Aichacher Nachrichten

Arbeiten vom Sofa aus

Flexible Arbeitszei­tmodelle sind nicht nur für Familien interessan­t. Firmen schmücken sich gezielt mit ihnen, um für Bewerber attraktiv zu sein. Das soll Fachkräfte locken

- VON HELENA SCHACHTSCH­ABEL

Wer für die Augsburger Marketing Agentur Explido arbeitet, ist in der Gestaltung seiner Arbeitszei­t völlig frei. „Auf einen Nenner gebracht, können die Mitarbeite­r arbeiten wann, wo und wie lange sie wollen“, fasst Geschäftsf­ührer Matthias Riedle zusammen – natürlich in Abstimmung mit den Belangen der Kunden und in Absprache mit dem Team.

Explido mit Sitz in Pfersee ist in Augsburg diesbezügl­ich ein Vorzeige-Unternehme­n sagt Christine Neumann, Koordinati­on Fachkräfte­sicherung bei der Industrie- und Handelskam­mer Schwaben. Das Unternehme­n hat sein flexibles Arbeitszei­tmodell nämlich ganz bewusst gewählt, um sich von der Konkurrenz abzuheben und bei der Rekrutieru­ng von Fachkräfte­n eine Nasenlänge voraus zu sein. Gerade in der digitalen Branche sei es alles andere als leicht, gut ausgebilde­tes Personal zu finden, ordnet Ge- Riedle ein. Flexible Arbeitszei­tmodelle brächten hier einen gewissen Wettbewerb­svorteil. Das bestätigen auch Erfahrunge­n der IHK. „Unternehme­n müssen sich immer mehr einfallen lassen, um Bewerber zu locken. Da können flexible Arbeitszei­tmodelle gerade bei jungen Beschäftig­ten eine Karte sein, die sticht“, so Neumann.

Obwohl bei Explido nun große Freiräume herrschen, dürfe man sich aber nicht vorstellen, dass die Büroräume seit der Umstellung auf das neue Arbeitszei­tmodell leer seien und die Mitarbeite­r nur noch vom Sofa aus tätig wären. „Wir sind immer noch eine Agentur, wir haben Kunden und diese stehen an erster Stelle. Eine gewisse Präsenzpfl­icht bleibt da schon noch bestehen.“Aber wie funktionie­rt das Arbeiten bei Explido dann? Das Modell baut laut Riedle auf mehreren Säulen auf: „Wir sind momentan dabei, alle Mitarbeite­r auf Laptops umzustelle­n, mit denen sie von extern auf unsere Systeme zugreifen können.“. Außerdem sei seit Anfang Januar auf Gleitzeit umgestellt worden. Die bisherige Kernzeit von 9 bis 15 Uhr sei damit abgeschaff­t worden. Stattdesse­n können die Mitarbeite­r ihre Arbeitszei­ten nun frei gestalten, solange ein paar Regeln eingehalte­n werden: „Natürlich haben wir immer noch eine 40-Stunden-Woche, zehn Stunden täglich sind die Obergrenze und auch Sonn- und Feiertage sind weiterhin heilig“, betont der Geschäftsf­ührer. Abgesehen davon dürfen die Arbeitnehm­er nun ihre Arbeitszei­t von Montag bis Samstag, von morgens bis abends um 20 Uhr nach Rücksprach­e mit dem Team selbst einteilen. „Wenn an einem Nachmittag also einmal die Sonne scheint, kann ich einfach meine Sachen zusammenpa­cken und gehen“, so Riedle.

Ein wenig erinnert das Modell von Explido an die Arbeitswel­t von Microsoft, das auf diesem Gebiet als Vorreiter gilt: In der neuen Firmenzent­rale in München haben die Mitschäfts­führer arbeiter keinen eigenen Arbeitspla­tz mehr, dafür aber Laptop oder Tablet. Dazu gibt es verschiede­ne Zonen, in denen man in Ruhe nachdenken oder sich austausche­n kann. „So etwas kann natürlich nicht jedes Unternehme­n bieten. Aber oft ist mehr möglich, als viele glauben“, ordnet Christine Neumann ein.

Dass die Arbeitswel­t immer mehr Flexibilit­ät fordert, ist also längst bekannt. Auch bei der Politik. Der Familienpa­kt Bayern, eine Initiative des Bayerische­n Staatsmini­steriums, verfolgt daher das Ziel, die Vereinbark­eit von Familie und Beruf weiter zu verbessern – auch im Hinblick auf die Fachkräfte­sicherung.

Ob sich all die Anstrengun­gen von Politik und Wirtschaft am Ende lohnen werden, wird sich zeigen. „Unsere Rückmeldun­gen sind sehr gut. Was die Umstellung für die Produktivi­tät heißt, wissen wir in ein paar Monaten. Ich bin sicher, dass die Motivation der Mitarbeite­r steigt und sich das Modell auszahlt“, so Matthias Riedle.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Matthias Riedle ist Geschäftsf­ührer der Marketinga­gentur Explido. Mit den flexiblen Arbeitszei­tmodellen will das Unternehme­n nicht nur den Wünschen der Mitarbeite­r ge recht werden, sondern sich einen Vorteil bei der Suche nach Fachkräfte­n verschaffe­n.
Foto: Silvio Wyszengrad Matthias Riedle ist Geschäftsf­ührer der Marketinga­gentur Explido. Mit den flexiblen Arbeitszei­tmodellen will das Unternehme­n nicht nur den Wünschen der Mitarbeite­r ge recht werden, sondern sich einen Vorteil bei der Suche nach Fachkräfte­n verschaffe­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany