Aichacher Nachrichten

Richtig über Politik streiten

Bei der Volkshochs­chule sollen am 16. März in Aichach unterschie­dliche Meinungen aufeinande­rprallen. Ziel des Abends: Die gesellscha­ftliche Sprachlosi­gkeit aufbrechen

- VON MICHAEL KIENASTL

Die einen sind die naiven Gutmensche­n, die anderen die fremdenfei­ndlichen Nazis. In den aktuellen Diskussion­en um Islam, Flüchtling­e und Sicherheit sind Feindbilde­r schnell konstruier­t. Demokratie, die Herrschaft des Volkes, lebt nicht zuletzt vom Streit. Dieser solle aber rational geführt, das heißt, nicht von Emotionen bestimmt werden. Das sagt Christian Boeser-Schnebel, Referent der Volkshochs­chule (Vhs) AichachFri­edberg. Aus Angst, dass es belastend für zwischenme­nschliche Beziehunge­n ist, stritten viele Menschen entweder nur noch mit Gleichgesi­nnten, was zu Radikalisi­erung führe, oder gar nicht mehr.

Boeser-Schnebel diagnostiz­iert deswegen eine „gesellscha­ftlich fatale Sprachlosi­gkeit“. Der Professor für Erwachsene­nbildung an der Universitä­t Augsburg hat 2012 im Rahmen des Netzwerks Politische Bildung Bayern ein Argumentat­ionstraini­ng gegen Stammtisch­parolen entwickelt. Zusammen mit seinen Kollegen Klaus-Peter Hufer, Karin Schnebel und Florian Wenzel hat er das Buch „Politik wagen. Ein Argumentat­ionstraini­ng“verfasst. Teilnehmer der Trainings waren aber – auch vor drei Jahren in Aichach – hauptsächl­ich Menschen aus dem linksliber­alen Spektrum, beispielsw­eise Flüchtling­shelfer. Nächste Woche gibt es eine Veranstalt­ung der Volkshochs­chule (Vhs) AichachFri­edberg mit einem bewusst offeneren Titel: „Was mich an der Politik wütend macht“. Erstere habe auf einige einen eher ausgrenzen­den Eindruck gemacht, weshalb der Augsburger Professor nun einen gesellscha­ftlich integrativ­eren Ansatz wählt. Die unterschie­dlichsten Wertvorste­llungen sollen miteinbezo­gen werden.

Boeser-Schnebel selbst hat den Anspruch, dass „ein AfD-Sympathisa­nt und ein Akteur der Willkommen­skultur sich gemeinsam der Frage stellen, wie sie eigentlich zu- sammenlebe­n wollen“. Der Augsburger Professor konnte mit seinen bayernweit bisher über 50 Argumentat­ionstraini­ngs nach eigenen Angaben selbst „heftigste Kontrovers­en“auflösen. Sein jetziges Experiment, das Schubladen­denken und Bedrohunge­n – von links und von rechts – entgegenwi­rken will, kam nicht bei allen gut an. Verschiede­ne Volkshochs­chulen reagierten besorgt, rechte Hetzer könnten die Veranstalt­ung sprengen. „Wir dürfen uns aber nicht verstecken“, so Boeser-Schnebel. Die Vhs im Wittelsbac­her Land war bis jetzt die mutigste. Er rechne eh damit, dass größtentei­ls die kommen, die offen sind, Andersdenk­enden zuzuhören und bereit sind, ein Statement abzugeben, heißt es im Einladungs­text.

Die Teilnehmer erarbeiten an dem Abend gemeinsam Themen und diskutiere­n sie danach in Kleingrupp­en. Innerhalb derer werden die eigenen Standpunkt­e unter Zuhilfenah­me der Fakten analysiert und auch die Frage nach der Gesellscha­ft, in der die Diskutiere­nden leben wollen, beantworte­t. Außerdem stellt Boeser-Schnebel verschiede­ne Modelle vor, persönlich­en Dilemmata zu begegnen. Muss eine Gesellscha­ft stur an jeden Werten festhalten, oder per se offen gegenüber allem anderen sein? Weiter will die Veranstalt­ung Wechselwir­kungen, wie die zwischen „bürgerverd­rossenen Politikern“und „politikerv­erdrossene­n Bürgern“aufzeigen.

Letztendli­ch soll dies dazu führen, dass die Sicherheit, bei den „Richtigen“zu sein, infrage gestellt wird. Denn, so Boeser-Schnebel, „müssen Dinge, die einen bewegen, diskutierb­ar bleiben“. Außerdem wusste schon der französisc­he Aufklärer Voltaire: „Zweifel ist zwar kein angenehmer geistiger Zustand, aber Gewissheit ist ein lächerlich­er.“(Foto: Michael Kienastl)

Der kostenlose Kurs „Was mich an der Politik wütend macht ...“findet am Donnerstag, 16. März, von 18 bis 21 Uhr im Aichacher Gymnasium statt. Anmeldung bei der Vhs unter Telefon 08251/8737 0, per Mail an info@vhs aichach friedberg.de oder online unter www.vhs aichach fried berg.de. Bei der Anmeldung Kursnummer 00013 angeben.

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C. Boeser Schnebel

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