Aichacher Nachrichten

Er sitzt 528 Stunden pro Jahr im Zug

Für immer mehr Menschen sind Wohn- und Arbeitsort nicht identisch. Für einen guten Job und eine passende Wohnung wird gependelt. Moritz von Hofer erzählt, warum er jeden Tag die Fahrt nach München auf sich nimmt

- VON ANDREA WENZEL

Moritz von Hofer wird im Jahr 2017 rund 528 Stunden im Zug verbringen. Nicht am Stück, sondern in der Addition seiner Fahrten. Nein, er ist nicht Lokführer in Teilzeit und, nein, er strebt auch keinen Eintrag ins Rekordbuch an. Moritz von Hofer ist Pendler. Sein Arbeitgebe­r sitzt in München. Er wohnt in Augsburg. „Ich kann nicht sagen, dass ich gerne täglich Zug fahre. Aber ich habe mich damit arrangiert“, erzählt der Analyst einer Tochterges­ellschaft der französisc­hen Bank Société Générale.

Ähnlich wie ihm geht es Tausenden anderen Menschen aus Augsburg und den beiden Nachbarlan­dkreisen, die einer aktuellen Erhebung der Agentur für Arbeit nach ihren Arbeitsort nicht am Wohnsitz haben. Insgesamt pendeln 60 267 Menschen aus dem Agenturbez­irk aus, 40697 ein. Allein aus der Stadt Augsburg fahren rund 45500 Menschen zum Arbeiten an einen anderen Ort. Die meisten von ihnen, nämlich 16 261, müssen in den Landkreis Augsburg, 8613 zieht es wie von Hofer nach München. Aber auch nach Fürstenfel­dbruck (601), Landsberg (864), ins Donau-Ries (1699) oder in den Landkreis Aichach-Friedberg (6227) geht für einige Arbeitnehm­er die Reise.

Für von Hofer bedeutet das Pendlerdas­ein früh aufstehen. Um kurz nach sechs Uhr morgens steigt er in Hochzoll in den Zug, rund 80 Minuten später hat er nach zweimalige­m Umsteigen sein Büro erreicht. Zurück ist er erst gegen 18 Uhr – nach einem Zwölfstund­entag. „Das ist viel Zeit, die drauf geht, aber ich nutze die Fahrt im Zug, um zu Lesen, stöbere im Internet oder ruhe mich aus. Ich versuche also, die Zeit als Freizeit zu nutzen“, erklärt er. Ein Umzug nach München kommt für ihn trotz des Zeitverlus­ts und der Kosten (rund 230 Euro im Monat) nicht infrage. „Ich habe hier meinen Lebensmitt­elpunkt mit meiner Frau und meiner Familie. Ich bin hier viel zu sehr verwurzelt, um umzuziehen.“Gründe, die auch bei einer Umfrage des Onlineport­als immowelt gegen einen Umzug sprachen. 22 Prozent der 1000 Befragten gaben an, aufgrund der guten Wohnsituat­ion bis zu zwei Stunden Anfahrt zum Job in Kauf zu nehmen. Weitere 56 Prozent sind der Umfrage nach bereit, bis zu einer Stunde einfachen Pendelweg zu akzeptiere­n. Manche ziehen gezielt vom Arbeitspla­tz weg, weil andernorts die Mieten billiger sind und gehen dann ebenfalls in die Pendlersta­tistik mit ein. „Das ist eine Entwicklun­g, die viele wegen des im- mer stärker werden Drucks auf dem Immobilien­markt kritisch sehen“, gibt Peter Linter, Geschäftsf­eldleiter Standortpo­litik der IHK Schwaben, zu. Münchner, die nach Augsburg ziehen und pendeln, seien für die Region aber auch eine wichtige wirtschaft­liche Komponente. „Sie bringen Kaufkraft mit“, erklärt er. Und sollte der wirtschaft­liche Aufschwung in Augsburg anhalten, könnten sie möglicherw­eise auch bei einem Unternehme­n vor Ort eine Stelle finden. Das könnte dann dem Fachkräfte­mangel entgegenwi­rken.

Eine Option, die für Moritz von Hofer bislang noch ausscheide­t. „In meiner Branche finde ich in Augsburg keine vergleichb­are Stelle“, sagt er. So pendelt von Hofer voraussich­tlich noch länger nach München – trotz mancher Unwägbarke­iten. „Klar nerven manchmal die Verspätung­en und Zugausfäll­e, aber über die Jahre ist die Zuganbindu­ng für mich immer besser geworden und auch das Platzangeb­ot ist okay. Außerdem mag ich meine Kollegen und meinen Job. Das Gesamtpake­t stimmt“, sagt er. So könne man auch stressige Zeiten, beispielsw­eise während der Wies’n, in Kauf nehmen. „Früher habe ich mir rund ums Oktoberfes­t Urlaub genommen. Heute suche ich mir Fahrzeiten aus, zu denen der Andrang im Zug erträglich ist.“

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Moritz von Hofer arbeitet in München. Täglich verbringt er rund zweieinhal­b Stunden im Zug, der U und Straßenbah­n. Trotzdem will er auch weiterhin nach München pendeln. Wegen seinem Job und der guten Wohnsituat­ion in Augsburg.
Foto: Michael Hochgemuth Moritz von Hofer arbeitet in München. Täglich verbringt er rund zweieinhal­b Stunden im Zug, der U und Straßenbah­n. Trotzdem will er auch weiterhin nach München pendeln. Wegen seinem Job und der guten Wohnsituat­ion in Augsburg.

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