Am Ende der Bahn wartet Gold
Matthias Kagerhuber aus Affing holt sich in einem Herzschlagfinale mit seinem Team den Weltmeistertitel. Wie der 31-Jährige das historische Rennen erlebt hat und wie es weitergeht
Matthias Kagerhuber hofft, er bangt und zittert. Tatenlos muss der Affinger zusehen, wie die Viererbobkonkurrenz sich dem Ziel nähert. Der 31-Jährige ist Anschieber im Team von Bobpilot Johannes Lochner und beim Herzschlagfinale der Weltmeisterschaft zum Zuschauen verdammt. Immer wieder blickt er auf die Anzeigetafel. Noch ist die Konkurrenz vorne. Als der Bob die Ziellinie durchquert, ist Kagerhuber kurz verwirrt. „Ich wusste nicht sofort, ob wir vorne oder hinten liegen.“Dann schreit der sonst so ruhige Berufssoldat seine Freude heraus. Er streckt die Hände zum Himmel und umarmt seine Teamkollegen. Zusammen mit Johannes Lochner, Joshua Bluhm und Christian Rasp holt er bei der Bobweltmeisterschaft in Berchtesgaden die Goldmedaille. Kurios: Die Vier liegen zeitgleich mit dem Team des deutschen Piloten Francesco Friedrich vorne – Weltmeister sind nun beide Mannschaften. „Das ist einfach unglaublich. So etwas habe ich noch nie erlebt. Die ganze Anspannung fällt auf einmal ab“, versucht Kagerhuber seine Gefühle beschreiben.
Niemals zuvor hatte es zwei BobWeltmeister gegeben. Nach vier Durchgängen stand am Ende exakt die gleiche Zeit. „Ich hatte gehofft, dass die Anzeige rot wird, also einen Rückstand anzeigt“, so der Leichathlet, der für die LG Aichach-Rehling an den Start geht. Und auch das grüne Leuchten für einen Vorsprung suchte er vergebens – stattdessen färbte sich die Anzeige blau. „Erst nach zwei bis drei Sekunden wusste ich Bescheid“, erinnert sich Kagerhuber, der bereits vorher jubelte. Bei der Zieleinfahrt hatte das Quartett Silber sicher: „Nach all den Rückschlägen und der Verletzung unseres Piloten wären wir auch mit Platz zwei zufrieden gewesen. Gold ist umso schöner.“Auch weil sein Team mit einer hundertstel Sekunde Rückstand in den entscheidenden Durchgang ging. „Wir haben noch daran geglaubt. Auf der Bahn haben wir in jedem Lauf aufgeholt. Wir kennen uns gut und freuen uns auch für die anderen mit. Das ist genial.“
Im Zielbereich lagen sich dann alle acht Fahrer in den Armen. Den deutschen Triumph machte der dritte im Bunde Nico Walther auf Rang drei perfekt. Vor der Siegerehrung suchte Kagerhuber noch seine Familie und Freunde unter den Zuschauern: „Es war gar nicht so leicht, sie zu finden. Es war so viel los, aber am Ende hat es geklappt.“Einen Eindruck von der Kulisse in seiner neuen Heimat am Königssee hatte der 102 Kilogramm-Mann schon zuvor bekommen. „An gewissen Stellen der Strecke jubelten die Fans so laut, dass wir sie im Bob hören konnten. Das war der Wahnsinn und hat uns beflügelt.“
Trotz des Herzschlagfinales hat der Affinger nur selten Druck verspürt, und dennoch konnte er nicht wirklich schlafen. „Normalerweise fahren wir nur zwei Durchgänge und alles ist an einem Tag entschie- den. Ich hatte sehr viel Zeit zum Nachdenken.“Bei der WM waren am Samstag und Sonntag jeweils zwei Rennen angesetzt. Doch auch das ließ den erfahrenen Bobanschieber kalt. Gewohnt explosiv katapultierte er den Bob die Eisbahn hinab. Am Ende hat es sich gelohnt, den Pokal mussten Kagerhuber und Co. allerdings gleich wieder abgeben: „Sie hatten keine zwei da. Wir bekommen unseren erst noch.“Auch mit dem Feiern musste der Affinger gestern erst noch etwas warten.
Nach der Siegerehrung galt es zunächst, den Bob herzurichten und für das nächste Rennen vorzubereiten, da es schon am 18. März mit dem Weltcup in Pyeongchang (Südkorea) weitergeht. Dort muss das Team auf Kagerhuber verzichten. Für den 31-Jährigen ist die Saison nun beendet: „Ich bin froh, wenn ich ein paar Tage abschalten kann.“ Viel Zeit zum Ausruhen hat er trotzdem nicht. Bis April will er weiter trainieren: „Damit ich zum Saisonstart fit bin“, so Kagerhuber, für den das nächste Karriere Highlight ansteht: die Olympischen Winterspiele 2018. „Jeder Sportler will einmal dabei sein. Das wäre der nächste Traum. In solchen Jahren sind die Plätze umkämpft und man muss noch härter trainieren.“
Auch am Tag nach dem größten Erfolg seiner Karriere kann der 31-Jährige sein Glück noch nicht fassen: „Es wird noch etwas Zeit brauchen, bis ich das realisiere.“Eines weiß er aber bestimmt. „Im Sommer werde ich wieder für die LG Aichach-Rehling unterwegs sein.“Bei der bayerischen Meisterschaft will er im Speerwerfen antreten: „Leichtathletik ist für mich ein guter Ausgleich. Da bekomme ich den Kopf frei.“