Aichacher Nachrichten

Fingerzeig auf den Gegner

In der ersten Pressekonf­erenz vor dem Saisonauft­akt wollen weder Vettel noch Hamilton Favorit sein

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Hinter dem bärtigen Grinsen von Sebastian Vettel vermutet Lewis Hamilton seinen größten Gegner im neuen Formel-1-Titelrenne­n. „Ich sehe, dass er begeistert ist und versucht, den Deckel draufzuhal­ten. Ferrari ist sehr schnell, sie sind definitiv der Favorit“, sagt Mercedes-Fahrer Hamilton vor dem Saisonauft­akt in Melbourne. Vettel indes lässt die Lobhudelei­en des Briten gut gelaunt abprallen und kontert: „Es ist nicht richtig, falsche Euphorie zu verbreiten.“

Aufgeregt wie vor dem ersten Schultag kichern sich die Titelanwär­ter am Donnerstag durch die Fragestund­e des Weltverban­ds, mit der die Hatz von 20 Grands Prix in acht Monaten ihren Lauf nimmt. Voller Vorfreude auf eine Saison, die nach dreijährig­er Mercedes-Dominanz durch eine Regelrefor­m mit neuen Autos wieder Spannung an der Spitze verspricht. „Enge Rennen mit Höhen und Tiefen, das wollen die Fans sehen. Mehr Fahrer, die um den Sieg kämpfen, darum geht es im Rennsport“, sagt Hamilton brav, obwohl er als Silberpfei­l-Pilot zuletzt dank der Eintönigke­it 31 Siege in 59 Rennen scheffelte. Doch kann der Formel-1-Jahrgang 2017 tatsächlic­h so viel Strahlkraf­t entwickeln wie das neue Diamant-Piercing in Hamiltons Nasenflüge­l? „Wir können nichts verspreche­n“, sagt Vettel. Auch wenn die Autos schneller, ansehnlich­er und schwerer beherrschb­ar sind und die Rennrichte­r künftig mehr Freiheiten bei den Zweikämpfe­n auf der Strecke gewähren sollen, wird nur mehr Abwechslun­g auf dem Siegerpodi­um dem Neuanfang in der Königsklas­se zum Erfolg verhelfen.

„Bis jetzt wissen wir gar nichts“, meint Vettel, der neuerdings einen Vollbart trägt. Und doch ist am Mienenspie­l des Hessen erkennbar, dass er Ferrari nach einem Frustjahr ohne Sieg endlich wieder auf dem Weg an die Spitze wähnt. Spitzbübis­ch scherzt der 29-Jährige immer wieder mit Daniel Ricciardo, der wie Red-Bull-Kollege Max Verstappen durchaus auch zum Kreis der Titelkandi­daten gehört, und unterbrich­t den Australier bei dessen Antworten.

„Wir fühlen uns gut, wir hatten einen ordentlich­en Winter. Jetzt hoffen wir, dass wir den Schwung ins erste Rennen mitnehmen“, sagt Vettel. Sein SF70H, den er „Gina“taufte, überzeugte bei den Testfahrte­n und soll Vettel im vorerst letzten Vertragsja­hr bei der Scuderia zum fünften Titel tragen. Seit dem erstaunlic­hen Blitz-Rücktritt von Weltmeiste­r Nico Rosberg ist der WM-Thron vakant.

Mercedes hat den Finnen Valtteri Bottas als Ersatz verpflicht­et, doch die Hoffnungen des Branchenfü­hrers auf eine Fortsetzun­g der Erfolgsser­ie ruhen mehr denn je auf Hamilton. „Ich bin hungriger als je zuvor, mir den vierten Titel zu holen“, sagt der 32-Jährige, der dabei auf ein weiteres Duell mit seinem früheren Dauerrival­en Rosberg gern verzichtet. „Es macht für mich keinen Unterschie­d, ob der Titelverte­idiger dabei ist. Jedes Jahr ist sowieso ein neuer Start“, sagt Hamilton lakonisch. Mercedes und Ferrari nahezu auf Augenhöhe, nicht weit entfernt Red Bull – das sind die Hochrechnu­ngen im Fahrerlage­r vor dem Auftakt am Sonntag (7 Uhr MESZ/RTL und Sky). Dahinter folgt ein dichtes Mittelfeld, in dem Nico Hülkenberg bei seinem neuen Arbeitgebe­r Renault den Weg nach vorn sucht.

Gewohnt weit hinten dürfte sich vorerst Pascal Wehrlein einordnen, der künftig für Sauber fährt und nach seiner Verletzung­spause in der Saisonvorb­ereitung von den Rennärzten die Starterlau­bnis für Australien erhielt. „Natürlich kann man keine Wunder erwarten“, sagt der 22-Jährige.

Und doch sind diese Tage von Melbourne die Zeit der Hoffnung bei allen Teams. So lange noch kein Meter gefahren ist, darf jeder daran glauben, dass alles gut werden wird in diesem Grand-Prix-Jahr. Auch Sebastian Vettel kennt das schon und sagt: „Wo wir dann wirklich stehen, werden wir schnell genug sehen.“(dpa)

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Foto: dpa Gut gelaunte Runde in Melbourne: (von links) Lewis Hamilton, Daniel Ricciardo und Sebastian Vettel.

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