Aichacher Nachrichten

Der Altmeister hat es noch drauf

Konzert Les Holroyd und seine Band wissen genau, wie Kuschelroc­k funktionie­rt

- VON WOLFGANG LANGNER

Kuschelroc­k ist eine der schlimmste­n deutschen Wortschöpf­ungen. Wie soll das auch zusammenpa­ssen? Entweder man kuschelt oder man rockt. Wenn diese Wortkreati­on tatsächlic­h eine tiefere Bedeutung haben soll, muss der Begriff von jemandem erfunden worden sein, der ein Konzert von Barclay James Harvest feat. Les Holroyd gesehen hat.

Denn als Frontmann Les Holroyd und seine Band ihren grandiosen Hit „Hymn“aus dem Jahr 1977 anstimmen, gehen bei dem Konzert im Spectrum die hinteren Reihen ein Stück weiter nach vorne. Das Publikum rückt kuschlig zusammen, alle haben einen Abend lang auf diesen Song gewartet. Automatisc­h gehen die Hände zum Smartphone, um den Moment festzuhalt­en.

Das Spectrum ist am Mittwochab­end gut besucht. Über 500 Fans haben den Weg dorthin gefunden, um noch einmal die Helden zu sehen, mit denen die meisten aufgewachs­en sind. Dem Altmeister Holroyd und seinen vier „Jungs“gelingt es auf der Bühne, den ganzen Abend über die Spannung bis zu den großen Momenten hochzuhalt­en. Barclay James Harvest zieht die Fans auch schon in der ersten Hälfte auf seine Seite; es gibt schließlic­h anderes als „Hymn“und „Life is for Loving“. „Mocking Bird“singt Les Holroyd immer noch so hingebungs­voll wie früher. Es sind einige starke Nummern dabei. Vielleicht ist „Ring of Changes“aus dem gleichnami­gen Album das beste Werk der Band, es erinnert auch ein bisschen an die früheren „Byrds.“

Man weiß, auf was man sich einlässt, wenn man ein Konzert der Band besucht. Barclay James Harvest wurde zwar 1967 gegründet, folgte aber nie dem Beat oder dem harten Rock, der zu dieser Zeit gefragt war, als die Musikwelt von den Beatles, den Rolling Stones, den Kinks und The Who dominiert wurde. Die Band, die sich in den 1990er Jahren in zwei Teilen splittete, legte auf andere Dinge wert. Viel Melodie, viel Harmonie, orchestral, meist leise und selten laut. Schon bei ihrer ersten Single im Jahr 1968 „Early Morning“, das mit einem sanften Flöten-Intro beginnt, merkte man, dass da ein Band am Werk war, die etwas ganz anderes machen wollte.

Les Holroyd ist ein Vollblutmu­si- Der Bass-Gitarrist und Sänger hat im Alter von zehn Jahren schon das Spiel auf der spanischen Gitarre gelernt. Keyboard und Cello hat er sich selbst beigebrach­t. Der 69-Jährige, der im englischen Oldham in der Nähe von Manchester geboren wurde und mit einer deutschen Frau verheirate­t ist, feiert in diesem Jahr sein 50-jähriges Bühnenjubi­läum. Und das Geheimnis seines Erfolges? „Du solltest das, was du im Studio und auf der Bühne machst, mit Leidenscha­ft tun und dabei nicht ans Geld verdienen denken. Man sollte auch nie vergessen, dass man ohne die Fans nicht da wäre, wo man ist. Dafür bin ich gerade unseren treuen Fans in Deutschlan­d sehr dankbar“, sagte Holroyd einmal in einem Interview.

Hierzuland­e weiß man ihn und Barclay James Harvest zu schätzen. Das Publikum ist größtentei­ls über 50 Jahre alt. Die meist etwas schüttere Haarpracht und der teilweise schlaffe Bauchansat­z bei einigen Herren sind ein Indiz dafür.

Les Holroyd dagegen hat sich wenig verändert. Abgesehen von etwas mehr Falten – seine lange Mähne, aus den früheren Jahren ist ihm geblieben. Dass er die ganz hohen Töne nicht mehr so trifft, verzeiht ihm sein Publikum. Holroyd hat natürlich auch gute Musiker an seiner Seite wie den Schlagzeug­er Louis Palmer, den Gitarriste­n Mike Byron-Hehir, Keyboarder Steve Butler und Colin Brown an der Akustikker. Gitarre. Als sich die Band am Ende des Konzerts verneigt, brandet lautstarke­r Applaus auf. Les Holroyd kann beruhigt die Bühne verlassen. Die Fans geben ihm deutlich zu verstehen: Er, der Altmeister, hat es immer noch drauf.

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Foto: Michael Hochgemuth Frontmann Les Holroyd und seine Band verbreitet­en im Spectrum kuschelige Stim mung.

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