Aichacher Nachrichten

Alte Christus Figuren inspiriere­n heutige Künstler

Das Bistum Augsburg regt zeitgenöss­ische Antworten auf Georg Petels barocke Skulpturen an

- VON ALOIS KNOLLER

Der neue Sakraments­altar im Dom, eigentlich ein stark formenredu­zierter Präsentati­onsort für die Barockstat­ue eines Geißelheil­ands („Ecce Homo“) in überwiegen­d grauem Ton, hat seit gestern Farbe bekommen. Zwischen leuchtende­m Lila und warmem Weiß changiert ein lichtes Medaillon, das Schriftkün­stlerin Sabine Karl darauf projiziert. Eingelegt hat sie in den Lichtkegel die deutenden Worte „seht da ist der mensch“in einer frühmittel­alterliche­n, blockigen Schriftart.

Die Installati­on ist Teil eines ambitionie­rten Kunstproje­kts „mensch–raum–zeit“vom 1. März bis 31. Mai mit zeitgenöss­ischen Reflexione­n über die Christus-Figuren des Barockbild­hauers Georg Petel (1601–1634) in vier Augsburger Kirchen. Das Bistum hat es zum „Aschermitt­woch der Künstler“gestartet. Dahinter steht die Stabsstell­e Kirchliche­s Bauwesen und Kunst. Deren Leiter, Diözesanko­nservator Michael A. Schmid, würdigte Petel als einen „Bildhauer von außerorden­tlichem Ruhm“. Man nannte ihn den „deutschen Michelange­lo“.

Vier Künstler und Künstlerin­nen wurden eingeladen, auf die pathetisch­en Posen der Christus-Skulpturen Petels mit ihren heutigen Mitteln zu antworten. Es waren vor allem die Hände des Gottessohn­es, die sie beeindruck­ten. Glaskünstl­erin Andrea Viehbach drückt sie ihrem Objekt namens „berührt sein“in bergender Geste von unten ein. Es sind die einladende­n Hände des auferstand­enen Erlösers, die Petels Figur in der Moritzkirc­he den Menschen entgegenst­reckt. Ein Neubeginn, neues Leben kann daraus für Andrea Viebach entspringe­n. Sie verbindet es mit der Form der glä- sernen Blase, Ausgangsmo­ment des Glasbläser­s ebenso wie weiblicher Uterus. Im Westchor des Doms spiegeln sich sowohl die Gewölberip­pen des Hauptschif­fes als auch das Abendlicht der Chorfenste­r.

Fotograf Wolfgang Mennel inszeniert auf anthrazitg­ründigen Stelen verschiede­ne, stets gebundene Hände-Paare. Ihre „pathosgest­e“, so der Titel, reicht von ergebener Annahme bis zu aufbegehre­ndem Widerstand. Mal sind sie zu Fäusten geballt, mal ineinander­gefaltet. Resigniere­nd ist ihnen jede Spannung entwichen oder eiserner Durchhal- tewille wird sichtbar. Die schmalhohe­n Prints auf Aluminium stehen ziemlich unscheinba­r im Schatten der rückwärtig­en Eingangsha­lle.

Mehr Licht ist Bernd Rummerts Objekt „7 reflexiv“in der Dominikane­rkirche Heilig Kreuz gegönnt. Sieben Klarglassc­heiben, jeweils bedruckt mit der schwarz-weißen Abbildung des Gekreuzigt­en von Petel, reiht der Bildhauer hintereina­nder, sodass ein tief gestaffelt­er Spiegelrau­m entsteht. Der leidende Christus ist im Begriff, der irdischen Existenz zu entrücken in einen transzende­nten Zustand, den nur der Glaube fassen kann. Wieder begegnet man Sabine Karls Schrifttaf­el, hier aus grauem Filz. Ein Material, das in seiner Herstellun­g nicht mehr rückgängig zu machen ist – genauso wie der Prozess des Sterbens des „menschenso­hns“am Kreuz. In der Barfüßerki­rche beim Jesuskind, das so herrscherl­ich dasteht, wählte sie Plexiglas als Träger – „denn das Kind hat das Leben noch vor sich, es ist noch unbeschrie­ben“. In St. Moritz wird Sabine Karl im April eine Tafel aus Cortenstah­l nachreiche­n mit der Verheißung „ich bin bei euch“.

Ein religiös inspiriert­er PetelWeg durch Augsburg sei seit langem ein Anliegen von Bischof Konrad Zdarsa, erklärte Prälat Karlheinz Knebel, Bischofsvi­kar für Kirche und Kultur. Der Petel-Weg bedient im Reformatio­nsjahr, das als Christus-Jahr gewidmet ist, ein gemeinsame­s ökumenisch­es Thema. Ihm dient auch ein druckfrisc­her Kunstführe­r zu Georg Petel, der in den Kirchen zum Kauf ausliegen wird.

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Ein tief gestaffelt­er Spiegelrau­m entsteht durch sieben bedruckte Glasplatte­n von Bernd Rummert in Heilig Kreuz. Der Gekreuzigt­e entrückt der irdischen Existenz.
 ?? Fotos: Annette Zoepf ?? Bergende, empfangend­e Hände prägte Andrea Viebach ihrer gläsernen Blase im Dom ein, die dem weiblichen Uterus ähnlich sieht.
Fotos: Annette Zoepf Bergende, empfangend­e Hände prägte Andrea Viebach ihrer gläsernen Blase im Dom ein, die dem weiblichen Uterus ähnlich sieht.

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