Kann man noch beruhigt auf der Straße parken?
Die Zahl der Auto-Aufbrüche hat in den letzten Jahren zugenommen. Gestohlen werden Airbags, Navigationsgeräte und mehr. Die Schuldigen werden nur selten gefasst. Wo die Täter besonders oft zuschlagen
Vier Wochen mussten die Bauers aus Haunstetten warten, bis die Ersatzteile für ihren Wohnwagen geliefert waren. Ein Dieb hatte Teile der Anhängerkupplung des Familiengefährts gestohlen. Und Bauers sind nicht die Einzigen, die sich über so etwas ärgern: Der Diebstahl von Fahrzeugteilen hat zugenommen. Vor allem Autos spezieller Hersteller stehen im Fokus der Täter.
Moni Bauer deutet auf die Anhängerkupplung des Wohnwagens. „Der Täter muss mit einem Seitenschneider den Adapterstecker entfernt haben. So einen dicken Strang kann man nicht einfach durchtrennen.“Die Bauers besitzen seit knapp einem Jahr einen Wohnwagen. Mit ihren drei Kindern fahren sie damit in den Urlaub. Noch haben sie keine feste Unterstellmöglichkeit für den Anhänger gefunden. So lange steht er mal hier, mal dort. Neulich hatten sie ihn in einer Parkbucht am Naturfreibad Haunstetten geparkt. Dort passierte es. 108 Euro kosteten die Ersatzteile. Doch es ist nicht das Geld, das Bauers ärgert, sondern die dreiste Tat.
In der Stadt dienen immer wieder Fahrzeuge als Ersatzteillager. „Im Jahr 2015 hatten wir insgesamt 440 Diebstähle an und aus Fahrzeugen“, sagt Polizeisprecher Manfred Gottschalk. Dazu zählten aber auch die Fälle, in denen Autotüren unverschlossen waren und etwas herausgestohlen wurde. Konkrete Zahlen für 2016 kann er noch nicht nennen. Die Tendenz sei aber leicht steigend. Für Schlagzeilen sorgten Ende Februar Unbekannte, die auf dem Gelände der Firma Auto Frey in Lechhausen den Motorblock eines 5er BMW zerlegten und Teile mitnahmen. Melanie Neubert, die seit 16 Jahren dort arbeitet, kann sich den Hintergrund der Tat vorstellen: „Irgendjemand wird Probleme mit seinem eigenen Auto gehabt haben. Wahrscheinlich hat er über ein Internetportal für Gebrauchtwagen ausfindig gemacht, wo ein solches Modell zum Verkauf angeboten wird.“Der Täter schlug eine Seitenscheibe ein, öffnete den Motorraum und begann mit dem Ausschlachten.
Abgelegene Parkplätze und Betriebsgelände von Autofirmen sind das bevorzugte Ziel von Autodieben, bestätigt Gottschalk. „Nicht selten kommen komplette Rädersätze abhanden.“Auch Airbags und Navigationsgeräte werden ausgebaut oder Rückspiegel abmontiert. Die Täter haben dabei bestimmte Marken im Blick: Überwiegend sind es namhafte Hersteller wie Audi, BMW oder Mercedes. Meist stecken
BMW und Mercedes sind besonders begehrt
organisierte Banden dahinter. „Leider handelt es sich oft um reisende Tätergruppen aus Osteuropa. Die halten sich zwei, drei Tage in einer Stadt auf und ziehen dann weiter.“
Ein geringer Teil des Diebesgutes wird im Internet verkauft. Das meiste geht in den Osten. Dort werden die Teile auf Märkten verhökert. Für die Polizei ist es nicht einfach, die Täter zu erwischen. Gottschalk appelliert deshalb an die Bürger. Bei verdächtigen Autos oder Menschen sollte man sich nicht scheuen, die Polizei zu informieren. „Wir haben bei der Kripo Kollegen, die sich mit Kfz-Delikten befassen. Die sind dankbar, wenn Beobachtungen mitgeteilt werden.“
Saban Nalbant, der seit 13 Jahren das Autokino in Lechhausen betreibt, kann darüber nur lachen. Schon längst meldet er nicht mehr alle Diebstähle auf seinem Gelände. „Jede Woche passiert etwas. Da kommen Scheinwerfer weg, Alufelgen, Zierleisten, Lenkrad-Airbags oder Navigationssysteme.“Manchmal wüssten er und seine Kollegen gar nicht, wie die Täter es anstellen. Denn nicht zwangsläufig werden Scheiben eingeschlagen. Die Täter haben immer Tricks parat, um an Beute zu kommen, sagt Nalbant. Einen kennt er: „Die Leute kommen als Kunden kurz vor Geschäftsschluss, schauen sich ein Auto an und lassen die Beifahrertür geöffnet. Nachts kehren sie zurück.“Klar könne die Polizei später in den Aufzeichnungen seiner Videokameras zusehen, wie ein Täter klaue. „Aber sie können dann auch nur sagen, dass der Mann ihnen nicht bekannt ist.“Der Autohändler, der hinter den Tätern Banden aus Rumänien und Bulgarien vermutet, sieht nur eine Lösung: „An den Grenzen kontrollieren, ob die Leute Rechnungen für die Waren haben.“
Eine dicke Rechnung musste neulich Peter Fischer (Name von der Redaktion geändert) zahlen: 280 Euro für den Einbau einer neuen Spritzdüse an einem Scheinwerfer seines BMW X5. Die war nämlich eines Tages weg. Fischer fiel das Loch am Scheinwerfer auf, als er auf einem Supermarktparkplatz zum Auto zurückkehrte. „Ich hätte es der Teilkasko melden können, aber dann hätte ich zur Polizei gehen müssen und ich wusste nicht, wann der Diebstahl war.“Außerdem wäre die Anzeige gegen Unbekannt wohl eingestellt worden, glaubt er.
Familie Bauer dachte ähnlich. Auch sie zeigte den Diebstahl nicht an. Rolf Neumann, Pressesprecher der Versicherungskammer Bayern, rät jedoch dazu. Der Diebstahl eines Autos oder von Fahrzeugteilen sei über die Teilkaskoversicherung abgedeckt. „Falls der Schaden den Betrag von 500 Euro übersteigt, muss der Versicherungsnehmer das Schadenereignis sofort anzeigen.“Sicherheitshalber sollte aber jeder Schaden angezeigt werden.
Während der Autoteile-Diebstahl 2016 zugenommen hat, ist die Zahl der gestohlenen Autos rückläufig, sagt Gottschalk. 2015 wurden in den Landkreisen Augsburg und Aichach-Friedberg 38 Wagen gestohlen, in der Stadt keiner. Gottschalk will beruhigen: „Man kann sein Auto generell bedenkenlos in der Stadt parken.“Die Bauers suchen jetzt dringend einen festen Stellplatz für ihnen Wohnwagen. Momentan ist der Anhänger in einer Parkbucht abgestellt. Doch Bauers wollen keine Überraschung mehr erleben, denn als Nächstes wollen sie in die Toscana.