Richtig über Politik streiten
Bei der Volkshochschule sollen am 16. März in Aichach unterschiedliche Meinungen aufeinanderprallen. Ziel des Abends: Die gesellschaftliche Sprachlosigkeit aufbrechen
Die einen sind die naiven Gutmenschen, die anderen die fremdenfeindlichen Nazis. In den aktuellen Diskussionen um Islam, Flüchtlinge und Sicherheit sind Feindbilder schnell konstruiert. Demokratie, die Herrschaft des Volkes, lebt nicht zuletzt vom Streit. Dieser solle aber rational geführt, das heißt, nicht von Emotionen bestimmt werden. Das sagt Christian Boeser-Schnebel, Referent der Volkshochschule (Vhs) AichachFriedberg. Aus Angst, dass es belastend für zwischenmenschliche Beziehungen ist, stritten viele Menschen entweder nur noch mit Gleichgesinnten, was zu Radikalisierung führe, oder gar nicht mehr.
Boeser-Schnebel diagnostiziert deswegen eine „gesellschaftlich fatale Sprachlosigkeit“. Der Professor für Erwachsenenbildung an der Universität Augsburg hat 2012 im Rahmen des Netzwerks Politische Bildung Bayern ein Argumentationstraining gegen Stammtischparolen entwickelt. Zusammen mit seinen Kollegen Klaus-Peter Hufer, Karin Schnebel und Florian Wenzel hat er das Buch „Politik wagen. Ein Argumentationstraining“verfasst. Teilnehmer der Trainings waren aber – auch vor drei Jahren in Aichach – hauptsächlich Menschen aus dem linksliberalen Spektrum, beispielsweise Flüchtlingshelfer. Nächste Woche gibt es eine Veranstaltung der Volkshochschule (Vhs) AichachFriedberg mit einem bewusst offeneren Titel: „Was mich an der Politik wütend macht“. Erstere habe auf einige einen eher ausgrenzenden Eindruck gemacht, weshalb der Augsburger Professor nun einen gesellschaftlich integrativeren Ansatz wählt. Die unterschiedlichsten Wertvorstellungen sollen miteinbezogen werden.
Boeser-Schnebel selbst hat den Anspruch, dass „ein AfD-Sympathisant und ein Akteur der Willkommenskultur sich gemeinsam der Frage stellen, wie sie eigentlich zu- sammenleben wollen“. Der Augsburger Professor konnte mit seinen bayernweit bisher über 50 Argumentationstrainings nach eigenen Angaben selbst „heftigste Kontroversen“auflösen. Sein jetziges Experiment, das Schubladendenken und Bedrohungen – von links und von rechts – entgegenwirken will, kam nicht bei allen gut an. Verschiedene Volkshochschulen reagierten besorgt, rechte Hetzer könnten die Veranstaltung sprengen. „Wir dürfen uns aber nicht verstecken“, so Boeser-Schnebel. Die Vhs im Wittelsbacher Land war bis jetzt die mutigste. Er rechne eh damit, dass größtenteils die kommen, die offen sind, Andersdenkenden zuzuhören und bereit sind, ein Statement abzugeben, heißt es im Einladungstext.
Die Teilnehmer erarbeiten an dem Abend gemeinsam Themen und diskutieren sie danach in Kleingruppen. Innerhalb derer werden die eigenen Standpunkte unter Zuhilfenahme der Fakten analysiert und auch die Frage nach der Gesellschaft, in der die Diskutierenden leben wollen, beantwortet. Außerdem stellt Boeser-Schnebel verschiedene Modelle vor, persönlichen Dilemmata zu begegnen. Muss eine Gesellschaft stur an jeden Werten festhalten, oder per se offen gegenüber allem anderen sein? Weiter will die Veranstaltung Wechselwirkungen, wie die zwischen „bürgerverdrossenen Politikern“und „politikerverdrossenen Bürgern“aufzeigen.
Letztendlich soll dies dazu führen, dass die Sicherheit, bei den „Richtigen“zu sein, infrage gestellt wird. Denn, so Boeser-Schnebel, „müssen Dinge, die einen bewegen, diskutierbar bleiben“. Außerdem wusste schon der französische Aufklärer Voltaire: „Zweifel ist zwar kein angenehmer geistiger Zustand, aber Gewissheit ist ein lächerlicher.“(Foto: Michael Kienastl)
Der kostenlose Kurs „Was mich an der Politik wütend macht ...“findet am Donnerstag, 16. März, von 18 bis 21 Uhr im Aichacher Gymnasium statt. Anmeldung bei der Vhs unter Telefon 08251/8737 0, per Mail an info@vhs aichach friedberg.de oder online unter www.vhs aichach fried berg.de. Bei der Anmeldung Kursnummer 00013 angeben.