Liberale Muslime ernst nehmen
Zum Artikel „Warum Emanzipation nicht von einem Stück Stoff abhängt“vom 15. März: Mit der Forderung nach Emanzipation im Islam hat sich die Autorin Sineb El Masrar bei den islamischen Verbänden in Deutschland unbeliebt gemacht. Ihre Feinde und die anderer liberaler Muslime sind konservative muslimische Verbandsfunktionäre und Vertreter des politischen Islam. Die liberalen aufgeklärten Muslime, neben Sineb El Masrar so bekannte Streiter wie Bassam Tibi, Mouhanad Khorchide und Hamed Abdel-Samad, haben verstanden, dass sie ihre Stimme erheben müssen, wollen sie den Konservativen und Radikalen nicht das Feld überlassen. Ein Beispiel sind die Interventionen konservativer Verbandsvertreter gegen den in Münster lehrenden Theologieprofessor Mouhanad Khorchide. Seine Publikation zur göttlichen Barmherzigkeit wurde auf der Homepage von DITIB, einem von der Türkei aus gesteuerten Verband, als „Beleidigung der muslimischen Identität“gegeißelt. Es folgten Morddrohungen. Gerne hätte man erwirkt, dass der Gelehrte von seinem Lehrstuhl verjagt worden wäre. Aber Khorchide erhielt Unterstützung vom Bundespräsidenten. Statt konservative Verbände zu hofieren und als Kooperationspartner zu wählen, täte die Bundesregierung gut daran, die neue Generation von liberalen Muslimen als Gesprächspartner ernst zu nehmen und ihnen Teilhabe an Mitbestimmungsorganen zu ermöglichen. Davon wird abhängen, ob sich ein aufgeklärter, liberaler und humanistischer Islam in Deutschland weiterentwickelt. Es sollte niemandem gleichgültig sein, ob die deutschen Muslime produktive Teile eines demokratischen, toleranten Gemeinwesens werden oder in totalitäre religiöse Parallelgesellschaften abdriften.
Aichach