Der Wald braucht die Städter
Erbschaften machen immer mehr Menschen zu Waldbesitzern. 14 000 von ihnen haben damit alleine in der Region Augsburg eine große Verantwortung – und oft ein Problem
Es wird in diesen Jahren viel vererbt – darunter auch Wald. Doch die Erben leben nicht mehr auf dem Land, sondern sind in die Städte gezogen. Alleine in der Region Augsburg leben 14000 Waldbesitzer. In ganz Bayern sind es 700 000. Etwa 80 Prozent von ihnen besitzen Baumbestände auf weniger als fünf Hektar. Selbst bei einem guten Zustand dürfte damit keinem Neubesitzer jemals eine ertragreiche und zugleich nachhaltige Bewirtschaftung möglich werden. Und oft gehen solche kleinen Waldungen auch noch in schlechtem Pflegezustand auf die neuen Erben über. Dabei verlangen Folgen des Klimawandels auch von Besitzern privater Wälder neue Weichenstellungen, um die Forste zu wappnen für mehr Trockenperioden, Schädlingsbefall und Sturmböen.
Das stellt Erben vor eine unerwartete Verantwortung. Es gibt zwar viel Hilfestellung für sie, doch richtig zusammengewachsen sind Forstwirtschaft und die jungen Waldbesitzer noch nicht. Der Freistaat hat das als Aufgabenstellung erkannt.
Der Hintergrund: Die Anforderungen an Wälder als Natur- und Erholungsraum, eine starke Nachfrage nach Holz und vor allem Folgen des Klimawandels sind für Förster in der Region Augsburg schon lange eine große Herausforderung. Im Gespräch mit ihnen streut nun Bayerns Landwirtschafts- und Forstminister Helmut Brunner ein, wer noch auf diesem Weg unterwegs sei: „urbane Waldbesitzer“.
Bei einem Ortstermin in Walkertshofen im Naturpark Augsburg Westliche Wälder über Folgen des Klimawandels und Konsequenzen im Wald nickt Wolfgang Sailer zustimmend. Der Chef des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AfL) in Stadtbergen kennt das Thema. Sein Amt bietet inzwischen spezielle Sprechstunden und Bildungstage für neue Waldbesitzer: Exkursionen, Säge- und Sicherheitskurse sowie die Vermittlung von Kontakten.
geht es vor allem um Fachkenntnis. Ferner, so hat Forstminister Brunner erkannt, geht es auch um gesellschaftliche Aspekte und um Akzeptanz der Forstwirtschaft: „Die Menschen suchen den Wald. Sie wollen Möbel aus Holz, bauen immer mehr Holzhäuser und heizen auch gerne mit Holz oder Pellets. Aber eine Holzbewirtschaftung sehen sie skeptisch.“Die Menschen mögen also Holz, aber dafür soll ja kein Baum gefällt werden.
Dabei gehört bereits das Auslichten der Bestände zu den wichtigsten Pflegemaßnahmen im Wald. Beim Ortstermin in Walkertshofen steht Brunner zwischen zwei Buchen. Ein Stamm ist nur halb so dick wie der andere. Die Fachleute bestätigen Brunner: Sie sind gleich alt. Der schmächtigere Baum war nur sehr lange Zeit von einem nahen Nachbarstamm überragt.
Die Holzernte ist ein weiteres Element der Waldarbeit. Irgendwann droht jedem Baum das Ende. Noch vor dem natürlichen Verfall setzt im Forstbetrieb die Säge an. Denn die Nutzung des Holzes durch den Menschen ist seit jeher Teil der Kulturgeschichte. Ohne das Holz hätte keine Siedlung und keine Stadt wachsen können.
Forstwissenschaftler kennen inzwischen die Zahl der Bodenlebewesen unter Bäumen im Naturpark Augsburg Westliche Wälder, chemische Werte des Waldbodens, Verdunstungsgrade sowie die SpeiDabei cherfähigkeit von Gasen und Niederschlägen dort. Und sie kennen die Zusammenhänge. Neben Ökonomie geht es also auch um Ökologie. Brunner unterstreicht beim Ortstermin einen dritten Aspekt: „Soziales“. Damit ist er wieder beim gesellschaftlichen Nutzen und einem Wandel auch hierbei: „Immer mehr Menschen leben heute in den Städten. Und wenn sie einen Wald erben, nehmen sie ihn gewissermaßen mit in die Stadt. Die Pflege und Bewirtschaftung der Wälder wird dadurch nicht einfacher.“
Doch auch sie sollen teilhaben an den Forschungserkenntnissen zur Zukunftsfähigkeit der Wälder, trotz Trockenheit, Stürmen und Schädlingsbefall. Forstminister Brunner wirbt daher für Netzwerkarbeit: Waldbesitzerverbände, regionale sowie lokale Vereinigungen und Forstämter würden gerne beraten.
Das verhilft jedem Waldbesitzer zu einem umsetzbaren Plan. Doch bald folgt harte Arbeit „im Holz“. Auch dafür gibt es Hilfe. Brunner rät zum „Waldpflegevertrag“. Denn die eigene Handarbeit, so lernt der Walderbe schnell, reicht gerade, um Brennholz zu machen.
Für die eigentliche Schwerarbeit sind Maschinen, Fachkenntnis und Erfahrung nötig. Einen großen finanziellen Ertrag können Kleinwaldbesitzer somit nicht erwarten. Aber sie können ihr Erbe aufwerten als Hinterlassenschaft für die Generation ihrer Enkel.