Aichacher Nachrichten

Neues Phänomen bringt Forscher in Erklärungs­not

Messungen Klimaexper­ten verzeichne­n Hitzewelle­n in der Arktis auf. Nie war das Meereis dünner als jetzt. Das beeinfluss­t das Wetter auf der ganzen Welt. Selbst die Wissenscha­ftler haben so etwas noch nie erlebt

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Noch nie gab es am Ende des Winters so wenig Eis in der Arktis. Ungewöhnli­ch warme Temperatur­en haben im Arktischen Ozean zu diesem Negativrek­ord geführt. Die Meereisflä­che wuchs in der kalten Jahreszeit nur auf 14,42 Millionen Quadratkil­ometer an. Das sei der niedrigste Stand in den 38 Jahren mit Satelliten­messungen, wie das National Snow and Ice Data Centre (NSIDC) der Universitä­t von Colorado in Boulder jetzt mitteilte.

Damit war die Eisfläche am Ende des arktischen Winters 1,22 Millionen Quadratkil­ometer kleiner als die durchschni­ttliche Fläche von 15,64 Millionen Quadratkil­ometern, die in den Jahren zwischen 1981 und 2000 gemessen wurden. Zum dritten Mal in Folge habe die arktische Meereisflä­che einen Rekord-Tiefststan­d erreicht, berichten die Forscher. Die maximale Ausbreitun­g der Meereisdec­ke wurde am 7. März gemessen, seither schmilzt das Eis mit Beginn der wärmeren Jahreszeit wieder. Die minimale Ausbreitun­g wird jedes Jahr meist im September gemessen.

Die Veränderun­gen in der Arktis am Nordpol werden als Indikatore­n für die globalen Klimaverän­derungen gesehen. Auch die Weltwetter­organisati­on in Genf hatte erst am Montag betont, wie außergewöh­nlich die Wetterdate­n der Arktis in den vergangene­n Monaten waren. Mindestens drei Mal sei es zu so et- was wie Hitzewelle­n gekommen. Auf dem Höhepunkt des Winters und der eigentlich­en Gefrierper­iode habe es Tage mit Temperatur­en fast am Schmelzpun­kt gegeben.

Das wiederum habe den polaren Jetstream – einen der Windströme, die sich in großer Höhe um den Planeten ziehen – und damit das Wetter global beeinfluss­t. „Wir sehen bemerkensw­erte Veränderun­gen auf dem Planeten, die die Grenzen unseres Verständni­sses des Klimasyste­ms erreichen“, sagte der Direktor für Klimaforsc­hung, David Carlson. „Wir betreten hier absolutes Neuland.“

In der Antarktis am Südpol bildet sich zudem gerade einer der größten Eisberge, die Forscher bisher registrier­t haben. Mit rund 5000 Quadratkil­ometern wird er doppelt so groß sein wie das Saarland. Der Koloss löst sich vom sogenannte­n Larsen-C-Schelfeis. Schelfeise sind auf dem Meer schwimmend­e Eisplatten, die von Gletschern gespeist werden und mit ihnen noch verbunden sind. Zwar ist das Abbrechen riesiger Eisblöcke, das sogenannte Kalben, ein natürliche­r Prozess – Wissenscha­ftler sind aber dennoch alarmiert: In den letzten zwei Jahrzehnte­n sind sieben Schelfeise von insgesamt zwölf an der Antarktisc­hen Halbinsel zerfallen oder sehr stark zurückgega­ngen. Experten sehen einen Zusammenha­ng mit der Erderwärmu­ng. Sie vermuten, dass Schmelzwas­ser an der Oberfläche die Schelfeise instabil werden lässt.

Im Fachmagazi­n Science Advances hatten Wissenscha­ftler vor einigen Tagen berichtet, dass sich die Ozeane deutlich schneller als befürchtet erwärmen. Lange sprachen Forscher von der „fehlenden Wärme“, der „missing heat“, weil sich die Meere weltweit scheinbar weniger aufheizten als nach Modellen anzunehmen. Ursache war aber offenbar der Mangel an zuverlässi­gen Daten über die Wassertemp­eraturen.

Der aktuellen, unter anderem auf Satelliten­daten beruhenden Analyse zufolge erwärmen sich die Meere rund 13 Prozent schneller als bislang gedacht – und der Prozess beschleuni­gt sich zunehmend. 1992 heizten sich die Ozeane demnach schon fast doppelt so schnell auf wie 1960, heißt es in Science Advances.

Die Meere weltweit sind mit Blick auf den Klimawande­l ein immens bedeutsame­s Speicherme­dium: Nach Schätzunge­n gehen mehr als 90 Prozent der Extrawärme in die Ozeane, nur ein kleiner Teil wärmt die Luft. (dpa, brge)

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Foto: Ulf Mauder, dpa Die Eisfläche auf dem Arktischen Ozean ist mehr als eine Million Quadratkil­ometer kleiner als sonst.

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