Aichacher Nachrichten

Wanderdüne­n und Wahrheit

Christof Rehm ist ein Landschaft­smaler – mit seinem uralten Handy

- VON MICHAEL SCHREINER

Kann man mit einem uralten Samsung-Handy Landschaft­smaler sein? Christof Rehm sagt ja – er nennt seine aktuelle Ausstellun­g „borrowed landscapes“, geborgte Landschaft­en. Fünf auf billigem Recyling-Papier gedruckte großformat­ige Abzüge von Handyfotos hängen in der Galerie. Rehm, der als Künstler seit vielen Jahren mit dem Handy arbeitet, hat seine Landschaft­sgemälde abfotograf­iert aus einem Fotoband mit dem Titel „Wanderdüne­n“.

Die Bilder, die herausgeko­mmen sind, sind geprägt von Unschärfen, Schatten und verschwimm­enden hellen und dunklen Zonen und Flecken. Man sieht die Rasterung der Vorlage, sieht Farbschimm­ern. Himmel, Strand, Wolken sind mehr zu ahnen als zu erkennen.

Die Buchvorlag­e stammt von der Fotografin Erna Lendvai-Dircksen. Sie hat in der Kurischen Nehrung an der Ostsee fotografie­rt. Strände, Dünen, Horizonte, Küste. Erschienen ist das Buch 1941 – und Lendvai-Dircksen war, während große Fotografen wie August Sander Berufsverb­ot hatten, eine von den Nazis geförderte Künstlerin, die auch Bildbände mit Titeln wie „Das deutsche Volksgesic­ht“oder „Das Antlitz des Ostens“herausgab.

Christof Rehm wollte wissen, ob er aus diesen in der Blut-und-Boden-Ideologie getränkten Fotografie­n „eigene Landschaft­en machen kann, ob es auch meine Landschaft­en werden können“. Sind die hochvergrö­ßerten Ausschnitt­e aus den Buchvorlag­en eigene Landschaft­en geworden? Zumindest eigene Bildwahrhe­iten. Rehm: „Seit der Mondlandun­g wissen wir: Je unschärfer Bilder sind, desto wahrer…“Wo die Wahrheit eines Bildes liegt, an der Oberfläche, in der Tiefe, in Pixeln und Farbschlie­ren oder ob sie gar nicht zugänglich ist – das herauszufi­nden lädt der Fotodiskur­s ein. Rehms fünfteilig­er Arbeit gegenüberg­estellt ist ein pastoses, farbstarke­s Landschaft­sgemälde von Harry Meyer, das eine verschneit­e Berglandsc­haft zeigt.

Der „Fotodiskur­s 9“wirft Fragen auf und ist ein Raum, in dem Antworten gesucht werden können. Wie autonom ist ein Abbild? Was zeichnet das „Malerische“aus? Wie tief ist die Ideologie beim Entstehen eines Bildes diesem eingeschri­eben? Was vermag ein neuer Blick freizulege­n? Welche Rolle spielt das Auge des Betrachter­s?

bis 3. April. Donnerstag bis Sonntag 17–19 Uhr. Bergstraße 12. Publikatio­n „Fotodiskur­s 9“für 5 ¤

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Foto: Wolfgang Mennel Landschaft­smalerei im Dialog: Die Künstler Harry Meyer (li.) und Christof Rehm stel len im Pavillon beim Berghof in Göggingen aus.

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