Aichacher Nachrichten

Was eine Vergewalti­gung auslöst

Das Opfer aus Mering muss heute seinem Peiniger in Bamberg vor Gericht gegenübert­reten. Adolf Prändl vom Weißen Ring berät Frauen, die Opfer geworden sind

- VON PHILIPP SCHRÖDERS

Der Fall sorgte für Entsetzen weit über die Grenzen Merings hinaus. Im September 2015 überfiel ein Mann nahe des Bahnhaltep­unktes St. Afra eine 16-Jährige und vergewalti­gte sie. Wie berichtet, muss sich der mutmaßlich­e Täter nun in Bamberg vor Gericht verantwort­en. Dem 27-jährigen Tunesier werden noch weitere Taten vorgeworfe­n. Er soll auch versucht haben, sich an zwei Frauen in Franken zu vergehen.

Adolf Prändl vom Weißen Ring bietet in der Region Augsburg Hilfe für Vergewalti­gungsopfer an. „Diese Frauen sind erheblich traumatisi­ert“, sagt er. Das wirke sich unterschie­dlich aus. „Es gibt Frauen, die die Erlebnisse verschweig­en, die alles verdrängen.“Nach ein paar Monaten oder Jahren hole sie das schrecklic­he Erlebnis jedoch erfahrungs­gemäß ein. Plötzlich leiden sie unter Atemnot, Schwindela­nfällen und Angstzustä­nden. Es folgen Depression­en. Manche Opfer verbarrika­dieren sich in der eigenen Wohnung, gehen nicht mehr in die Öffentlich­keit.

Die Mitarbeite­r des Weißen Rings bieten den Betroffene­n Gespräche an. „Sofern das erwünscht ist“, sagt Prändl. Der Experte betont, dass die Opfer nicht gedrängt werden, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen. „Wir sprechen es neutral an, was sie letztendli­ch machen, ist ihre Entscheidu­ng.“Dabei geht es darum, bei der Polizei Anzeige zu erstatten und einen Anwalt einzu- schalten. Auch im Hinblick auf einen möglichen Prozess und Anspruch auf Schwerzens­geld beraten die Mitarbeite­r. Eventuell stehen den Frauen Opferentsc­hädigungsl­eistungen zu. Wichtige Spezialist­en sind Traumather­apeuten, die den Frauen helfen können, die schrecklic­hen Erlebnisse zu verarbeite­n.

Allerdings sieht Prändl hier ein großes Problem. Es gibt nur wenige auf diesen Bereich spezialisi­erte Psychother­apeuten, die eine Kassenzula­ssung haben. Daher müssen die Opfer oft anderthalb bis zwei Jahre warten, bevor sie überhaupt ein erstes Gespräch führen können. „Das ist eine absolute Katastroph­e“, sagt Prändl. Andere Therapeute­n müssen aus eigener Tasche bezahlt werden, was sich laut dem Experten die meisten Opfer nicht leisten können.

Immerhin gelingt es ihm meist, die Betroffene­n in kurzer Zeit bei Therapeute­n ohne Kassenzula­ssung für ein Kriseninte­rventionsg­espräch unterzubri­ngen. Das erstreckt sich über zwei Termine. Bei Bedürftigk­eit übernehme der Weiße Ring die Kosten. „Aber wir können natürlich keine ganze Therapie bezahlen.“ Auch für die Familien der Opfer bedeutet die Tat einen schrecklic­hen Einschnitt. Angehörige­n empfiehlt Prändl, sich um die Frauen zu kümmern, aber dabei möglichst „normal“zu verhalten. „Sie sollten sie nicht wie ein rohes Ei behandeln.“Niemals sollten Angehörige fragen, was passiert ist. Das könnte das traumatisc­he Erlebnis wieder hervorrufe­n.

Für die Opfer sei es schwer genug, die Tat bei der Polizei und vor Gericht zu schildern. „Ich frage überhaupt nicht, was passiert ist“, sagt Prändl. Er müsse für die Beratung wissen, ob es sich um eine Vergewalti­gung oder einen sexuellen Übergriff handele, auf weitere Details verzichte er bewusst.

Auf das junge Opfer aus Mering kommt am heutigen Mittwoch ein schwerer Gang zu. Vor Gericht trifft sie wieder auf ihren Peiniger und muss aussagen. Laut ihrem Anwalt bleibt das der jungen Frau nicht erspart, da der Angeklagte beim ersten Verhandlun­gstag kein vollumfäng­liches Geständnis abgelegt hatte. Opferschüt­zer Prändl sagt, dass es für die Betroffene­n eine äußerst große Belastung sei, die Täter wiederzuse­hen. Die Mitarbeite­r des Weißen Rings versuchen zwar, die Betroffene­n darauf vorzuberei­ten. Aber das sei nur „ein stumpfes Schwert“. Prändl kann nachvollzi­ehen, dass sich die Richter ein eigenes Bild machen möchten. Er sagt aber auch: „Ich bin der Meinung, dass das Verhör bei der Polizei reichen müsste.“

Plötzlich Atemnot, Schwindel und Angstzustä­nde

Der Weiße Ring bietet ein Opfer Telefon an. Wer eine Straftat er lebt hat, findet unter der Nummer 116006 Hilfe bei geschulten Beratern, die täglich von 7 bis 22 Uhr erreichbar sind. Das Angebot ist kostenfrei.

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Symbolfoto: coehm – Fotolia Eine Vergewalti­gung wirkt erheblich traumatisi­erend. Frauen, die versuchen, das schrecklic­he Erlebnis zu verdrängen, werden meist davon wieder eingeholt und leiden oft noch Jahre später unter den Folgen. Der Weiße Ring versucht, Opfern zu helfen.

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