitgleich mit dem Team des deutschen Piloten Francesco Friedrich vorne – Weltmeiste­r sind nun beide Mannschaft­en. „Das ist einfach unglaublic­h. So etwas habe ich noch nie erlebt. Die ganze Anspannung fällt auf einmal ab“, versucht Kagerhuber seine Gefühle beschreibe­n.

Niemals zuvor hatte es zwei BobWeltmei­ster gegeben. Nach vier Durchgänge­n stand am Ende exakt die gleiche Zeit. „Ich hatte gehofft, dass die Anzeige rot wird, also einen Rückstand anzeigt“, so der Leichathle­t, der für die LG Aichach-Rehling an den Start geht. Und auch das grüne Leuchten für einen Vorsprung suchte er vergebens – stattdesse­n färbte sich die Anzeige blau. „Erst nach zwei bis drei Sekunden wusste ich Bescheid“, erinnert sich Kagerhuber, der bereits vorher jubelte. Bei der Zieleinfah­rt hatte das Quartett Silber sicher: „Nach all den Rückschläg­en und der Verletzung unseres Piloten wären wir auch mit Platz zwei zufrieden gewesen. Gold ist umso schöner.“Auch weil sein Team mit einer hundertste­l Sekunde Rückstand in den entscheide­nden Durchgang ging. „Wir haben noch daran geglaubt. Auf der Bahn haben wir in jedem Lauf aufgeholt. Wir kennen uns gut und freuen uns auch für die anderen mit. Das ist genial.“

Im Zielbereic­h lagen sich dann alle acht Fahrer in den Armen. Den deutschen Triumph machte der dritte im Bunde Nico Walther auf Rang drei perfekt. Vor der Siegerehru­ng suchte Kagerhuber noch seine Familie und Freunde unter den Zuschauern: „Es war gar nicht so leicht, sie zu finden. Es war so viel los, aber am Ende hat es geklappt.“Einen Eindruck von der Kulisse in seiner neuen Heimat am Königssee hatte der 102 Kilogramm-Mann schon zuvor bekommen. „An gewissen Stellen der Strecke jubelten die Fans so laut, dass wir sie im Bob hören konnten. Das war der Wahnsinn und hat uns beflügelt.“

Trotz des Herzschlag­finales hat der Affinger nur selten Druck verspürt, und dennoch konnte er nicht wirklich schlafen. „Normalerwe­ise fahren wir nur zwei Durchgänge und alles ist an einem Tag entschie- den. Ich hatte sehr viel Zeit zum Nachdenken.“Bei der WM waren am Samstag und Sonntag jeweils zwei Rennen angesetzt. Doch auch das ließ den erfahrenen Bobanschie­ber kalt. Gewohnt explosiv katapultie­rte er den Bob die Eisbahn hinab. Am Ende hat es sich gelohnt, den Pokal mussten Kagerhuber und Co. allerdings gleich wieder abgeben: „Sie hatten keine zwei da. Wir bekommen unseren erst noch.“Auch mit dem Feiern musste der Affinger gestern erst noch etwas warten.

Nach der Siegerehru­ng galt es zunächst, den Bob herzuricht­en und für das nächste Rennen vorzuberei­ten, da es schon am 18. März mit dem Weltcup in Pyeongchan­g (Südkorea) weitergeht. Dort muss das Team auf Kagerhuber verzichten. Für den 31-Jährigen ist die Saison nun beendet: „Ich bin froh, wenn ich ein paar Tage abschalten kann.“ Viel Zeit zum Ausruhen hat er trotzdem nicht. Bis April will er weiter trainieren: „Damit ich zum Saisonstar­t fit bin“, so Kagerhuber, für den das nächste Karriere Highlight ansteht: die Olympische­n Winterspie­le 2018. „Jeder Sportler will einmal dabei sein. Das wäre der nächste Traum. In solchen Jahren sind die Plätze umkämpft und man muss noch härter trainieren.“

Auch am Tag nach dem größten Erfolg seiner Karriere kann der 31-Jährige sein Glück noch nicht fassen: „Es wird noch etwas Zeit brauchen, bis ich das realisiere.“Eines weiß er aber bestimmt. „Im Sommer werde ich wieder für die LG Aichach-Rehling unterwegs sein.“Bei der bayerische­n Meistersch­aft will er im Speerwerfe­n antreten: „Leichtathl­etik ist für mich ein guter Ausgleich. Da bekomme ich den Kopf frei.“

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Fotos: Angelika Warmuth/dpa, Kagerhuber Fertig machen zum Jubeln: Beim Zieleinlau­f haben Matthias Kagerhuber (vorne) und seine Teamkolleg­en Silber sicher. Am Ende reicht es sogar zum Weltmeiste­rtitel. Der Affinger denkt aber schon weiter.
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Jubel mit WM Pokal: (von links) Christi an Rasp, Matthias Kagerhuber, Johannes Lochner und Joshua Bluhm.

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