Wenn der Regisseur eine in Unterwäsche will
Zwei Performances spiegeln Positionen der aktuellen Feminismus-Debatten
Brecht und die Frauen, das ist ein Thema, das es schon lange in den Deutschunterricht der Gymnasien geschafft hat, das die Forschung beschäftigt hat, das Brechts Leser auch entzweit. Hat er sie ausgenützt? Ja, sagte zum Beispiel die Journalistin Meredith Haaf, die die Nachmittagsveranstaltung mit Laurie Penny, der Ikone der gegenwärtigen Feminismus-Bewegung, moderierte.
Ansonsten kreiste der Schwerpunkttag über den Feminismus aber nicht um Bertolt Brecht und dessen Verhältnis zu den Frauen, sondern setzte sich – Brechtfrei – mit den gegenwärtigen Debatten zum Thema auseinander. In Bayern würde das anders als in Berlin, wo Laurie Penny schon aufgetreten sei, mehr nottun, befand der Brechtfestivalleiter Patrick Wengenroth zuvor am Samstag in einem Gespräch mit dem Deutschlandradio.
Neben dem Gespräch mit Laurie Penny – wir stellen sie heute größer in unserem Feuilleton vor – hatte Patrick Wengenroth zwei Performance-Veranstaltungen nach Augsburg geholt: das temporäre Hamburger Performance-Kollektiv Genderdungeon II um die Schauspielerin und Regisseurin Ute Rauwald und die Performerin Simone Dede Ayivi.
Auf der alten Kegelbahn im Provinoclub verhandelte Genderdungeon II, was die Kollektiv-Figur Frauke („wir alle sind Frauke“) in den 1960er, 70er, 80er und 90er und 2000er Jahren erlebt hat: Geschlechterbilder im Spiegel der Zeiten, von den 80er Jahren an auch Geschlechterbilder im Theater. Frauke, die als Luise in einer „Kabale und Liebe“-Inszenierung auf einem Gynäkologie-Stuhl sitzen sollte. In den 90er Jahren verlangten die Regisseure, dass die Schauspielerinnen in knapper Unterwäsche auftreten sollen. Am Schluss spielte Frauke einfach nicht mehr mit – Applaus der 20 Zuhörer.
Simone Dede Ayivi nahm das All als Resonanzraum für ihre Performance „First Black Woman in Space“. Mit Lieutenant Uhura als schwarzer Kommunikationsoffizierin des Raumschiff Enterprise und mit der ersten schwarzen Astronautin Mae C. Jemison hob Ayivi ab zu der Frage, wie gegenwärtige feministische, afrikanische Positionen aussehen. Per Videoeinblendung spielte sie einen Chor an Stimmen ein, die selbstbewusst und bestimmt die Probleme der Gegenwart ansprachen, die Wichtigkeit einer „black community“in Deutschland, um einen Raum zu haben, in dem man nicht angestarrt werde. Und Ayivi schuf dazu immer wieder starke Bilder, etwa jenes, als sie mit einem engen Lichtkegel eine Discokugel anleuchtete. Erst wenn die Kugel sich ganz vor das Scheinwerferlicht schob, begannen die Sterne zu leuchten. Ein wunderbares Bild, das deutlich machte, wie viel Weg noch zurückzulegen ist, bis dieser Punkt in der Gesellschaft erreicht ist.