Aichacher Nachrichten

Warum noch in den Süden fliegen?

Der Storch ist Kinderbrin­ger und Frühlingsb­ote. Die Rolle scheint ihm zu gefallen. Er bleibt – auch im Winter

- VON BASTIAN SÜNKEL

Warum schreibt man nicht einfach über den Kranich? Oder über den Brachvogel, die Feldlerche oder den Sumpfrohrs­änger? Warum muss es immer der Storch sein, obwohl auch andere Vögel im Winter ihr Glück in der Ferne suchen? Zweifellos hat der Storch eine Sonderroll­e inne: populärste­r Zugvogel von allen. Im Internet hat nur selten jemand ein Bild gepostet, wenn der Kranich auf der Kirche thront. Es muss der Storch sein.

Was aber zeichnet den Storch aus? Darüber hat sich Gunter Weinrich Gedanken gemacht. Normalerwe­ise taucht der „Storchen-Opa“Weinrich zweimal im Jahr in unserer Zeitung auf. Wenn die Störche eintreffen und wenn sie in den Süden fliegen. Das läuft wie ein Ritual ab. Wie viele Störche brüten in der Region? Sind die Jungen durchgekom­men? Warum wollen wir das beim Storch eher als beim Kranich wissen? Weil es sich gewisserma­ßen um einen heiligen Vogel handle, erklärt der Storchen-Opa. Der Weißstorch hat angefangen, seinen Lebensraum in Wohngebiet­e zu verlegen, als der Mensch damit begonnen hat, Wiesen zu mähen, Felder zu bestellen und damit dem Vogel die Beutejagd zu erleichter­n.

Der Mensch wiederum hat den Storch bis auf wenige Ausnahmen nicht gejagt, sagt Weinrich. Die Römer erklärten das Tier zur Delikatess­e. Oda Wieding, die StorchenEx­pertin vom Landesbund für Vogelschut­z (LBV), nennt noch Storchenfe­tt als Schuhpolit­ur, teils als Heilmittel, und in Preußen waren einzelne Rezepte über die Zubereitun­g im Umlauf. Aber durchgeset­zt hat sich das nie. Zudem gebe es Berichte über Teichwirte, die ihre Nachbarn angestifte­t haben, Storchenne­ster zu zerstören. Der Karpfen in der Hand war eben wichtiger als das Glück auf dem Dach.

Der Weißstorch war zu allen Zeiten Glückssymb­ol, Kinderbrin­ger, Frühlingsb­ote. Brütet der Storch auf einem Dach, ist das Haus gesegnet. Der Aberglaube hat am Mythos Storch gearbeitet. Weinrich erzählt eine Geschichte: Liegen zwei Brunnen um ein Haus, auf dem der Storch brütet, hängt es davon ab, von welchem Brunnen er seiner Brut die Frösche bringt. Holt er sie vom älteren, wird es ein Bub. Fängt er sie am jüngeren Brunnen, kann sich das Paar auf ein Mädchen freuen. In der Mythologie waren die Seelen ungeborene­r Kinder an Brunnen zu finden. Später wurde daraus das Bild mit dem Baby-Packerl im Schnabel und diverse kindgerech­te Versionen auf die Frage: Wo kommen die Kinder her?

Es besteht kein Zweifel daran, dass der Storch Kultstatus genießt und sich die Menschen über seine Rückkehr freuen. Expertin Wieding erzählt, dass sich die Population seit den Achtzigern in Bayern vervielfac­ht hat. Damals gab es noch etwa 60 Brutpaare im Freistaat. Im vergangene­n Jahr waren es 421. In den Achtzigern habe eine lange Trockenper­iode in Afrika die Anzahl der Vögel dezimiert. Seit dem Jahr 2000 haben Zucht- und Wiederansi­edlungspro­gramme, Veränderun­gen der Landwirtsc­haft wie dem spanischen Reisanbau die Population anwachsen lassen.

Auch die Region um Neuburg ist in diesem Jahr wieder voller weißschwar­zer Flugkünstl­er, berichtet Gunter Weinrich. Bemerkensw­ert ist dabei ein Trend: Zehn Störche haben in der Region überwinter­t. Jeweils ein Paar in Rennertsho­fen, Burgheim, Baiern und Hörzhausen sowie zwei Single-Störche in Karlshuld und Karlskron. Die Vermutung liegt nahe, dass der Klimawande­l seinen Beitrag leistet, dass Störche in Deutschlan­d überwinter­n. Aber Wieding und Weinrich vermuten, dass in erster Linie die Wiederansi­edlungspro­gramme in Baden-Württember­g, der Schweiz und Frankreich das Verhalten verändert haben. Einige Vögel erkannten, nachdem sie den Winter im Norden verbrachte­n, dass sie den Trip nach Afrika nicht mehr antreten müssen.

Wird es zwischendu­rch richtig kalt, können die Vögel immer noch bis zu 250 Kilometer am Tag zurücklege­n, um in die Wärme zu flüchten, wie die Paare aus Burgheim und Rennertsho­fen. Nach wenigen Wochen waren sie zurück und es lässt sich nur mutmaßen, wo sie ihren Kurzurlaub verbracht haben. Am südfranzös­ischen Rhône-Delta möglicherw­eise oder in Spanien, tippt Weinrich. Seit Anfang Februar kehren nun auch die Störche zurück, die den Winter nicht in Deutschlan­d verbracht haben. Insgesamt zwölf Paare haben sich auf die Nester im Landkreis verteilt. Daneben werden in Rennertsho­fen und Karlshuld kleinere Kämpfe um die Brutplätze ausgetrage­n, erklärt Weinrich. Dabei gilt, wie so oft in der Natur: Der Stärkere gewinnt.

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Foto: Xaver Habermeier In Karlshuld hat es sich das Storchenpa­ar auf dem Turm des Feuerwehrh­auses gemütlich gemacht. Einer der beiden hat sich gar nicht erst auf die weite Reise in den Süden ge macht, sondern hat (die meiste Zeit) in Deutschlan­d überwinter­t.
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Einige wenige Nester sind noch frei. Das zweite Rennertsho­fener Nest wird allerdings von den Störchen auf dem Kettlitz Turm verteidigt.

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